500 Milliarden Euro für Infrastruktur
„Völlig ungezielte Maßnahme“ – Wirtschaftsexperten bemängeln Sondierungsdokument
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
CDU und SPD haben ein Sondierungsdokument präsentiert. Es beinhaltet umfangreiche Investitionen. Wirtschaftswissenschaftler äußern starke Kritik.
Berlin – Derzeit versuchen die Union und die SPD, eines der größten Investitionspakete des neuen Jahrtausends auf den Weg zu bringen. Auslöser dafür ist der Druck des US-Präsidenten Donald Trump. Dieser nähert sich in für die USA untypischer Weise Russland an und droht, Europa im Angriffsfall im Stich zu lassen. In der Reaktion versuchen die europäischen Industriestaaten, ihre Verteidigungsindustrie hochzufahren. Jetzt melden sich Ökonomen zum deutschen Umgang mit diesem Problem – und äußern deutliche Kritik.
„Ökologischer Skandal“ – Ökonomen kritisieren Sondierungspartei der Großen Koalition
Konkret geht es um ein Sondierungspapier, das CDU/CSU und die SPD am Samstag (8. März) vorgelegt hatten. Das Paket zeige jetzt schon, „wie das von beiden Partner anvisierte Ende der Schuldenbremse die Schleusen für unsinnige Subventionen und Klientelpolitik wieder weit öffnet“, sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. „Die ermäßigte Mehrwertsteuer in der Gastronomie ist ein Geschenk für wohlhabende Haushalte, die Rückkehr des subventionierten Agrardiesels ein ökologischer Skandal und die Ausweitung der Mütterrente für Kinder eine völlig ungezielte Maßnahme zulasten der Steuerzahler.“
Schon zuvor hatten sich CDU/CSU und SPD auf ein Sondervermögen für die Infrastruktur über 500 Milliarden Euro geeinigt – und auf eine Ausnahme von Verteidigungsausgaben oberhalb einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der Schuldenbremse.
Mittelfristig weitere Verteilungskonflikte – Drastische Warnung wegen Sondierungspapier
Kritik am elfseitigen Sondierungspapier kommt auch vom Institut für Weltwirtschaft (IfW). „Ambitionierte Konsolidierungsbemühungen sucht man vergeblich“, sagte der Direktor am Forschungszentrum Konjunktur und Wachstum, Stefan Kooths. Im Gegenteil: Es würden neue konsumtive Projekte in Aussicht gestellt. „Damit steht insgesamt zu befürchten, dass die massiv erweiterten Verschuldungsspielräume den Reformeifer erlahmen lassen“, warnte Kooths.
„Im Ergebnis finanzieren die für die Bundeswehr deklarierten Dauerdefizite so nur all das, was nun offenbar nicht mehr auf den fiskalischen Prüfstand kommt.“ Mit höherer Verschuldung ließen sich Verteilungskonflikte nur temporär überdecken. „Mittelfristig drohen sie sich dadurch aber weiter zu verschärfen“, sagte Kooths. Dies gelte umso mehr, als ohne durchgreifende standortstärkende Maßnahmen die Verteilungsspielräume kaum noch wachsen dürften.
„Schuldenfinanzierter Reformstau“ – Ökonomen nicht zufrieden mit Mindestlohn-Erhöhung
ZEW-Experte Heinemann sieht auch die geplante Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro kritisch. Dies sorge für einen „erheblichen Lohnkostenschub für Geringqualifizierte in strukturschwachen Gebieten – und das in einem sich stark abkühlenden Arbeitsmarkt“. Dagegen fehle es in der Vereinbarung an allem, was Deutschland dringend benötige: höheres Renteneintrittsalter, Ausweitung der Wochenarbeitszeit, mehr Eigenverantwortung im Fall von Krankheit und Pflege, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und ein konsequenter Subventionsabbau. „Deutschland verharrt auf wichtigen Feldern weiter im schuldenfinanzierten Reformstau“, so das Fazit von ZEW-Experte Heinemann.
Nach der Einigung über ein riesiges Finanzierungspaket mit Grundgesetzänderungen und Sondervermögen vergangenen Dienstag einigten sich CDU, CSU und SPD am Samstag auf das elfseitige Sondierungspapier. Darin wurden Kompromisse in zentralen Streitfeldern festgeschrieben. Nach gut einwöchigen Sondierungsgesprächen schlugen die Parteichefs die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Regierung vor. (Laernie mit Reuters)
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