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Studie zeigt: „Luft für die Autozulieferer wird immer dünner“
VonMarkus Hofstetter
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Mehr Umsatz, mehr Beschäftigte. Das Jahr 2023 ist für die Automobilindustrie in Deutschland gut gelaufen. Doch die Zulieferer konnten von der positiven Entwicklung nicht profitieren.
Stuttgart – Die Transformation der Autoindustrie weg vom Verbrenner hin zum Elektroauto ist eine Mammutaufgabe. Die Kosten für mehr Digitalisierung, bessere Software oder autonomes Fahren sind hoch. Das gilt für die Autohersteller und noch mehr für die Zulieferer, wie die steigende Zahl von Stellenstreichungen, Standortschließungen und Insolvenzen zeigt. Prominente Namen wie Webasto, Bosch, Michelin oder ZF Friedrichshafen machen Schlagzeilen. Ein Experte geht sogar davon aus, dass die Automobilzulieferer bis 2030 ein Viertel ihrer Arbeitsplätze abbauen werden.
Kluft zwischen Zulieferern und Autoherstellern: Im Zehnjahresvergleich wachsen Produzenten doppelt so stark
Eine aktuelle Analyse der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft EY trägt nicht zur Beruhigung der Gemüter bei. Ein Ergebnis: Die Schere zwischen Automobilzulieferern und -herstellern in Deutschland hat sich trotz Rekordumsätzen weiter geöffnet.
Demnach steigerte die Automobilbranche im vergangenen Jahr auch dank überwundener Produktionsengpässe ihren hierzulande erwirtschafteten Umsatz um zehn Prozent auf 558 Milliarden Euro - so viel wie nie zuvor. Dabei schnitten die Automobilhersteller mit einem Wachstum von elf Prozent erneut besser ab als die Zulieferer mit einem Umsatzplus von neun Prozent. Vor allem der Zehnjahresvergleich zeigt die Kluft zwischen den beiden Gruppen: „Seit 2014 stieg der Umsatz der Zulieferer in Deutschland um 25 Prozent, während die Hersteller mehr als doppelt so stark - um 59 Prozent - zulegten“, heißt es in der Studie.
Kluft zwischen Zulieferern und Autoherstellern: Erneuter Beschäftigungsrückgang
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den Beschäftigten. Zwar stieg deren Zahl in Deutschland im Jahr 2023 um 0,7 Prozent auf rund 780.000, wodurch der Negativtrend der vorangegangenen vier Jahre gestoppt wurde. Damit lag die Beschäftigung aber immer noch deutlich unter dem Höchststand des Jahres 2018 mit 834.000 Beschäftigten.
Bei den Zulieferern war im vergangenen Jahr allerdings erneut ein Beschäftigungsrückgang (um 0,2 Prozent) zu verzeichnen. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter bei den Zulieferern in Deutschland damit um 7,5 Prozent gesunken. Bei den Herstellern stieg die Zahl der Beschäftigten um 4,3 Prozent.
Kluft zwischen Zulieferern und Autoherstellern wächst weiter: Luft wird immer dünner
„Auf den ersten Blick war das vergangene Jahr nicht schlecht für die deutsche Autoindustrie“, sagt EY-Marktexperte Constantin Gall. Die Rekordumsätze seien aber auch das Ergebnis einer hohen Inflation und stark gestiegener Einkaufs- und Materialpreise. Unter dem Strich sorgten hohe Energie- und gestiegene Lohnkosten bei vielen Unternehmen für sinkende Margen.
„Das gilt vor allem für die Zulieferer, für die die Luft immer dünner wird“, so Gall weiter. Für eine Besserung der Lage spreche derzeit wenig, im Gegenteil. Der Konjunkturmotor stottere, die Neuwagenverkäufe hätten das Vorkrisenniveau noch lange nicht erreicht. Überkapazitäten und neue Rabattschlachten seien die Folge.
EY rechnet mit einer weiteren Konsolidierung unter den Zulieferern, auch angetrieben durch den stockenden Hochlauf der Elektromobilität. „Der erhoffte Hochlauf der Elektromobilität kommt nicht in Fahrt, es knirscht an allen Ecken und Ende, und es macht sich Unsicherheit breit“, so Gall. Denn noch gelten die ambitionierten Ziele der EU und das Verbrennerverbot ab 2035.
Kluft zwischen Zulieferern und Autoherstellern: Weiterer Beschäftigungsabbau erwartet
Gall sieht viele Zulieferer mit dem Rücken zur Wand: „Wer als Zulieferer zukunftsfähig sein möchte, muss massiv in neue Technologien investieren. Gleichzeitig werden im Elektrosegment bei weitem nicht die erwarteten und benötigten Stückzahlen erreicht. Das kostet die Branche aktuell sehr viel Geld und drückt auf die Marge.“
Angesichts der großen Unsicherheiten, mit denen die Unternehmen konfrontiert sind, rechnet Gall für das laufende Jahr mit einem Beschäftigungsabbau. „Zuletzt ist die Beschäftigung leicht gestiegen, was vor allem auf Aufbau an Software-Kompetenzen zurückzuführen ist“, teilt er mit. Der langfristige Trend zeige aber klar nach unten. „Die meisten großen Branchenunternehmen setzen auf Kostensenkungsprogramme“. Zudem werde Künstliche Intelligenz dafür sorgen, dass es in indirekten Bereichen wie IT, Personal, Marketing sowie Finanz- und Rechnungswesen weniger Jobs geben werde.
„Zunehmend setzen die Unternehmen daher auf Einstellungsstopps und den Abbau von Managementebenen“, sagte Gall. Der Hochlauf der E-Mobilität werde zwangsläufig zu weniger Beschäftigung am Standort Deutschland führen. Denn die Produktion von Elektrofahrzeugen sei weniger personalintensiv als die von Verbrennungsmotoren.
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Entwicklung der Autobranche: Wachstumsimpulse kommen vor allem aus dem Ausland
Wichtige Wachstumsimpulse für die Branche kamen der Studie zufolge zuletzt aus dem Export: Die Ausfuhren von Kraftwagen und Kraftwagenteilen legten um zehn Prozent zu, nach einem Plus von 16 Prozent im Vorjahr. Allerdings zeigten die beiden wichtigsten Exportmärkte Schwächen.
Die Ausfuhren in die USA lagen nur knapp über dem Vorjahresniveau, die Exporte nach China brachen sogar um 18 Prozent ein. „Insgesamt sehen wir zunehmend Nationalisierungstendenzen, die für unsere stark exportorientierte Autoindustrie ein echtes Risiko darstellen“, so Gall. Wesentliche Zukunftsinvestitionen würden zunehmend außerhalb Deutschlands getätigt, warnt er.
Positiv entwickelten sich dagegen die Ausfuhren ins europäische Ausland. Die Exporte in die Länder der Eurozone stiegen im vergangenen Jahr um 21 Prozent. Das war fast viermal so viel wie die Exporte in die übrigen Länder, die nur um sechs Prozent zulegten.
EY-Studie zur Beschäftigungs- und Umsatzentwicklung der Automobilbranche
EY hat für die Analyse Zahlen des Statistischen Bundesamtes und der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Gegenstand der Untersuchung waren Betriebe in Deutschland mit mindestens 50 Mitarbeitern.