Ulrike Malmendier

Strompreisbremse oder Energiewende? Wirtschaftsweise pocht auf erneuerbare Energien

  • Marcel Reich
    VonMarcel Reich
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Statt in günstigen Industriestrom zu investieren, sollten wir laut Ulrike Malmendier in erneuerbare Energien investieren. Ihre Argumente könnten die Debatte neu entfachen.

Berlin - Die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier plädiert dafür, dass die Förderung erneuerbarer Energien Priorität gegenüber möglichst niedrigen Strompreisen für die Industrie haben sollte. Jeder Cent, der in die Senkung der Industriestrompreise investiert werde, wäre ihrer Meinung nach besser in den Ausbau von Stromnetzen oder der Wasserstoffinfrastruktur investiert.

Ulrike Malmendier, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, stellt in der Bundespressekonferenz das Jahresgutachten 2023/24 vor.

Krise als Gelegenheit für erneuerbare Energie

Die Ökonomin äußerte am Montag auf dem „SZ Wirtschaftsgipfel“ in Berlin, dass es grundsätzlich der falsche Weg sei, Unternehmen durch niedrige Energiepreise unbedingt im Land halten zu wollen, die sonst abwandern würden. Solche Unterstützungen könnten höchstens als Übergangsmaßnahmen dienen, aber nicht dazu, die gegenwärtige Struktur der Industrie zu verfestigen. Sie betonte, dass die Krise als Gelegenheit gesehen werden sollte: „Wir müssen das Angebot an erneuerbarer Energie ausweiten“, unterstrich Malmendier.

Nach langwierigen Verhandlungen hatte die Bundesregierung kürzlich eine Begrenzung der Strompreise für Industrie und Mittelstand beschlossen. Diese Preissenkung soll für einen Zeitraum von fünf Jahren gelten. Unter anderem ist geplant, die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau zu senken. Etwa 350 besonders energieintensive Unternehmen sollen zusätzlich speziell entlastet werden.

Wirtschaftsweise Grimm und Ökonomen loben Strompreispaket

Die Einigung der Bundesregierung auf ein Strompreispaket mit milliardenschweren Entlastungen für die Wirtschaft stößt bei Ökonomen überwiegend auf ein positives Echo. „Es ist gut, dass die Bundesregierung diesen Weg nun endlich geht“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Entlastungen der energieintensiven Industrie zu verlängern und noch zu erhöhen schafft für die Unternehmen sicherlich Erleichterung in einer angespannten Lage.“ Auch die Haushalte sollten einbezogen werden. Denn die Energiewende gehe umso schneller voran, je attraktiver die Elektrifizierung sei.

„Die Entscheidung der Regierung ist endlich mal ein gutes und starkes Zeichen“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Der verbilligte Industriestrompreis soll für fünf Jahre gelten und auch dem Mittelstand zu Gute kommen. Allein im nächsten Jahr sollen sich die Entlastungen der Bundesregierung zufolge auf rund zwölf Milliarden Euro summieren. „Fünf Jahre geben Planungssicherheit und verhindern die weitere Erosion des Standorts Deutschland“, sagte Brzeski.

Doch es gibt auch Kritik am Strompreispaket

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer findet es gut, dass der Staat die Stromsteuer für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes soweit wie möglich senkt. „Auf Dauer sind die Strompreise für alle Unternehmen aber nur wettbewerbsfähig, wenn hierzulande mehr Strom produziert wird“, sagte Krämer. „Dazu muss der Ausbau der erneuerbaren Energie viel schneller vorangehen.“ Außerdem brauche es für Dunkelflauten - also Phasen von geringer Wind- und Solarstromeinspeisung - eine zuverlässige Grundlast. Diese sei durch das Abschalten der Kernkraftwerke jedoch geschwächt worden. „Das Energieproblem der deutschen Wirtschaft ist noch lange nicht gelöst, die Unternehmen sind zu Recht beunruhigt“, sagte Krämer.

Kritik an dem Paket kommt von Wirtschaftsprofessor Jens Südekum von der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. „Es ist fraglich, ob diese Steuersenkung große Auswirkungen haben wird“, sagte er. Mit der Senkung der Stromsteuer werde die Kilowattstunde für die Unternehmen rund 1,5 Cent billiger. Das sei viel weniger als beim Wegfall der EEG-Umlage im Jahr 2022, wo es um mehr als sechs Cent gegangen sei. Die Unternehmen seien also schon erheblich von Steuern und Umlagen entlastet worden.

Wirtschaftsweise fordert Strukturwandel

Es bleibe offen, ob die erneute Stromsteuersenkung so viel zusätzlich bringe. „Insgesamt ist das Paket also eine teure Gießkannenförderung für alle, die kaum spürbare Effekte haben dürfte“, sagte Südekum. „Der Brückenstrompreis wäre gezielter, effektiver und am Ende für den Bund auch günstiger gewesen.“

Die Wirtschaftsweise Grimm forderte, den notwendigen Strukturwandel in den Blick zu nehmen. Am Strom-Großhandel sei ein Preis von fünf Cent je Kilowattstunde oder darunter „schlicht nicht in Sicht“. Auch 2030 dürften es noch acht bis zehn Cent sein - und das vor Netzumlagen und weiteren Abgaben. „Es muss daher Priorität haben, die Substitution von energieintensiven Vorprodukten, etwa klimaneutralem Wasserstoff, Ammoniak oder Methanol, durch Importe gemeinsam mit der Industrie auf den Weg zu bringen“, sagte Grimm. „Darauf sollte die Bundesregierung ihren Fokus legen, denn nur so können die darauf aufbauenden Wertschöpfungsketten auf Dauer erhalten werden.“ Für die Dämpfung der Strompreise werde die aus diesen Maßnahmen resultierende Reduktion der Nachfrage entscheidend sein.

Mit Material von Reuters

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