Konjunkturflaute
„Eine stagnierende Wirtschaft ist Zeichen des Erfolgs“: Ökonom erklärt positive Seite der Konjunkturflaute
VonAmy Walkerschließen
Schwaches Wachstum, sogar eine mögliche Rezession: Die Laune in der Wirtschaft ist gerade schlecht. Doch ein Ökonom aus den USA hat einen ganz anderen Blick auf die Lage.
Berlin – Ökonomen sind in Deutschland aktuell in der Regel nicht besonders gut gestimmt, zumindest mit Blick auf die aktuelle Wirtschaftsleistung. Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zum Jahresende 2023 könnte die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2024 erneut etwas sinken, wie es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank heißt. Schrumpft das BIP zwei Quartale in Folge, sprechen Volkswirte von einer sogenannten technischen Rezession. „Eine Rezession im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung kann aber weiterhin nicht festgestellt werden und ist derzeit auch nicht zu erwarten“, schrieben die Experten.
Schwaches Wachstum auch im Jahr 2024 prognostiziert
Weiter geht die Bundesbank davon aus, dass die Konsumlust der Verbraucherinnen und Verbraucher angesichts eines „stabilen Arbeitsmarktes, kräftig steigender Löhne und einer abnehmenden Inflationsrate“ perspektivisch wieder anzieht. Zu Beginn des laufenden Jahres hätten sich die Verbraucher wohl aber weiter mit Ausgaben zurückgehalten. Der Privatkonsum war als wichtige Konjunkturstütze bereits zum Jahresende ausgefallen. Die Wirtschaftsleistung insgesamt schrumpfte nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes im vierten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent.
In ihrer Mitte Dezember veröffentlichten Prognose hatte die Bundesbank für Deutschland nach einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr für 2024 ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent vorhergesagt. Mittelfristig rechnet die Bundesbank demnach wieder mit einem etwas stärkeren Wachstum von 1,2 Prozent im Jahr 2025 und 1,3 Prozent im Jahr 2026.
Für viele Politiker und Wirtschaftswissenschaftler sind solche niedrigen Wachstumsraten Grund zur Sorge – weshalb aktuell auch so viel darüber diskutiert wird, wie man die Wirtschaft im Land wieder ordentlich ankurbeln kann. Sowohl Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) sorgen sich um die Wettbewerbsfähigkeit des Standort Deutschlands – fordern aber ganz unterschiedliche Maßnahmen, um die Lage in den Griff zu bekommen.
Ökonom: „Wir sind ziemlich satt und zufrieden“
Derweil hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bisher immer optimistischer gezeigt, die Lage werde schlechter geredet, als sie ist, so der Tenor aus dem Kanzleramt. Und damit könnte der Kanzler nach Auffassung eines Ökonomen aus den USA auch recht haben. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung beteuert er: „Eine stagnierende Wirtschaft ist ein Zeichen des Erfolgs“.
Dietrich Vollrath von der University of Houston im US-Bundesstaat Texas begründet seine Ansicht damit, dass das BIP gar nicht mehr so stark wachsen kann, wie früher, da die Qualität vieler verkaufter Produkte zunehmend besser wird, zugleich aber auch billiger. Somit spielt der Konsum in wohlhabenden Volkswirtschaften eine kleinere Rolle als in aufsteigenden Volkswirtschaften.
„Wir haben einen Punkt erreicht, an denen wir ziemlich satt und zufrieden sind mit dem, was wir haben. Das gilt in Relation selbst für Milliardäre wie Jeff Bezos, Bill Gates oder Warren Buffett. Die haben vielleicht jeweils zehn Häuser und somit vielleicht 20 Kühlschränke. Aber der Punkt ist: Obwohl die x-mal so viel Geld haben wie ich, haben die eben nicht x-mal so viele Kühlschränke, sondern weniger“ so Vollrath.
Deshalb sollten sich wohlhabende Länder nicht zu sehr mit kleinen BIP-Zahlen aufhalten – solange die Wirtschaft weiter generell wächst, wenn auch nicht mehr so schnell wie früher, sei das ein gutes Zeichen. „Es ist unser Privileg, dass langsames Wachstum in Ordnung ist. Wir können mit unserer Zeit, mit unseren Ressourcen andere Dinge tun. Zum Beispiel das Klima schützen.“ Für die Politik sei genau dieses Priorisieren eine zentrale Herausforderung, sagt der Ökonom in der SZ weiter. Denn ohne starken Wachstum wird der zu verteilende Kuchen nicht größer – es muss also entschieden werden, wo welche Ressourcen eingesetzt würden.
Genau darüber streitet sich jetzt auch die Ampel-Koalition – und droht am Verteilungskampf zu zerreißen. Bis Frühjahr soll ein neues Konzept stehen, um den Standort zu stärken.
Mit Material von dpa
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