Ablehnung einer Arbeit

CDU geht gegen „Totalverweigerer“ beim Bürgergeld vor: So viele Menschen sind dann betroffen

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Die Debatte um das Bürgergeld und Arbeitsanreize erhitzt die Gemüter. Doch wie viele Menschen lehnen Arbeit tatsächlich ab?

Berlin – Laut der Bundesagentur für Arbeit haben im Jahr 2023 rund 3,9 Millionen Menschen Bürgergeld erhalten. Von diesen waren etwa 1,9 Millionen als nicht erwerbsfähig eingestuft. Die verbleibende Gruppe ist Gegenstand intensiver Debatten, die sich in den letzten Wochen und Monaten verschärft haben. Insbesondere seit der Entscheidung, das Bürgergeld ab 2024 erneut zu erhöhen, ist eine hitzige Diskussion unter deutschen Politikern entbrannt, ob Arbeit noch attraktiv ist. Entsprechend hat die CDU nun ihren Gegenvorschlag zum Bürgergeld eingereicht – und will „Totalverweigerern“ die Grundsicherung gänzlich streichen.

Abgesehen davon, dass das Bundesverfassungsgericht bereits 2019 entschieden hat, dass das nicht zulässig ist, stellt sich die Frage, wie viele Menschen eine solche Regelung treffen würde.

Daten für 2022 und 2023 nur fragmentarisch

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sammelt genau diese Daten, die Ippen.Media für diese Analyse zur Verfügung gestellt wurden. Aus diesen Daten geht hervor, wie oft und aus welchem Grund das Bürgergeld (oder früher Hartz IV) gekürzt werden musste.

Für die Jahre 2022 und 2023 liegen jedoch nur fragmentarische Daten vor. Von Juli 2022 bis zur vollständigen Einführung des neuen Bürgergelds gab es ein Sanktionsmoratorium, d.h. es gab nur sehr wenige Leistungskürzungen, um die Jobcenter bei der Einführung des neuen Systems zu entlasten. Die Ablehnung eines Jobangebots wurde in diesem Zeitraum nicht bestraft, ebenso wie die meisten anderen Pflichtverletzungen. Für die Jahre 2022 und 2023 gibt es daher nur Daten für einzelne Monate, für alle anderen Jahre liegen Jahresdaten vor.

Die erste wichtige Erkenntnis ist daher, dass es noch nicht möglich ist, ein umfassendes Bild vom Bürgergeld im Vergleich zu Hartz IV zu zeichnen. Es gibt einfach noch keine verlässlichen Informationen dazu, wie ein Arbeitsmarktforscher des IAB auf Nachfrage bestätigte. „Es hat viel Unruhe in den letzten Jahren gegeben, und das zeigt sich leider auch in der Statistik“, sagte er.

Carsten Linnemann will das Bürgergeld umkrempeln

Im Jahr 2021 wurden 52.174 Fälle von Leistungskürzungen aufgrund von „Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses“ registriert. Dies entsprach fast 27 Prozent aller Leistungskürzungen in diesem Jahr, was jedoch einen deutlichen Rückgang darstellt.

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 wurden monatlich zwischen 5245 und 3712 Fälle erfasst. In den Monaten Juni, Juli, August und September 2023 waren es monatlich etwa 2000 Fälle, im Oktober und November etwas weniger bei rund 1600 Fällen.

Seit 2007 mussten die Jobcenter immer seltener Leistungen kürzen, weil jemand eine Arbeit nicht (mehr) annehmen wollte. Während 2007 noch 183.430 Kürzungen aufgrund von Arbeitsverweigerung vorgenommen wurden, waren es im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 nur noch 82.891. Im Jahr 2020 verzeichneten die Daten einen Einbruch auf nur noch 18.392 Fälle, was laut IAB jedoch auf die Absage vieler persönlicher Termine in den Jobcentern im Corona-Jahr zurückzuführen ist. Dies verfälscht natürlich das Gesamtbild.

Bürgergeld „Totalverweigerer“: Höchstens zwei Prozent aller Leistungsbeziehenden

Die zweite wichtige Erkenntnis ist daher, dass immer weniger Arbeitslose wegen Arbeitsverweigerung sanktioniert werden müssen. Dieser Trend ist seit 2007 ungebrochen. Zwischen 2007 und 2016 ist auch die Zahl der Arbeitslosen kontinuierlich zurückgegangen, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht.

Die Analyse wird dadurch erschwert, dass in der IAB-Statistik nur Fälle und nicht Personen gezählt werden. Es ist also möglich, dass eine Person mehrmals einen Job ablehnt und dann auch mehrmals in der Statistik erfasst wird. Es ist unklar, wie viele Personen genau ein Jobangebot ablehnen.

Aber selbst wenn jeder einzelne Fall aus dem Jahr 2021 (dem letzten vollständigen Jahr) eine Person repräsentieren würde: 52.000 von insgesamt 3,9 Millionen Bürgergeld-Empfängern entsprechen gerade einmal 1,3 Prozent. Wenn man die Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung als erwerbsunfähig gelten, herausnimmt, steigt der Anteil leicht auf 2,6 Prozent.

Es muss jedoch unterschieden werden zwischen den Fällen, in denen ein neuer Job oder eine neue Ausbildung tatsächlich abgelehnt werden, und denen, bei denen die Fortführung einer Arbeit abgelehnt wird - zum Beispiel, weil der Job doch nicht geeignet ist - und denen, bei denen es um die Ablehnung einer Maßnahme (z.B. ein Bewerbungstraining) geht. Diese drei unterschiedlichen Szenarien werden zusammen erfasst.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur ein sehr kleiner Teil der Menschen in Deutschland, die derzeit ein Arbeitsangebot erhalten, dieses auch ablehnt.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Chris Emil Janssen

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