Geldregen oder Natur?
Zoff um Mega-Fabrik in Niederbayern – Stoppt Bürgerbegehren Elektro-Strategie von BMW?
Der von BMW geplante Bau einer Produktionsstätte für Elektroauto-Batterien in Niederbayern droht zu wackeln. Vereitelt eine Bürgerinitiative das Mega-Projekt?
Straßkirchen/München – BMW treibt massiv seine Elektroauto-Strategie voran. Dafür wird die Produktion auch in den bayerischen Werken massiv nach oben geschraubt. Die Batterien für die E-Offensive sollen künftig in einem neuen, zentrale Montagewerk in Niederbayern gefertigt werden, etwa 40 Kilometer nördlich des größten europäischen BMW-Werks Dingolfing. Jedoch könnte der nun beginnende Bürgerentscheid in der 3300-Einwohner-Gemeinde Straßkirchen die Pläne des Münchner Premiumherstellers zunichtemachen. Für den Konzern gehe es jedoch um nichts weniger als „die Zukunft der Elektrifizierung“, sagt Vorstandsmitglied Ilka Horstmeier – und bezieht sich auf den Freistaat Bayern.
Die „Bürgerinitiative Lebenswerter Gäuboden“ will die Akkufabrik indes verhindern und hat eine Abstimmung über die Ansiedelung durchgesetzt. Die Gemeinderäte von Straßkirchen und Irlbach, auf deren Gemarkung das Werk entstehen soll, hatten die Errichtung der Produktionsstätte jedoch einstimmig befürwortet – jetzt bangen sie um 3200 neue Arbeits- und Ausbildungsplätze und hohe Steuereinnahmen.
BMW treibt weltweit Batterie-Werke voran - Niederbayern wackelt
BMW will auf dem auserkorenen Gelände nahe den Autobahnen A3 und A92 jährlich rund 600.000 Hochvolt-Akkus montieren, die dann in Dingolfing, Regensburg und München in die Elektroautos der Marke eingebaut werden. Die Batterien könnten auch mit E-Lastwagen direkt zu den Autowerken transportiert werden, zusätzliche Lager wären überflüssig. Batteriefabriken baut der Konzern auch bei seinen Autowerken in Ungarn, den USA, Mexiko und China.
In Bayern beschäftigt BMW heute rund 40.000 Mitarbeiter und erläutert die Bedeutung für den hiesigen Arbeitsmarkt: „Viele Unternehmen werden genau hinschauen, ob die Menschen Investition in nachhaltige Technologien und in zukunftsfähige Arbeitsplätze in Bayern überhaupt noch wollen. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger von Straßkirchen entscheiden auch über die Attraktivität von Bayern als Wirtschaftsstandort“, sagt Horstmeier und warnte: „Wenn Zukunftstechnologien und Arbeitsplätze erstmal abwandern, kommen sie so bald nicht wieder, und eine Abwärtsspirale beginnt.“
Neues BMW-Werk: Anwohner fürchten Industriezone statt ländliche Heimat
Die „Bürgerinitiative Lebenswerter Gäuboden“ befürchtet dagegen, die ländliche Heimat werde zur Industriezone und zum Verkehrsknoten. Laut eingereichten Planungsunterlagen könnten bald 650 Lastwagen täglich zum und vom BMW-Montagewerk fahren, dazu kämen wohl Tausende Autos sowie einige Dutzend Werksbusse. Einerseits biete BMW zwar sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze, genau das sei in Zeiten des Fachkräftemangels jedoch existenzbedrohend für zahlreiche andere Betriebe in der Region. Obendrein würden über 100 Hektar bester Ackerboden für immer zerstört. Auch der Bund Naturschutz kritisiert die weitreichenden Pläne in München.
Für die Ansiedelung und eine „moderne Heimat mit Zukunft“ kämpft eine zweite Bürgerinitiative, sie warnt vor dem Scheitern und der Abwanderung der Jungen. In Vorgärten und an Balkonen sind dem Vernehmen nach Plakate mit Schriftzügen wie „Ja zu BMW“ zu sehen.
BMW-Werk bei Straubing: Bürgermeister brauchen Gewerbesteuereinnahmen
Straßkirchens Erster Bürgermeister Christian Hirtreiter setzt sich für das BMW-Werk ein: „Hier ist jeder Euro wirklich dringend nötig!“ Der Kommunalpolitiker erwähnt Negativbeispiele aus der Region: Ein Unternehmen im benachbarten Deggendorf habe gerade 400 Mitarbeiter entlassen, ein anderer Betrieb mit 170 Stellen gehe nach Polen, die Papierfabrik in Plattling mit 400 Beschäftigten schließe. BMW bedeute Arbeit und Wohlstand nicht nur für die Gemeinden, sondern für die ganze Region. „Auch die ortsansässigen Unternehmen profitieren davon.“
Baufirmen, Bäcker, Zulieferer - rund 1200 Betriebe in Niederbayern arbeiten teils oder ganz für BMW. In der Region rund um Straßkirchen und Irlbach leben angeblich bereits rund 7500 BMW-Beschäftigte, die nach Dingolfing oder auch weiter pendeln würden. Über 1500 von ihnen könnten im neuen Montagewerk arbeiten, versprach BMW offenbar. Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Nähe wären gut für die Familien, Großeltern, für das Dorf, sagt Irlbachs Zweiter Bürgermeister Hermann Radlbeck. Der Gemeinde fehle auch das Geld für Kita, Breitbandausbau, Straßensanierung und andere Aufgaben. „Deshalb brauchen wir diese Gewerbesteuereinnahmen“.
Inzwischen seien alle Argumente ausgetauscht, lässt Hirtreiter wissen. In den kommenden Tagen bekommen alle rund 2700 Stimmberechtigten die Briefwahl-Unterlagen zugeschickt. „Wir erwarten eine hohe Wahlbeteiligung, weil das Thema wirklich alle angeht.“ Ausgezählt wird das Bürgerbegehren am Abend des 24. September 2023. (PF/dpa)
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