„Zu dunkel, zu grau“

Allein ausländische Arbeitskräfte sorgen für Beschäftigungsplus – wollen aber oft nicht bleiben

  • Lisa Mayerhofer
    VonLisa Mayerhofer
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Zuwanderer tragen zum Beschäftigungsanstieg in Deutschland bei – und werden wegen des Fachkräftemangels dringend gebraucht. Doch viele Einwanderer gehen recht schnell wieder.

Nürnberg – Viele Branchen in Deutschland klagen schon seit langem über Fachkräftemangel und fordern mehr Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland – obwohl der Wirtschaftsmotor gerade stottert. Tatsächlich tragen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) mittlerweile nur noch ausländische Arbeitskräfte zum Beschäftigungsanstieg auf dem deutschen Arbeitsmarkt bei.

Nahles: „Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie derzeit“

„Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland beschäftigt wie derzeit“, sagte BA-Chefin Andrea Nahles am Mittwoch (31. Januar) in Nürnberg. Das Beschäftigungsplus im Jahr 2023 gehe ausschließlich auf Menschen ohne deutschen Pass zurück. Dabei gehe es mehrheitlich um Menschen aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union (EU). „Auch das ist neu“, sagte Nahles. „Das gilt auch dann, wenn wir die Fluchtländer Ukraine, Syrien oder Afghanistan herausrechnen. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen.“

Nach den BA-Zahlen ging die Beschäftigtenzahl von Deutschen im vorigen Jahr um 77.000 zurück. Das hatte es zuletzt im Corona-Jahr 2020 gegeben. Über viele Jahre hatten deutsche Staatsangehörige einen Großteil zum Beschäftigungsplus beigetragen, ebenso auch Zuwanderung aus den EU-Staaten auf Grundlage der Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Ein Hinweisschild für die Bundesagentur für Arbeit: Es fehlen Arbeitskräfte an allen Ecken und Enden.

Deutscher Arbeitsmarkt benötigt Zuwanderung aus Drittstaaten

„Der deutsche Arbeitsmarkt benötigt schon allein aus demografischen Gründen Fach- und Arbeitskräfte aus Drittstaaten“, sagte Nahles. „Das gilt umso mehr, da die Binnenmigration aus der EU heraus sinkt.“ Inzwischen hätten osteuropäische Staaten wirtschaftlich enorm aufgeholt und selber teilweise demografische Probleme, mit denen sie kämpften. Daher kämen aus diesen Ländern zusehends weniger Menschen, während Migration aus Drittstaaten an Bedeutung gewinne: „Selbst wenn wir die Fluchtstaaten und Westbalkan nicht berücksichtigen, übertrifft der Beschäftigungsanstieg der Drittstaaten den Zuwachs aus der Europäischen Union und der Deutschen.“

Die Zahlen unterstreichen laut Nahles, „wie wichtig ausländische Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt sind, und nach unserer Prognose wird das auch in Zukunft zunehmen“. Das IAB-Forschungsinstitut gehe davon aus, dass dem Arbeitsmarkt bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stünden, wenn auf Zuwanderung verzichtet würde.

Den größten Beitrag aus Drittstaaten zum Beschäftigungsplus stellten nach den BA-Zahlen ukrainische Staatsangehörige, von denen im Juni 2023 im Vergleich zum Vorjahr 53.000 mehr einen sozialversicherungspflichtigen Job hatten. Mini-Jobs werden dabei nicht mitgezählt. Danach folgten Menschen aus Indien mit einem Plus von 24.000 und aus Syrien mit 15.000 mehr. Das Beschäftigungsplus aus Drittstaaten bezifferte die BA auf zusammen 257.000. Insgesamt verzeichnete die BA im Juni 2023 34,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Nahles: „Die Gesellschaft muss mithelfen, dass die Menschen gerne kommen“

Nahles appellierte an die Bevölkerung in Deutschland, ausländische Beschäftigte zu unterstützen. „Die Gesellschaft muss mithelfen, dass die Menschen gerne kommen und sich hier wohlfühlen und auch bleiben wollen“, sagte Nahles. „Integration heißt nicht nur Arbeit ausüben, sondern auch gesellschaftlich eingebunden sein und hier auch willkommen zu sein.“ 

Denn die ausländischen Fachkräfte sollten dann auch möglichst lange in Deutschland bleiben und nicht wieder abwandern. Denn nicht nur die Zuwanderung – auch die Abwanderung ist hoch, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf den Migrationsbericht. Dabei bilden Deutsche unter den Auswanderern eine Minderheit, stattdessen verlässt fast die Hälfte von insgesamt fast 700.000 Emigranten, die länger als drei Monate in Deutschland waren, wieder das Land. Besonders bitter: Viele von ihnen befänden sich gerade im besten Arbeitsalter und seien qualifizierte Fachkräfte, berichtet die Zeitung.

Abwanderung statt Zuwanderung: Warum verlassen Migranten Deutschland wieder?

Doch warum verlassen so viele Zuwanderer Deutschland wieder? Dieser Frage spürte das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen in einer Studie nach. Das Ergebnis laut FAZ: „Die meisten Interviewten gaben an, dass sie die Ausreise aus Deutschland bedauerten, und führen die Ausreise auf externe Gründe zurück.“

Allerdings gab ein Fünftel der vom Institut befragten Migranten in der Studie auch Integrationspro­bleme als Grund an, so die Zeitung: „Er oder sie fühlte sich in Deutschland nicht wohl, wurde diskriminiert oder hat keinen Anschluss gefunden.“ Acht Prozent der Befragten fanden die Arbeitsbedingungen nicht passend. Sprachbarrieren und bessere Verdienstmöglichkeiten seien ebenso ein Faktor. Hier könnte in Deutschland nachgebessert werden – beispielsweise durch Bürokratieabbau.

Aber nicht alle Probleme lassen sich lösen: „Immer dunkel, immer grau“ sei es in Deutschland, gab demnach eine Migrantin an. „Man kann die Sonne wochenlang nicht sehen.“

Mit Material von Reuters

Rubriklistenbild: © Jens Büttner/dpa