„Vielleicht ist das gut“

Eon-Chef kündigt höhere Strompreise an – Energiewende passiert nicht zum „Nulltarif“

  • Lars-Eric Nievelstein
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Deutschland treibt die Energiewende voran. Der Eon-Chef warnt dabei vor massiven Preissteigerungen. Trotzdem sieht er auch Chancen.

Berlin – Erst zu Beginn des Jahres hatte Leonard Birnbaum, Vorstandsvorsitzender vom Energieriesen Eon, eine Erhöhung der Strompreise vorausgesehen. Nur wenige Wochen später kündigten die beiden Energiekonzerne EnBW aus Karlsruhe und EWE aus Oldenburg an, ihre Preise tatsächlich steigern zu wollen. Im Schnitt ging es hierbei um ein Plus von bis zu sechs Prozent. Dabei bleibt es jedoch nicht – nun warnte Birnbaum vor wesentlich höheren Kosten, wenn die Regierung nicht handele.

Eon-Chef: „Können die Geschichte der Energiewende zum Nulltarif nicht weiter erzählen“

Gründe für weitere Preissteigerungen gibt es laut Birnbaum so einige. Zum Beispiel steigen die Kosten für die Finanzierung von Investitionen mit dem Leitzins, gleichzeitig braucht das Land noch mehr Ökostrom-Anlagen. Die aktuell „stark wachsende“ Ökostrom-Produktion wiederum benötigt eine Integration mit dem Stromnetz. Das verlangt einen schnelleren und intelligenten Ausbau der Netze, außerdem müssen die notwendigen Reservekapazitäten bereitstehen. „Uns wurde immer entgegengehalten, dass die Sonne keine Rechnung schicke, deshalb sei alles umsonst“, sagte der Eon-Chef der Süddeutschen Zeitung. Bei Eon aber sei immer klar gewesen, dass es anders kommen würde.

Eon-Chef warnt vor steigenden Preisen – Energiewende passiert nicht zum „Nulltarif“

All diese Faktoren könnten nun dafür sorgen, dass die Preise weiter steigen. „Wenn die Politik nicht gegensteuert, ist das nicht ausgeschlossen“, warnte Birnbaum. Besonders stark werde aktuell die energieintensive Industrie belastet – hier seien die Stromkosten schon vor der Krise, verglichen mit anderen Ländern, eher hoch gewesen. „Die Politik kann die Geschichte der Energiewende zum Nulltarif nicht weiter erzählen.“

Ausbau von Windenergie läuft nicht zweckmäßig genug

Als ein weiteres Problem benannte Birnbaum eine gewisse Planlosigkeit bei der Errichtung von Windkraftanlagen. „Der Windparkentwickler baut einfach da, wo der Wind ordentlich weht, und sagt dann zum Beispiel zu Eon: ‚Schließ das mal ans Netz an‘.“ Dann sei Eon in der Pflicht, dem Folge zu leisten, „wie sinnvoll das auch sein mag.“ Das Problem dabei: Viele Energiekonzerne haben jede Menge Windkraftanlagen im Norden der Bundesrepublik aufgebaut, wo tendenziell mehr Wind geht. Sobald aber dadurch mehr Energie entsteht, als zum Beispiel Schleswig-Holstein verbrauchen kann, gibt es Probleme.

Weil die Ableitung des Stroms gen Süden die Netze überlastet, sind Netzengpässe eine mögliche Konsequenz. In solch einem Fall – so geschehen zum Beispiel im Januar mit TransnetBW – kann es vorkommen, dass die Netzbetreiber die Bürger zum Stromsparen auffordern. „Müssen die Windräder abgeregelt werden, weil das Netz überlastet ist, erhält der Investor eine Entschädigung“, erklärte Birnbaum. Die Kosten reichen die Netzbetreiber am Ende an die Verbraucher weiter, während der Investor kein Risiko habe. „Das sind falsche Anreize.“ Stattdessen müsste es mehr Windräder in Bayern und Baden-Württemberg geben. Windräder müssten dort gebaut werden, wo es netztechnisch günstiger sei. „Je früher wird da gegensteuern, desto billiger kann es werden“, sagte der Eon-Chef dazu.

Eon-Chef sieht Chancen für die Energiewende

Trotzdem sieht er auch eine positive Seite. Die aktuelle Entwicklung zwinge „uns alle“, über Alternativen nachzudenken, wo die Wege „einfacher und wirtschaftlicher“ sein könnten. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei ebenfalls eine Chance. Der Ausbau der erneuerbaren Energien zum Beispiel könnte über eine regionale Steuerung laufen, Wind- und Solaranlagen müssten dort stehen, wo der Strom auch gebraucht wird – oder wo es genügend Netze gibt. Am Ende führe dies zu wichtigen Kostensenkungen.

Die Bundesnetzagentur sieht dabei ebenfalls noch Ausbaupotenzial. Zwar habe Deutschland in der Photovoltaik große Fortschritte gemacht. Beim Wind an Land jedoch sei die Agentur noch nicht da, wo sie eigentlich stehen wollte. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, sagte dazu: „Optimistisch stimmt mich aber, dass 2023 deutlich mehr Genehmigungen ergangen sind. Das wird sich in steigenden Zubauzahlen auszahlen“.

Fahrt aufnehmen statt diskutieren

Zuletzt rät der Eon-Chef zu mehr Bewegung in Sachen Ausbau der Infrastruktur. „Wir stehen ständig auf der Waage, wiegen uns und nehmen uns anstrengendere Abnehmziele vor, anstatt einfach mal anzufangen, uns zu bewegen“, bemängelte er. „Wenn wir alle an einem Strang ziehen, dann können wir das schaffen. Wir müssen Fahrt aufnehmen.“

Eon hatte zuletzt eine Führungsrolle in der Energiewende beansprucht. Das zeigt nicht nur der neue Slogan „It‘s on us“, also „es liegt an uns“, Birnbaum hatte bei der Energiemesse E-World in Essen angekündigt, dass die Energiewende ohne Eon nicht möglich sei. Von 1,9 Millionen Kilometern Stromnetz betreibt Eon fast 700.000 Kilometer.

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