Soli
Nächster Rückschlag für den Ampel-Haushalt droht: Wird die „Sondersteuer für Reiche“ abgeschafft?
- VonMax Schäferschließen
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Solidaritätszuschlag wird noch in diesem Jahr erwartet. Ein Wegfall des Solis könnte das Haushaltsdefizit massiv erhöhen – zu Lasten des Sozialstaates?
Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht könnte in diesem Jahr die Kopfschmerzen der Ampel-Koalition beim Bundeshaushalt 2025 noch vergrößern. Die Richterinnen und Richter des zweiten Senats wollen noch im Herbst über ein langjähriges Streitthema entscheiden: den Solidaritätszuschlag. In den bisherigen Planungen der Ampel-Koalition sind Einnahmen von 12,8 Milliarden Euro vorgesehen. Die könnten nun wegfallen und die Haushaltslücke von derzeit 17 Milliarden Euro noch einmal deutlich vergrößern.
Bundesverfassungsgericht will im Herbst über Soli-Aus entscheiden
Tatsächlich ist es die FDP, die besonders laut gegen den Soli für Gutverdienende und Unternehmen vorgeht. Die Verfassungsbeschwerde, über welche das Gericht in Karlsruhe entscheiden muss, ist von sechs FDP-Politikern 2020 eingereicht worden, als diese noch in der Opposition waren.
Aber auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich die endgültige Abschaffung zum Ziel gesetzt, konnte sich in den langwierigen Haushaltsverhandlungen jedoch nicht gegen Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) durchsetzen. Nun liegt die Entscheidung darüber beim zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts unter der Leitung von Doris König.
Wer muss den Solidaritätszuschlag noch zahlen?
Seit 2020 müssen nur noch Unternehmen und Menschen mit höheren Einkommen den Soli zahlen. 2024 liegt die Grenze bei einem Jahreseinkommen ab etwa 73.000 Euro brutto, die die Sonderabgabe teilweise zahlen müssen. Ab 109.000 Euro ist der volle Soli-Satz von 5,5 Prozent fällig.
Ausnahmen sind zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen. Wenn die Kapitalgewinne wie Zinsen, Dividenden und Kursgewinne über dem Sparerpauschbetrag von 1000 Euro bzw. 2000 Euro bei Paaren liegen, ist ebenfalls der volle Soli-Satz von 5,5 Prozent fällig.
Warum ist der Solidaritätszuschlag umstritten?
Kritikerinnen und Kritiker des Solidaritätszuschlags argumentieren, dass dieser mit dem Auslaufen des Solidarpakts für den Aufbau Ostdeutschlands Ende 2019 vollständig abgeschafft werden müsste. Der Zweck sei entfallen und damit die verfassungsrechtliche Begründung, erklärte etwa der Steuerrechtler Roman Seer gegenüber der Wirtschaftswoche. Seer ist Vorsitzender der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft und hatte bereits einen Kläger vor dem Bundesfinanzhof, dem höchsten Finanzgericht, vertreten. Das hatte den Soli für die Jahre 2020 und 2021 jedoch für „noch nicht verfassungswidrig“ gehalten.
Eine ewige Ergänzungsabgabe des Bundes für beliebige Zwecke hält der Jurist für einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Der Bund habe nicht die Kompetenz, neben der regulären Steuer auf Einkommen dauerhaft eine zweite zu erfinden und diese für sich alleine zu behalten.
Die sechs FDP-Politiker, die 2020 die Verfassungsbeschwerde eingereicht hatten, sehen ihre Grundrechte der Entfaltungsfreiheit, der horizontalen Steuergerechtigkeit und der Eigentumsgarantie verletzt. Ihre Anwaltskanzlei White & Case argumentiert laut Wirtschaftswoche zudem, dass der Bundestag beim Beschluss des Gesetzes die Zustimmung des Bundesrates hätte einholen müssen. Dass das nicht passiert ist, sei eine Missachtung der föderalen Verfassung.
Was sind Folgen einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags?
Steuerrechtler Seer hält das endgültige Ende des Solidaritätszuschlags für wahrscheinlich. Damit ergibt sich nicht nur das Haushaltsloch von etwa 12,8 Milliarden Euro für 2025. Die Richterinnen und Richter könnten auch entscheiden, dass der Bund die Einnahmen der vergangenen Jahre ebenfalls zurückzahlen muss. Dann wären 66 Milliarden Euro fällig – plus Zinsen.
Den Ampel-Streit um die Finanzen des Bundes würde das zusätzlich anheizen. SPD und Grüne sprechen sich ohnehin aus, den Soli in den allgemeinen Einkommenssteuertarif zu übertragen. Die FDP ist dagegen – und würde stattdessen ihre Forderungen nach Einsparungen bei den Sozialausgaben erneuern. Hier könnten etwa die umgangssprachliche Rente mit 63 und das Bürgergeld wieder in den Fokus rücken.
Soli-Abschaffung könnte auf Kosten des Sozialstaates gehen
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine mögliche Abschaffung des Solis hat somit auch eine soziale Dimension. Die hatte Olaf Scholz, der 2019 als damaliger Bundesfinanzminister für den Umbau des Solis zuständig war, selbst betont. „Starke Schultern können mehr tragen“, hatte Scholz damals erklärt. „Das ist fair und wird auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten.“