Wahlkampf AfD Thüringen
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Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hat deutschen Unternehmen „schwere wirtschaftliche Turbulenzen gewünscht“ (Archivbild)

„Offensichtlich wirtschaftsfeindlich“

Nach Höcke-Attacke auf deutsche Wirtschaft: Verdoppelung der Teilnehmer bei Vielfalts-Kampagne

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Die wirtschaftsschädigenden Bemerkungen des AfD-Leiters aus Thüringen, Björn Höcke, vergraulen zunehmend Unternehmen. Die Unterstützung für die Kampagne „Made in Germany - Made in Vielfalt“ hat sich verdoppelt.

Erfurt – Für AfD-Landeschef Björn Höcke ist eine Wahlkampfveranstaltung in Sömmerda am vergangenen Samstag gewaltig nach hinten losgegangen. Nachdem er einer Gruppe von damals 40 Familienunternehmen „schwere, schwere wirtschaftliche Turbulenzen“ wünschte, haben er und seine AfD die geballte Wut er Unternehmer und Unternehmerinnen auf sich gezogen. Hintergrund ist die Kampagne „Made in Germany – Made in Vielfalt“, die für Demokratie und gegen Fremdenhass in Deutschland steht.

Höcke will keine Kettensägen von Stihl mehr kaufen: Unternehmen wollen von AfD nichts wissen

Die Kampagne, die bereits 2019 ins Leben gerufen wurde, wird von zahlreichen bekannten deutschen Unternehmen unterstützt, Dazu gehören unter anderem Braun, Fischer, Fiege, Gröning, Lapp, Miele, Rossmann, Sennheiser, Stihl, Trigema, Voelkel und Vorwerk. Und wie das Gründungsunternehmen Vorwerk nun laut Wirtschaftswoche sagt: „In nur gut einer Woche hat sich die Zahl der Unternehmen auf inzwischen mehr als 70 bald verdoppelt. Und es kommen täglich weitere Firmen dazu.“

Bei der Veranstaltung in Sömmerda hatte Höcke neben wirtschaftlichen Schwierigkeiten seine Unterstützer auch indirekt dazu aufgerufen, Produkte dieser Firmen nicht mehr zu kaufen. „Ich habe vor kurzem noch eine Kettensäge von Stihl gekauft – würde ich heute nicht mehr tun“, sagte er wörtlich.

Gegenüber der WiWo sagt Fabian Kienbaum vom gleichnamigen Familienunternehmen, dass solche Aussagen wenig beeindrucken. „Solche Äußerungen haben doch ein Gutes: Damit entlarven sich Höcke und seine Leute selbst. Was die politisch vorhaben, ist offensichtlich wirtschaftsfeindlich – und jetzt für jeden offensichtlich“.

Industrie und Handel von Höcke und seiner AfD alarmiert

Auch Industriepräsident Siegfried Russwurm hat sich in der Welt deutlich positioniert. „Dass jemand, der Ministerpräsident werden möchte, erfolgreichen und standorttreuen mittelständischen Unternehmen wirtschaftlichen Schaden wünscht, belegt die Inkompetenz der Partei in diesem Feld“.

In Thüringen zeigen sich Wirtschaftsvertreter ebenso alarmiert – zu Recht: Aktuellen Umfragen zufolge könnte die AfD mit 30 Prozent stärkste Partei des Bundeslandes bei der Wahl am Sonntag (1. September) werden. Matthias Kreft, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Wirtschaft Thüringens (VWT), spricht laut Handelsblatt von einem Angriff auf die gesamte Wirtschaft.

„Höcke hat mit dem Wahlkampfauftritt die Maske fallen lassen und sein wahres Gesicht offenbart.“ Er sagte weiter: „Das ist ein Zeichen, dass die AfD einen autoritären Führungsanspruch gegen die Wirtschaft zu formulieren versucht nach dem Motto: Nur die AfD diktiert die Bedingungen, unter denen Wirtschaft zu agieren und zu funktionieren hat.“

„Wie unpatriotisch muss Björn Höcke sein?“: Aussagen von Höcke führen Thüringen in die „Katastrophe“

Ebenfalls im Handelsblatt hat Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands „Die Familienunternehmer“ in einem Gastkommentar Stellung bezogen. „Wie unpatriotisch muss Björn Höcke sein – und das, obwohl sich die AfD gern als patriotische Partei schmückt –, wenn er Familienunternehmen, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, den wirtschaftlichen Niedergang wünscht“, schreibt sie darin.

„Um es klar zu sagen: Thüringen und Sachsen stehen bei diesen Landtagswahlen an der Abbruchkante zur wirtschaftlichen Katastrophe“, so Ostermann. Denn der Fachkräftemangel wird in Thüringen und Sachsen aufgrund des demografischen Wandels hart zuschlagen. Ostermann berechnet, dass schon bald jeder vierte Arbeitsplatz in Thüringen nicht besetzt werden könne, bis 2033 geht jeder fünfte Arbeitnehmer in Thüringen in Rente.

Edeka veröffentlicht Anti-AfD-Anzeige kurz vor der Landtagswahl

Auch die große Supermarktkette Edeka hat sich daher in der Woche von den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen klar positioniert. Das Unternehmen veröffentlichte einen ganzseitigen Aufruf in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in der Wochenzeitung Die Zeit sowie in den sozialen Netzwerken. Die Anzeige ist betitelt mit dem Satz „Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht“. Dies ist als Anspielung auf die AfD zu verstehen, die Blau seit ihrer Gründung als Parteifarbe benutzt.

In der Anzeige sind zahlreiche Obst- und Gemüsesorten wie Gurken, Brokkoli, Bananen, Kirschen und Erdbeeren abgebildet. „In der Obst- und Gemüseabteilung herrscht die bunte Vielfalt“, steht im Text. „Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl“, heißt es. „In Deutschland sind die Blauen schon heute die größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft.“ 

Die AfD reagierte auf die Werbekampagne des Unternehmens. Der stellvertretende Sprecher des Landesvorstands Thüringen, Torben Braga, bedankte sich im sozialen Netzwerk X für die „fleißige Unterstützung“ im Wahlkampf. „Ihre Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten wählen uns auch“, schrieb er an Edeka gerichtet. (mit Material von dpa)