Mehrwertsteuer bei 19 Prozent
Gastronomie im Preiswahn: Menschen essen lieber zu Hause als im Restaurant
- VonOlivia Kowalakschließen
Die Mehrwertsteuer für die Gastronomie liegt seit Januar 2024 wieder bei 19 Prozent. Restaurantbesucher müssen demnach tiefer in die Tasche greifen - oder bleiben lieber gleich zu Hause.
München – Von sieben Prozent auf 19 Prozent – die Mehrwertsteuer in der Gastro befindet sich seit Jahresbeginn wieder auf Vor-Corona-Niveau. Mit den Umsätzen der Wirte verhält es sich allerdings anders. Diese wuchsen trotz erheblicher Preissteigerungen im Januar des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahresmonat nicht. Mit einem realen Minus von 2,2 Prozent machte die Branche Einbußen. Im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau ergibt sich sogar ein Rückgang von 14 Prozent. In den vergangenen zwei Jahren mussten rund 25.000 Betriebe schließen. Der Branchenverband rechnet für 2024 mit 12.000 Schließungen.
Wie viele andere Branchen kämpfen auch Restaurants und Kneipen um ihre Existenz. Der Schock der Corona-Pandemie mit dem drastischen Einbruch der Besucherzahlen durch Lockdowns konnte durch die anschließende Energiekrise nur schwer abgefedert werden. Gestiegene Personalkosten infolge der Inflation und Fachkräftemangels sowie höhere Ausgaben für Energie und Lebensmittel zwingen die meisten Betriebe zu Preisaufschlägen.
Finanziell nicht stemmbar: Menschen gehen weniger ins Restaurant
Spätestens beim diesjährigen Urlaub an der Nordsee werden Verbraucher dies zu spüren bekommen. Einheimische Klassiker wie das Backfisch-Brötchen mit Remoulade kosten mancherorts stolze 10,50 Euro (vorher 9,50 Euro). Statistiken bestätigen derweil den unaufhaltsamen Preistrend: Laut Destatis haben sich Preise für Hauptspeisen in Restaurants im Januar durchschnittlich um 3,5 Prozent im Vergleich zu Dezember 2023 erhöht. Die Preise in Gastronomiebetrieben steigen stärker als die Inflation.
Am Beispiel des Lieblings-Fastfoods der Deutschen lässt sich dies verdeutlichen. So stiegen die Dönerpreise im bundesweiten Durchschnitt von 2016 bis 2024 um 75 Prozent. Damals kostete der Leckerbissen aus der Dönerbude um die Ecke schlappe vier Euro – mittlerweile zahlen Bundesbürger sieben Euro dafür. Der Preis stieg von fünf Euro im Jahr 2022 auf sieben Euro im Jahr 2024, nach einer moderaten Wachstumsphase. Die Dönerinflationsrate würde demnach jährlich im Durchschnitt bei 11,8 Prozent liegen (Quelle: Medium).
Die wachsenden Preise zeigen auch Auswirkungen auf das Verhalten der Gäste. Laut einer Umfrage von GfK im Auftrag des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) gaben 52 Prozent der 2.000 befragten Deutschen an, wegen der Preissteigerungen weniger Essen zu gehen. Auf der anderen Seite sei das Konsumverhalten bei 35 Prozent unverändert. Verbraucher achten nun viel bewusster darauf, in welches Restaurant sie gehen. So sei das Preis-Leistungs-Verhältnis für eine Mehrheit von 73 Prozent entscheidend bei der Wahl des Betriebes. Wie viel kommt auf den Teller, und was muss dafür gezahlt werden – darauf legen Gäste demnach nun mehr Wert.
Menschen mit niedrigerem Haushaltsnettoeinkommen werden von den Preisänderungen in ihren Gewohnheiten am meisten berührt. Die Studie zeigte, dass knapp ein Drittel der Personen, deren Haushaltsnettoeinkommen unter 2.000 Euro liegt, „nie beziehungsweise so gut wie nie“ außer Haus speisten. Dagegen sind es bei Menschen mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 4.000 Euro lediglich acht Prozent. Die Gründe liegen in Anbetracht der Situation auf der Hand: die Hälfte kann sich den Besuch finanziell schlicht nicht mehr leisten.
Werden die Steuererhöhungen voll weitergegeben?
Am stärksten betroffen vom Verhalten der Gäste seien Betriebe in ländlichen Gegenden, wie die Geschäftsführerin des Branchenverbands DEHOGA, Ingrid Hartges, gegenüber ntv.de mitteilte. „Die höhere Mehrwertsteuer ist eine große Herausforderung für die Betriebe“, so Hartges weiter. Für Speisen zum Mitnehmen und bei einer Lieferung gilt weiter der ermäßigte Steuersatz. „Steuerfairness sieht anders aus“, äußerte sich Hartges zur Entscheidung der Ampel-Regierung.
„Ein Teil der Betriebe hat im Januar, dem ohnehin schon umsatzschwächsten Monat des Jahres, nicht erhöht und tut das erst zwischen Februar und April“, bestätigte Ingrid Hartges. Andere hätten die Steuererhöhungen bereits im Januar eins zu eins weitergegeben. Sollten die Erhöhungen an die Gäste komplett weitergereicht werden, würde der Preis für beispielsweise ein Nudelgericht im Wert von 15 Euro auf 16,68 Euro steigen.
Ökonomen schließen allerdings aus, dass alle Restaurants die Erhöhung der Mehrwertsteuer voll weitergeben werden. „Wahrscheinlich werden von den zwölf Prozentpunkten, die die Mehrwertsteuer jetzt in der Gastronomie steigt, 70 bis 80 Prozent an die Kunden weitergegeben“, prognostiziert der Wirtschaftswissenschaftler und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratzscher gegenüber dem Spiegel. Entsprechend dieser Prognose müssten sich Besucher auf Erhöhungen von zehn Prozent einstellen.