„Konzeptionelle Hilflosigkeit“
Herbstliche Weichenstellung: Lindner erwartet von Habeck und Scholz ökonomische Deutlichkeit
- VonMax Schäferschließen
Lindner, der Finanzminister, setzt Habeck und Scholz unter Druck. Es muss noch im Herbst eine klare Linie in der Wirtschaftspolitik geben.
Berlin – Bundesfinanzminister Christian Lindner die mangelhafte Abstimmung der wirtschaftspolitischen Forderungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisiert. Im Herbst brauche es eine Richtungsentscheidung. Es müsse Klarheit geschaffen werden, „in welche Richtung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geht dieses Land“. Sonst nehme die wirtschaftliche Entwicklung weiter Schaden.
„Nein, die Vorschläge von Herrn Scholz waren nicht abgestimmt und die von Herrn Habeck auch nicht“, sagte Lindner im Heute Journal des ZDF. „Wir reden miteinander, aber diese Vorschläge kenne ich nicht. Und das ist für sich genommen ein Problem.“
Lindner fordert Klarheit über Richtung der Wirtschaftspolitik – und kritisiert Scholz-Gipfel
Lindner erklärte, er sei inzwischen der Überzeugung, „dass 50 Prozent der Probleme in der Wirtschaftspolitik, der Zurückhaltung bei den Investitionen und auch der Zurückhaltung beim privaten Konsum, dass das mit politisch gemachter Unsicherheit zusammenhängt“. Dennoch will Lindner die Ampel-Koalition nicht platzen lassen. „Wenn sich alle an den Koalitionsvertrag halten wollen und an seinen Geist, dann habe ich jedenfalls keine Vorsätze, eine Regierungskoalition zu beenden.“
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vergangene Woche im Bundestag eine industriepolitische Offensive angekündigt. Der SPD-Politiker will Unternehmensvertreter, Gewerkschaften und Verbände zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt einladen. Bei den Gesprächen soll es um Wege aus der Wirtschaftsflaute gehen.
Lindner kritisiert Habeck-Vorschlag für Wirtschaft: „Zeichen von konzeptioneller Hilfslosigkeit“
Skeptisch zeigte sich Lindner gegenüber dem von Habeck geforderten „Deutschlandfonds“. Der Wirtschaftsminister hatte am Mittwoch, 23. Oktober, vorgeschlagen, die Wirtschaft mit einem schuldenfinanzierten staatlichen Investitions- und Infrastrukturfonds anzukurbeln.
„Mich überzeugt das in der Sache nicht“, sagte er. „Nachdem wir gesehen haben, dass bei Intel Subventionen nichts gebracht haben, soll auf das Scheitern bei Intel jetzt Intel zum Quadrat folgen.“ Für ihn sei das ein „Zeichen von konzeptioneller Hilflosigkeit“.
Lindner lädt zu Gipfel mit der Wirtschaft ein: Steuersenkungen und Bürokratie im Gespräch
Als Reaktion auf die Forderungen und den Industriegipfel des Bundeskanzlers haben Lindner und der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Christian Dürr, ihrerseits zu einem Treffen eingeladen. Am Dienstag, 29. Oktober, wollen die Liberalen laut Bild-Zeitung mit den Spitzen des Arbeitgeberverbands BDA, der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und Familienunternehmen sprechen.
Dabei sollen Maßnahmen besprochen werden, die allen Firmen helfen sollen – nicht nur, so der Vorwurf, Industriekonzernen. Laut Springer-Blatt sind dabei Steuersenkungen und Bürokratieabbau im Gespräch.
Auch im ZDF-Interview zeichnete Lindner seine Vorstellungen ab, was für einen Aufschwung der deutschen Wirtschaft nötig ist. Neben einer geringeren Steuerlast und weniger Bürokratie gehören demnach weniger Ideologie in der Energie- und Klimapolitik sowie Investitionen dazu. Bei seinem New York-Besuch hatte Lindner vor Unternehmern ebenfalls für mehr Investitionen geworben.
Lindner geht Habeck an: „Finanzpolitik kann nicht reparieren, was die Wirtschaftspolitik versäumt“
Mit Blick auf die jüngste Steuerschätzung und die schwierige Aufstellung des Bundeshaushalts für 2025 sagte Lindner: „Die Finanzpolitik kann nicht reparieren, was die Wirtschaftspolitik versäumt.“ Der FDP-Chef pocht im Bundeshaushalt für das kommende Jahr auf Einsparungen – er hatte etwa Einschnitte beim Bürgergeld vorgeschlagen, worauf Scholz kühl reagiert hatte. Grüne und SPD dagegen haben die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu machen oder schuldenfinanzierte Sondertöpfe außerhalb des Haushalts einzurichten. (ms mit dpa)
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