Produktion des Solaranlagen-Herstellers Meyer Burger in Freiberg
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Produktion des Solaranlagen-Herstellers Meyer Burger in Freiberg: Das Werk steht vor dem Aus, wenn die Politik nicht hilft.

Importflut aus China

Dringender Hilferuf aus Europas Solarindustrie: Hälfte der Produktionskapazität ist akut bedroht

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
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Der Europäische Solarverband ESMC hat die EU-Kommission zu Sofortmaßnahmen aufgefordert. Ohne Hilfe der Politik drohe wegen der Importflut aus China das Aus für eine große Anzahl Firmen.

Europäische Hersteller von Solarmodulen haben die EU zu Sofortmaßnahmen aufgefordert, damit lokale Firmen nicht unter dem Preisdruck chinesischer Importe schließen müssen. „In den nächsten vier bis acht Wochen werden die wichtigsten EU-Hersteller von PV-Modulen und ihre europäischen Zulieferer ihre Produktionslinien stilllegen, wenn nicht umgehend substanzielle Notfallmaßnahmen ergriffen werden“, heißt es in dem Schreiben des Branchenverbandes European Solar Manufacturing Council (ESMC) an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Ohne schnelle Hilfe laufe die EU Gefahr, in kürzester Zeit mehr als die Hälfte ihrer Produktionskapazitäten für Photovoltaikmodule zu verlieren. Der Brief liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor.

Seit Wochen warnen Solarhersteller vor einem Ende ihrer Industrie in Europa. Seit dem Sommer 2023 ist die Photovoltaik-Industrie durch einen Preissturz unter starken Druck, ausgelöst vor allem durch eine Flut günstiger Solarmodule aus China. Die Firmen geraten immer stärker in Finanznot und fordern seit langem Unterstützung vonseiten der Politik. In Deutschland haben Branchenführer Meyer Burger und die Firma Solarwatt erklärt, demnächst Standorte schließen zu müssen, falls nichts passiere. China hält 90 Prozent Weltmarktanteil bei Solaranlagen; bei einigen Komponenten wie Wafern ist der Anteil noch viel höher.

Fotovoltaik-Firmen droht Schließung schon in wenigen Wochen

Meyer Burger, der größte Solaranlagenhersteller in Deutschland, kündigte kürzlich an, seine Solaranlagenfabrik der Firma im sächsischen Freiberg im April zu schließen, wenn es keine Unterstützung der Politik gebe. Bis Mitte Februar müsse er über die Schließung entscheiden, um im Zweifelsfall wenigstens die Gesamtfirma zu retten, sagte Firmenchef Gunter Erfurt kürzlich vor Journalisten. Wenige Tage später hatte auch der Dresdner Modulproduzent Solarwatt vor einem Aus seiner Produktion in ein paar Monaten gewarnt. „Wenn gar nichts passiert, müssen wir darüber nachdenken, wie es mit unserer Produktion weitergeht“, sagte der Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus dem Handelsblatt.

Meyer Burger hatte schon vor Wochen beschlossen, eine geplante Expansion in Deutschland wegen fehlender Förderung abzublasen. Stattdessen erweitert das Unternehmen nun seine Produktion in den USA.

Dort fließen im Rahmen des Inflation Reduction Act großzügige Subventionen in den Aufbau klimafreundlicher Industrien. Erfurt rechnet auch für den Fall eines Wahlsiegs von Ex-Präsident Donald Trump nicht mit einem Ende der Unterstützung. Es habe sich längst ein Markt für diese Technologien entwickelt, gerade in von den klimaktischen Republikanern regierten Staaten, so Erfurt. Und auch China fördert die Branche seit vielen Jahren. Nur Europa tut sich eben schwer mit der gezielten Unterstützung einzelner Branchen. Das muss sich nach Ansicht der Hersteller nun dringend ändern.

Klamme Solarindustrie: Welche Fördermöglichkeiten gibt es?

Was tun? Der ESMC fordert nun unter anderem ein Programm zum staatlichen Aufkauf überschüssiger Solarmodul-Lagerbestände in Europa, die haben sich seit dem Sommer angesammelt haben und die Preise drücken. Der ESMC schätzte im Herbst, dass mit 40 GW etwa die Hälfte der Lagerware Solarmodule aus China sind. Zum Vergleich: Die Länder der EU hatten 2022 insgesamt 41,4 GW neuer Solarkapazität installiert.

Außerdem solle Brüssel die Vorschriften für staatliche Beihilfen ändern, schreibt der ESMC – damit die Mitgliedsstaaten ihre eigenen Solarhersteller stärker unterstützen können. Wenn diese Maßnahmen nicht schnell umgesetzt werden können, solle die EU auch „Schutzmaßnahmen“ in Erwägung ziehen, um einer Importflut entgegenzuwirken, heißt es in dem Schreiben. Dazu könnten auch Zölle und Quoten gehören. Auch die EU-Kommission soll nach Medienberichten Strafzölle in Betracht ziehen.

Die meisten Solarhersteller lehnen Strafzölle auf China-Importe ab

Große Teile des Sektors lehnen Strafzölle auf chinesische Importe allerdings ab – auch Meyer Burger. „Da sind wir uns einig mit der Downstream-Industrie“, sagte Erfurt. Die Installateure von Solaranlagen sind auf die Einfuhren aus China angewiesen. Und ganz generell ließe sich die Energiewende ohne Anlagen und Teile aus China Stand jetzt nicht bewerkstelligen. Und für die Endabnehmer sind die günstigen Preise ohnehin vorteilhaft und kurbeln die Nachfrage an.

429 Solarfirmen aus ganz Europa sprachen sich im Dezember deshalb in einer gemeinsamen Erklärung an EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton gegen Handelsschutzmaßnahmen und Extrazölle aus. „Wir haben bessere, schnellere und effektivere Lösungen für die Krise“, sagte damals Walburga Hemetsberger, Geschäftsführerin des Branchenverbandes SolarPower Europe, der den Aufruf koordinierte. „Europa darf seine Klima- und Energiesicherheitsziele nicht verraten.“ Der Aufruf forderte stattdessen so genannte Resilienzprogramme, die den höheren Produktionskosten und damit auch höheren Preisen europäischer Fertigung Rechnung tragen.

Solarhersteller fordern Förderung mit Resilienzprogrammen

Solche Programme schreiben unter anderem lokalen Content in Ausschreibungen vor und finanziert den dafür nötigen Aufpreis aus der Staatskasse. Konkret hat der Bundesverband der Solarindustrie ein solches Resilienzprogramm entwickelt, das laut Gunter Erfurt von Beginn an bis hin zu konkreten Fördersätzen EU-kompatibel konzipiert worden sei. Die Umsetzung dieses Programms fordert der Verband nun von Berlin. Beschäftigt sei mit dem geforderten Programm derzeit der Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie, der dazu bereits Experten angehört habe, sagte Erfurt. Der finanzielle Aufwand für das Resilienzprogramm werde sich auf lediglich 50 Millionen Euro für 2024 belaufen – im Vergleich zu 60 Milliarden Euro fossiler Subventionen in Deutschland. Geld sei also nicht das Problem.

Die EU-Kommission hat sich in ihrem geplanten NetZero Industry Act das Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 40 Prozent aller Photovoltaikanlagen im europäischen Inland zu produzieren. Dazu sollen Gigafabriken in Frankreich, Italien und Deutschland entstehen. Spätestens jetzt sollte klar sein: Ohne massive Förderungsprogramme ist dieses Ziel unerreichbar.