SPD im Wahlkampf

Erhöhte Steuern für Wohlhabende und neue Vermögensteuer: „Zwei Cappuccinos im Monat“ für die arbeitende Mitte

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Die Partei des Bundeskanzlers wechselt in den Wahlkampfmodus. Sie plant, eine Vermögensteuer einzuführen und damit die Mittelschicht stärker zu entlasten. Wirtschaftsexperten bezweifeln jedoch die Wirksamkeit.

Berlin - Die Partei um den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will Reiche stärker besteuern und eine Vermögensteuer wieder einführen. Darüber hinaus soll es nach dem Willen der Genossen eine Reform der Erbschaftsteuer geben, die ebenfalls auf höhere Abgaben der Wohlhabenden abzielt. Die Schuldenbremse soll ebenfalls reformiert werden, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Post dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte.

SPD will Steuern für Reiche erhöhen, um „arbeitende Familien“ zu entlasten

Ziel der SPD sei, dass am Ende etwa 95 Prozent der Steuerzahler durch eine Einkommenssteuersenkung mehr Geld in der Tasche haben. „Da geht es um die arbeitende Mitte, um die arbeitenden Familien in diesem Land“, so Post weiter.

Schon 2021 war die SPD mit der Forderung in den Bundestagswahlkampf gezogen, die Vermögenssteuer wiedereinzuführen. Im Wahlprogramm hieß es damals: „Wer sehr viel Vermögen hat, muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Deshalb werden wir unter anderem einen maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen einführen.“ Gleichzeitig werde es hohe persönliche Freibeträge geben, so dass sich die Belastung auf besonders Reiche konzentriere. Die Grundlage von Betrieben solle von der Steuer verschont werden.

SPD beschließt Steuer-Reform: Wer mehr als 15.000 Euro im Monat hat, soll mehr zahlen

Der SPD-Vorstand hatte am Wochenende bei einer Klausurtagung in Berlin ein Strategiepapier zur Bekämpfung der Wirtschaftsflaute beschlossen und damit erste Weichen für den Bundestagswahlkampf gestellt. Darin setzt sich die Parteiführung für eine grundlegende Einkommenssteuerreform ein, die 95 Prozent der Steuerzahler entlastet. Dafür sollen die höchsten ein Prozent der Einkommen stärker besteuert werden. Laut Parteichefin Saskia Esken geht es dabei um Verdienste von mehr als 15.000 Euro im Monat.

Bundeskanzler Olaf Scholz und SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken bei der Klausurtagung 2024 in Berlin.

Aktuell gibt es in Deutschland zwei Steuersätze, die besonders hohe Gehälter besteuern: die Reichensteuer und die Spitzensteuer. Der Spitzensteuersatz beträgt 42 Prozent und greift ab einem zu versteuernden Einkommen von 66.760 Euro im Jahr. Der Reichensteuersatz greift erst ab einem jährlichen Einkommen von 277.826 Euro und beträgt dann 45 Prozent. Die Vermögensteuer galt bis 1997 und galt für das Nettovermögen von besonderes wohlhabenden Personen. Mit in die Rechnung aufgenommen wurden zum Beispiel Wertpapiere, Grundbesitz und Ersparnisse. Der Steuersatz dafür betrug in der Vergangenheit zwischen 0,5 und 1 Prozent.

SPD-Steuerpläne würden die arbeitende Mitte kaum entlasten

Es ist nicht klar, wie die SPD diese Steuersätze ändern würde. Denkbar wäre eine Reform nach dem Vorbild des Seeheimer Kreises, ein Zusammenschluss aus SPD-Bundestagsabgeordneten. In einem ihrer Positionspapiere schreiben diese: „Um Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten, soll der aktuell geltende Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer von 42 Prozent später greifen: bei Singles ab einem Jahresbruttoeinkommen oberhalb von 80.000 Euro, bei Verheirateten oberhalb von 175.000 Euro“. Im Gegenzug würde der Reichensteuersatz steigen, und zwar auf 48 Prozent. Dadurch könne man „95 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“ entlasten.

Martin Beznoska, Steuerexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), sagt allerdings gegenüber der Welt: „Das Entlastungsvolumen einer derartigen Reform für die unteren 95 Prozent liegt bei knapp sieben Milliarden Euro – also eine Mini-Entlastung“. Der Abbau der kalten Progression, wie sie durch Finanzminister Christian Lindner (FDP) in den vergangenen Jahren erfolgt ist, hat Steuerzahlende um sechs Milliarden Euro entlastet, so der Experte.

Unterstützung erhielt dieser von Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Seiner Rechnung zufolge würde auch bei einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 48 Prozent nicht wesentlich mehr rumkommen. Er kommt gegenüber der Welt auf vier Milliarden Euro. „Damit kann man die gebeutelte Unter- und Mittelschicht nicht nennenswert entlasten“. Ein Durchschnittsverdiener würde gerade mal 100 Euro im Jahr mehr in der Tasche haben, rechnet Bach. „Das sind zwei Cappuccinos im Monat.“

Mehrheit der Bevölkerung würde neue Vermögensteuer begrüßen

Mehr Unterstützung erhält die SPD allerdings für die Wiedereinführung der Vermögensteuer, zum Beispiel vom renommierten Armutsforscher Christoph Butterwegge. In einem Interview mit der Rheinischen Post moniert er: „Die fünf reichsten Familien haben zusammen ein Privatvermögen von 250 Milliarden Euro“. Explizit meint er damit die Familien Albrecht/Heister (Aldi), Quandt/Klatten (BMW), Boehringer/von Buchheim sowie Dieter Schwarz (Lidl und Kaufland) und Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel). „Warum müssen die seit 1997 keine Vermögensteuer mehr zahlen, obwohl sie noch im Grundgesetz steht?“

Auch die Verschonungsregeln bei der Erbschaftssteuer findet Butterwegge unfair. Es könne nicht sein, dass „jemand Milliarden erbt und steuerfrei davonkommt.“

Auch eine Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer aus. Das geht aus einer Forsa-Umfrage von Anfang Juli für den Stern hervor. Demnach würden es 62 Prozent der Bürger befürworten, wenn Privatpersonen und Unternehmen eine solche Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro leisten müssten. (mit Material von dpa)

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