Streit um Ehegattensplitting
Ende von Steuerklasse 3 und 5 – doch die Familienministerin will noch weiter gehen
VonAmy Walkerschließen
Die geplante Steuerklassenreform sorgt für Diskussionen. Während das Ehegattensplitting bleibt, ändert sich die Steuerlast für Ehepaare.
Berlin - Die Ampel-Koalition hat im Zuge der Einigung zum Bundeshaushalt 2025 beschlossen, eine seit Langem in Aussicht gestellte Reform der Steuerklassen in Angriff zu nehmen. Ab 2030 plant Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die Steuerklassen 3 und 5 zu eliminieren. Stattdessen sollen Ehepaare, die bisher von dieser Steuerkombination profitiert haben, künftig beide in Steuerklasse 4 eingeordnet werden. Dies ändert nichts an der Steuerbelastung der betroffenen Ehepaare, verschiebt jedoch den Zeitpunkt, zu dem sie auf ihr Geld zugreifen können. Die Reform soll zu mehr Gleichberechtigung innerhalb der Partnerschaft beitragen.
Steuerklassen-Reform kommt - Lisa Paus will Ehegattensplitting abschaffen
Die geplante Reform der Steuerklassen wird von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) als Schritt zur Abschaffung des Ehegattensplittings gesehen. Sie betonte in der Bild: „Der Abschied vom veralteten Instrument des Ehegattensplittings ist überfällig“. Sie fügte hinzu: „Es ist ein Instrument, das allein die klassische Ehe steuerlich begünstigt. Und das, obwohl vielfältige Familienmodelle längst Teil unserer Gesellschaftsrealität sind.“ Das vom FDP geleitete Finanzministerium wies Paus‘ Aussagen jedoch umgehend zurück und betonte, dass das Splittingverfahren bestehen bleiben wird.
Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP festgelegt, dass anstelle der Steuerklassen 3 und 5 künftig das sogenannte Faktorverfahren in Steuerklasse 4 angewendet werden soll. Laut Gesetzentwurf soll dadurch die Lohnsteuerbelastung fairer auf Ehepartner und Lebenspartner verteilt werden.
Paus sieht in dieser Reform „gleichzeitig den Startpunkt in Richtung Abschaffung des Ehegattensplittings.“ Das Finanzministerium hingegen widerspricht dieser Einschätzung. „Das Gegenteil der Einschätzung von Ministerin Paus ist der Fall“, so die offizielle Stellungnahme. „Es gibt keinerlei Pläne oder auch nur politischen Willen zur Abschaffung. Ministerin Paus spricht nicht für die Bundesregierung, sondern nur für die Grünen.“
Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der FDP, widersprach der Familienministerin ebenfalls vehement. „Die Abschaffung des Ehegattensplittings käme einer massiven Steuererhöhung für die Mitte der Gesellschaft gleich – das ist mit der FDP nicht zu machen“, erklärte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Djir-Sarai wies Paus‘ Behauptung zurück, dass die Reform der Steuerklassen die Vorstufe zur Abschaffung des Ehegattensplittings sei. „Schließlich haben wir eine Abschaffung des Ehegattensplittings im Koalitionsvertrag auch nicht vereinbart“, betonte der FDP-Politiker.
Ehegattensplitting erklärt: Ehepaare sparen mehr Steuern als Unverheiratete
Das Ehegattensplitting ist seit Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Bei diesem Verfahren wird das gemeinsame Einkommen eines Paares rechnerisch halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Davon profitieren vor allem Paare, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Dies wird mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie begründet. Hier ein Beispiel zur Veranschaulichung, wie das Ehegattensplitting wirkt (vereinfacht):
Paul und Anna sind verheiratet und haben keine Kinder. Paul verdient 70.000 Euro im Jahr, Anna arbeitet in Teilzeit und bringt jährlich 25.000 Euro nach Hause. Gemeinsam haben sie als Ehepaar also ein zu versteuerndes Haushaltseinkommen von 95.000 Euro im Jahr.
Im Rahmen der Steuererklärung wird mit dem Ehegattensplitting ihr Haushaltseinkommen halbiert (2 x 47.500 Euro). Darauf wird dann unter Berücksichtigung des Grundfreibetrags für Ehepaare von 23.208 (2024) die Einkommenssteuer abgezogen. Wir gehen hier von einem Steuersatz von 21 Prozent aus, also zahlen Paul und Anna 20.038 Euro an Steuern.
Wenn Paul und Anna nicht verheiratet wären, dann könnten sie das Splittingverfahren nicht verwendet. Ihre Steuern würden also getrennt voneinander berücksichtigt. Paul würde mit seinen 70.000 Euro im Jahr einen höheren Steuersatz zahlen, von 27 Prozent. Damit beträgt seine Steuerlast 18.800 Euro. Anna hingegen zahlt mit ihrem kleinen Einkommen nur den Mindeststeuersatz von 12 Prozent, also nur 3000 Euro. Damit zahlen Paul und Anna als Haushalt mehr Steuern als unverheiratetes Paar, als wenn sie verheiratet wären.
Kritiker des Ehegattensplittings bemängeln, dass es ein traditionelles Familienmodell belohnt, das viele Paare ohne die finanziellen Anreize nicht wählen würden. Zudem würde es die Abhängigkeit des geringer verdienenden Partners (häufig die Frau) vom Besserverdienenden (häufig der Mann) verstärken.
Steuerklassen-Reform verändert die Steuerlast für Ehepaare nicht
Ein Teil dieser Kritik wird jedoch bereits durch die geplante Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 adressiert. Im aktuellen Steuermodell zahlt der Besserverdienende in Steuerklasse 3 kaum Steuern, während der geringer Verdienende in Steuerklasse 5 die gesamte Steuerlast trägt. Wenn beide Ehepartner in Steuerklasse 4 sind, gilt für beide der einfache Grundfreibetrag. Beide zahlen nach der Gehaltsabrechnung etwa gleich viele Steuern. Auch hier ein vereinfachtes Beispiel zur Veranschaulichung:
Paul und Anna nutzen mit ihren Einkommen aktuell die Steuerkombination 3 und 5. Monatlich verdient Paul 5800 Euro brutto, davon bleiben ihm in Steuerklasse 3 monatlich 4008 Euro netto übrig. Er bezahlt also jeden Monat Steuern in Höhe von 636 Euro (der Rest aus der Differenz geht auf Abzüge wie Sozialversicherungen). Anna verdient 2000 Euro im Monat brutto, ihr bleiben davon monatlich in Steuerklasse 5 1250 Euro netto in der Tasche. Sie zahlt Steuern in Höhe von 322 Euro monatlich – also mehr als die Hälfte dessen, was Paul zahlt, obwohl er mehr als das Doppelte ihres Gehalts hat. Als Haushalt haben Paul und Anna aber jeden Monat gemeinsam 5258 Euro zur Verfügung. Allerdings werden Paul und Anna nach Abgabe der Steuererklärung vermutlich zur Kasse gebeten, oder sie erhalten kein Geld aus der Steuer zurück. Eine Rückerstattung ist hier unwahrscheinlich.
Anders wäre es, wenn Paul und Anna beide in Steuerklasse 4 wären. Dann würde Anna jeden Monat 1472 Euro netto haben und nur 106 Euro Steuern zahlen. Paul hingegen müsste jeden Monat 1080 Euro an Steuern zahlen, hätte im netto nur noch 3565 Euro übrig. Als Haushalt haben Paul und Anna etwas weniger im Netto jeden Monat, nämlich 5037 Euro. Allerdings haben sie auch viel mehr Steuern bezahlt, nämlich 14.232 Euro im Jahr. Hier ist zu erwarten, dass Paul und Anna Geld von der Steuererklärung erstattet bekommen.
Am Ende haben Paul und Anna genau gleich viel Geld. Es ändert sich nur, wann sie das Geld haben.
Das bestehende Ehegattensplitting führt laut der Hans-Böckler-Stiftung dazu, dass sich für viele Frauen die Erwerbstätigkeit gar nicht erst lohnt, da sie oft weniger verdienen als ihr Ehemann. Die Bundesregierung erhofft sich durch die Reform der Steuerklassen einen höheren Arbeitsanreiz, insbesondere für Frauen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, dass eine vollständige Abschaffung des Ehegattensplittings nicht zu erheblich höheren Steuereinnahmen führen und die Erwerbsbeteiligung von Ehefrauen um etwa 2,4 Prozent steigern würde. (mit Material von dpa)