Unterschiede bei Frauen und Männern
Diskussion um Bürgergeld: Überraschende Erkenntnisse in IAB-Studie
- VonKatharina Bewsschließen
Eine Untersuchung des IAB stellt gängige Vorstellungen über Arbeitslose in Frage. Geschlecht und familiäre Situation sind entscheidende Faktoren.
Nürnberg – Die Bürgergeld-Debatte ist politisch stark umstritten. Während sich die SPD in den vergangenen Jahren stark für das Bürgergeld eingesetzt hat, fordert die CDU Maßnahmen, um Arbeitslose stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Oft dreht sich die Diskussion um die „arbeitsverweigernden Arbeitslosen“, die wieder zu mehr Arbeit motiviert werden sollen. Mit dieser Annahme räumt nun eine Studie auf. Sie zeigt, dass gerade Arbeitslose mit Grundsicherung eine hohe Bereitschaft zeigen, sogar berufliche Einschnitte in Kauf zu nehmen, um einen Job zu finden. Der Vergleich offenbart dabei auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Arbeitslose mit Bürgergeldbezug nehmen auch Arbeit unter schlechten Bedingungen
Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass die Mehrheit der Leistungsbeziehenden des Bürgergeldes eine neue Arbeitsstelle anstrebt und dafür sogar bereit ist, schlechtere Bedingungen zu akzeptieren. Die Bereitschaft, Kompromisse für einen Arbeitsplatz einzugehen, hängt jedoch von der Art der Bedingungen ab und variiert je nach Geschlecht und Familiensituation. Zudem geht aus der Studie hervor, dass Arbeitslose mit Grundsicherung eher bereit sind, solche Kompromisse einzugehen, als Arbeitslose ohne Leistungsbezug. Für die Untersuchung wurden Daten des Panels „Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS) aus den Jahren 2010 bis 2022 analysiert.
Im Folgenden zeigen die vom IAB ausgewerteten Daten, inwieweit Arbeitslose mit Grundsicherung bereit sind, Zugeständnisse zu machen – abhängig von der Art der Zugeständnisse – im Vergleich zu Arbeitssuchenden ohne Grundsicherungsbezug. Dabei fließen die Antworten von rund 12.000 Befragten aus der ersten Gruppe und 4.000 aus der zweiten Gruppe ein:
| Zugeständnisse | Arbeitslose Grundsicherungsbeziehende | Arbeitsuchende Beschäftige ohne Grundsicherungsbezug |
|---|---|---|
| Wohnortwechsel | 26,8 % | 24,8 % |
| Belastung Arbeitsplatz | 63,7 % | 50,2 % |
| Arbeit unter Fachlichem Können | 75,5 % | 38,0 % |
| Ungünstige Arbeitszeiten | 53,7 % | 35,5 % |
| Geringes Einkommen | 42,8 % | 20,0 % |
| Langer Arbeitsweg | 53,2 % | 29,8 % |
| Arbeiten ohne Vertrag | 4,2 % | 14,7 % |
Aus den Daten geht hervor, dass Arbeitslose mit Bürgergeld in fast allen Kategorien eine höhere Bereitschaft zeigen, berufliche Zugeständnisse einzugehen. Die Differenz beim Wohnortwechsel bezeichnet die Studie jedoch als nicht signifikant.
Deutliche Unterschiede bei Frauen und Männern – familiäre Rollenverteilung als großer Faktor
Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind laut der Studie ebenfalls erkennbar. Dafür wurden rund 5.000 Frauen und 7.300 Männer befragt. In beiden Gruppen zeigt sich, dass sowohl Männer als auch Frauen eine hohe Bereitschaft (rund 75 Prozent) haben, eine Arbeit unter ihrem fachlichen Können anzunehmen. Die größten Unterschiede treten jedoch bei Gehalt und Arbeitsweg auf. Während Frauen eher bereit sind, ein geringeres Gehalt zu akzeptieren (47,5 Prozent gegenüber 39,9 Prozent bei Männern), zeigen sie sich weniger bereit, lange Arbeitswege in Kauf zu nehmen (40,8 Prozent gegenüber 60,9 Prozent bei Männern).
Die Studie führt diese Unterschiede auf traditionelle familiäre Rollenverteilungen zurück. Dies wird durch Daten gestützt, die Frauen und Männer mit und ohne Kinder vergleichen. Dabei zeigt sich, dass Frauen mit Kindern deutlich weniger bereit sind, lange Arbeitswege auf sich zu nehmen (28,9 Prozent gegenüber 51,4 Prozent bei Frauen ohne Kinder). Bei Männern liegt die Differenz zwischen Vätern und kinderlosen Männern nur bei rund fünf Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Akzeptanz eines geringen Einkommens: Frauen mit Kindern sind weniger bereit, finanziell schlechtere Bedingungen zu akzeptieren (38,1 Prozent gegenüber 56 Prozent bei Frauen ohne Kinder). Bei Männern beträgt die Differenz in dieser Kategorie nur rund zwei Prozent.
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