Das Kernkraftwerk Palisades am Ufer des Michigansees
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Das Kernkraftwerk Palisades am Ufer des Michigansees soll jetzt wiederbelebt werden. (Archivbild)

Ausstieg aus der Atomkraft

USA reanimieren Atomkraftwerk – auch Comeback in Deutschland möglich

  • Lisa Mayerhofer
    VonLisa Mayerhofer
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In den USA soll ein stillgelegtes Atomkraftwerk mit einem 52 Jahre alten Reaktor wieder in Betrieb genommen werden. Auch in Deutschland scheint das Thema noch lange nicht vom Tisch.

Atlanta – In Deutschland ist Atomkraft stark umstritten, die letzten drei Atomkraftwerke wurden im Frühjahr abgeschaltet. In anderen Ländern wie Frankreich oder den USA setzt man dagegen voll auf Kernkraft – auch mit Blick auf die Energiewende. Deshalb werden auch in Deutschland immer wieder Forderungen laut, den Atomausstieg wieder rückgängig zu machen.

Söder: „Die ganze Welt setzt jetzt auf Kernenergie als Überbrückungsenergie – nur Deutschland nicht“

So kann sich CSU-Chef Markus Söder im Falle einer Regierungsbeteiligung der Union nach der nächsten Bundestagswahl einen Wiedereinstieg Deutschlands in die Kernenergie vorstellen. Deutschland sei dank des von der Ampel umgesetzten Ausstiegs aus der Atomkraft im internationalen Vergleich ein „energiepolitischer Geisterfahrer“, sagte Söder kürzlich im ARD-Sommerinterview. „Die ganze Welt setzt jetzt in der Krise darauf, Kernenergie als Überbrückungsenergie zu behalten – nur Deutschland nicht“, betonte der bayerische Ministerpräsident.

Aber ist ein Comeback der Kernkraft nach der Abschaltung aller Atomkraftwerke in Deutschland überhaupt möglich? Das zeigt momentan ein Beispiel aus den USA.

Wendepunkt in den USA? Stillgelegtes Atomkraftwerk in Michigan soll wiederbelebt werden

Dort will man im US-Bundesstaat Michigan das stillgelegte Atomkraftwerk Palisades wieder in Betrieb nehmen. Michigans demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer erklärte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge, die Inbetriebnahme des 52 Jahre alten Reaktors habe höchste Priorität für sie.

Die USA haben zwar die meisten Kernkraftwerke weltweit. Doch ab den 80er-Jahren gab es aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und der Endlagerung von Atommüll kaum Neubauten und viele der über 50 Atomkraftwerke sind inaktiv. Erst in jüngster Zeit hat sich das Interesse an der Kernenergie aufgrund ihrer Rolle als CO₂-arme Energiequelle wieder belebt. Eine erfolgreiche Inbetriebnahme von Palisades würde also für die Energiepolitik der USA einen Wendepunkt bedeuten – möglicherweise auch über deren Grenzen hinaus.

Krishna Singh, Chef des Energieunternehmens Holtec, dem das Atomkraftwerk gehört, schielt schon auf andere Länder. Er sagte laut FAZ: „Selbst wenn wir keine wirklichen Hindernisse vor uns sehen, sind wir uns klar darüber, dass die Wiederinbetriebnahme eines stillgelegten Kraftwerks wie Palisades noch nie vollbracht worden ist.“ Er hoffe, die Wiederbelebung des Kraftwerks ermutige Deutsch­land und Japan mit ihren zahlreichen stillgelegten Kraftwerken, den gleichen Weg zu beschreiten.

USA muss für Atomkraftwerke riesige Mengen Uran vom Gegner Russland importieren

Allerdings geriet die USA mit den Konsequenzen ihrer Atomstrategie nun in den Medien gewaltig unter Druck: Trotz des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und zahlreicher Sanktionen der USA gegen die russische Wirtschaft importieren die Vereinigten Staaten selbst für ihre Atomkraftwerke riesige Mengen an Uran aus Putins Reich. Darüber berichtet die New York Times, die die bizarre Lage auf dem amerikanischen Energiesektor analysierte.

„Etwa ein Drittel des in den USA verbrauchten angereicherten Urans wird mittlerweile aus Russland importiert, dem billigsten Produzenten der Welt“, so die Zeitung. Damit finanzieren die USA also indirekt auch den Kriegsgegner der Ukraine, die sie militärisch mit Rüstungsgütern unterstützen, so die Kritik.

Ampel-Regierung streitet über Atomausstieg: „Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd“

In Deutschland streitet die Ampel-Regierung währenddessen ebenfalls wieder um das Thema Atomkraft. Der Koalitionspartner FDP betrachtet den Atomausstieg inzwischen als „strategischen Fehler“ und will die abgeschalteten Kraftwerke konservieren.  Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist aber ausdrücklich dagegen: „Das Thema Kernkraft ist in Deutschland ein totes Pferd“, stellte er klar.

Der Kanzler hält eine Konservierung der abgeschalteten Kraftwerke nicht für praktikabel. „Die Fakten sind ja so, dass mit dem Ende der Nutzung der Atomkraft auch der Abbau begonnen hat, und dass alles, was man über Kernkraft in Deutschland sagen kann, sich immer um die Neuerrichtung oder quasi Neuerrichtung von Kraftwerken handelte“, sagte er. Wer in Deutschland neue Kernkraftwerke bauen wollte, bräuchte dafür 15 Jahre und müsste dafür 15 bis 20 Milliarden Euro pro Stück ausgeben.

Die FDP zeigte sich von der Absage des Kanzlers aber unbeeindruckt. „Deutschland sollte sich nicht ohne Not weitere Optionen verbauen“, sagte der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Michael Kruse, der Deutschen Presse-Agentur. „Auf eine Knappheit sollte vorausschauende Politik mit einer Angebotsausweitung reagieren. Daran sollte die gesamte Regierung arbeiten, anstatt den Mangel mit Subventionen zu verwalten.“

Der Ausstieg aus der Kernenergie geht auf einen Beschluss der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zurück. Er sollte eigentlich zum Jahreswechsel 2022/23 vollzogen werden. Wegen der Energieknappheit nach der Kappung der russischen Gaslieferungen nach Deutschland wurden die Laufzeiten nach langem Streit zwischen Grünen und FDP und einem Machtwort des Kanzlers bis zum 15. April verlängert. Mit diesem Tag endete dann die Ära der Atomenergie in Deutschland – fürs Erste.

Mit Material der dpa

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