Bilanz des Mieterbundes
Wohnungsnot – Mieterbund fordert: „Wir brauchen einen Mietenstopp“
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Die Lage am Wohnungsmarkt verschärft sich weiter. Von der Bundesregierung kommen neue Impulse, um Wohnen bezahlbar zu machen. Diese reichen allerdings nicht aus, bilanziert der Mieterbund.
Berlin – „Millionen Menschen sind durch hohe Miet- und Wohnkosten überlastet“, fasst Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), das grundlegende Problem zusammen. Gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund zog der DGB am Mittwoch in Berlin über das wohnungspolitische Engagement der Bundesregierung Bilanz. Das Urteil: mangelhaft. Zentrale Vorhaben des Koalitionsvertrags seien auch zwei Jahre nach der Regierungsbildung nicht umgesetzt, teilte der Mieterbund mit. In Zeiten von steigenden Mieten, „unbezahlbaren Immobilienpreisen“ und wenig Aussicht auf einen Silberstreif sei dies fatal.
Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, erklärt dazu in Berlin: „Die Lage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in den letzten zwei Jahren weiter verschärft.“ Millionen Deutsche seien mit ihren Wohnkosten überlastet. Die Regierung habe im Koalitionsvertrag zwar Maßnahmen festgeschrieben, die eventuell eine Besserung herbeiführen können – diese würden aber nicht umgesetzt und reichen nicht aus, um der Krise Herr zu werden.
Siebenkotten: „Die Mietpreisspirale hat deutlich an Dynamik gewonnen“
Wie die Wohnkrise sich darstellt, zeigen etwa aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts. Diesen zufolge sind deutsche Bundesbürger im EU-Schnitt deutlich überbelastet. 11,8 Prozent der Bevölkerung lebte 2022 in Haushalten, die mehr als 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben. EU-weit liegt Deutschland damit auf dem fünften Platz. Zum Vergleich: Bei unseren Nachbarn Frankreich sind es 6,5 Prozent, in Österreich, 7,4 Prozent. „Die Mietpreisspirale hat deutlich an Dynamik gewonnen“, sagt Siebenkotten dazu. Eine Änderung dieser Entwicklung sei nicht in Sicht.
In vielen Vierteln der größten deutschen Städte verschlingt die monatliche Kaltmiete zudem mehr als ein Drittel des durchschnittlichen Einkommens. Besonders betroffen sind davon Berlin, München und Stuttgart.
Angesichts der stetig sinkenden Baugenehmigungen innerhalb der Bundesrepublik ist das kein Wunder. Im September 2023 erhielten deutsche Wohnungsbauer 8.200 weniger Baugenehmigungen als noch im Vorjahresmonat. Das entspricht einem Rückgang von 29,7 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der langfristigen Betrachtung zwischen Januar und September. Besonders betroffen waren davon Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser. Laut der Wiesbadener Behörde waren vor allem die hohen Baukosten und schlechte Finanzierungsbedingungen Gründe für diesen Rückgang.
Ampel: „Erheblicher Schub“ für den Bau bezahlbarer Wohnungen
Die Bundesregierung wiederum hat erst im September ein neues Maßnahmenpaket vorgestellt, das die Misslage im Immobiliensektor beheben soll. Steuerliche Investitionsanreize im Rahmen des Wachstumschancengesetzes und eine „Rekordförderung“ für den sozialen Wohnungsbau sollen dem Bau bezahlbarer Wohnungen „einen erheblichen Schub“ bringen. „Angesichts des dramatischen Einbruchs bei den Baugenehmigungen und damit verbunden dem Rückgang der Bauinvestitionen in diesem Jahr brauchen Bau- und Immobilienwirtschaft dringend neue Investitionsanreize“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) dazu.
Das reicht dem Mieterbund nicht. „Die Wohnungskrise ist ein sozialpolitischer Skandal, der zunehmend auch für Unternehmen zum Problem wird“, erklärt Körzell. Diese können immer weniger Planstellen besetzen, da es vor Ort weniger günstige Wohnungen für neue Beschäftigte gebe. „Die Bundesregierung hat die Tragweite der Wohnungskrise offensichtlich immer noch nicht erkannt.“
Lösungen für die Miet- und Immobilienkrise gefordert
Ohne „mutige Lösungen“ sei dieser Krise nicht beizukommen, bemängelt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Es brauche massive öffentliche Investitionen in den sozialen Wohnungsbau und eine „energetische Sanierung“. Weiterhin stellt er die Reformierung der Schuldenbremse zur Debatte. Und zuletzt fordert der Mieterbund einen Mietenstopp im Bestand. Sollte die Bundesregierung die notwendigen Schritte nicht ergreifen, stünden „massive soziale Verwerfungen“ bevor.
Quellen: Destatis, Mieterbund, Bundesregierung
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