Wahlen in Frankreich
Kein Strom mehr für Deutschland: Frankreichs Rechte wollen Energiemarkt grundlegend verändern
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Frankreichs Rechte wollen aus dem europäischen Stromnetz aussteigen. Dabei ist Frankreich einer der großen Profiteure. Am Wochenende wird gewählt.
Paris – Noch vor einem Jahr hatte Deutschland jede Menge Strom aus Frankreich importiert. Allein zwischen April und Juni 2023 waren es rund 18,5 Milliarden Kilowattstunden – ein Rekordwert. Frankreich produziert große Mengen an Strom aus der Kernenergie. Ob das in Zukunft weiterhin möglich sein wird, könnte die am Wochenende stattfindende Wahl entscheiden. Denn einige Parteien fordern eine klare Isolation.
„Frankreich muss aus europäischem Energiemarkt aussteigen“ – steht Isolation der Grande Nation bevor?
Frankreich soll auf Atomkraft, Wasserkraft und Erdgas setzen, anstatt auf Wasserstoff, Solar- und Windkraft. Zumindest, wenn es nach den rechtsgerichteten Politikern der Grande Nation geht. Mehr noch: Das Land soll sich von Europa abkapseln. „Frankreich muss aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen, um wieder eine autonome Stromproduktion und günstigere Strompreise zu garantieren“, erklärte Eric Ciotti, Vorsitzender der konservativen Partei Les Républicains (LR), im Interview mit France 2.
Mit der Meinung ist Ciotti keinesfalls allein. Jordan Bardella, Spitzenkandidat der rechten Rassemblement National (RN), schlug bereits ähnliche Töne an. Das Ziel müsse es sein, sich von den europäischen Strompreisregularien zu lösen und einen „französischen Strompreis“ zu erwirken, zitierte ihn das Handelsblatt. Das allerdings könnte drastische Auswirkungen auf Frankreich und Europa haben, warnen Experten.
In La Tribune äußerte Catherine MacGregor, Chefin des französischen Energieriesen Engie, weiterhin die Sorge über starke Preisschwankungen und über das „Risiko von Stromausfällen“. Sollte es innerhalb Europas wieder Energiebarrieren geben, würde dies das „Risiko von Versorgungsproblemen und höheren Preisen“ massiv erhöhen.
Risiken der Neuwahlen – Kommt künftig keine Kernenergie mehr aus Frankreich?
Am Wochenende wird sich bei den von Präsident Emmanuel Macron angesetzten Neuwahlen entscheiden, ob die französische Rechte genug Machtzuwachs erhält, um die gewünschten Änderungen herbeizuführen. Dem ZDF zufolge gehen Analysten derzeit davon aus, dass die extremen Ränder mit Zugewinnen zu rechnen hätten. „Das Programm des Rassemblement National ist gefährlich für die französische Wirtschaft, das Wachstum und die Beschäftigung. Das der Neuen Volksfront ebenso, wenn nicht sogar gefährlicher“, mahnte der französische Arbeitgeberverband Medef im Vorfeld der Wahl.
Ed Yardeni, ein Kapitalmarktexperte aus New York, will eine „Verschiebung hin zu Populismus und Protektionismus“ in ganz Europa beobachtet haben. Aus seiner Sicht berge dies „steigende fiskalische und politische Risiken“, was wiederum „die Preise europäischer Vermögenswerte“ belaste. „Anleger befürchten, dass die Haushaltsdisziplin nach den Wahlen weiter gelockert wird“, zitierte das Handelsblatt Benoit Anne, einen Anleiheexperten bei MFS Investment Management, einer Fondsgesellschaft aus den USA.
Abhängig von Atomkraft – Frankreich will neue Atomkraftwerke bauen
Frankreich ist seit vielen Jahren vom Atomstrom abhängig. Laut der World Nuclear Association (WNA) bezieht Frankreich rund 70 Prozent seines Stroms aus der Kernenergie. Eine frühere Regierung hatte 2014 noch festgelegt, den Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bis 2025 auf 50 Prozent reduzieren zu wollen, aber nach einer Verschiebung im Jahr 2019 hatte die Regierung 2023 dann angegeben, sich von diesem Vorhaben verabschieden zu wollen. Im Gegenteil: Das Land will die Bemühungen beim Atomstrom verstärken.
Im Februar 2022 dann hatte Frankreich neue Pläne zum Bau von sechs neuen Kernreaktoren angekündigt und den Bau von acht weiteren zumindest in Erwägung gezogen. Aufgrund der extrem niedrigen Erzeugungskosten ist Frankreich einer der größten Nettoexporteure von Strom weltweit, jährlich erwirtschaftet das Land allein aus Stromverkäufen mehr als drei Milliarden Euro. Laut der WNA stehen derzeit 56 funktionstüchtige Kernreaktoren in Frankreich, die eine Leistung von 61.370 MWe (Megawatt Elektrik: eine Maßeinheit, die die Leistung von Atomkraftwerken genutzt wird) in sich vereinen. 14 Reaktoren sind stillgelegt (5.563 MWe), einer ist in Bau (1.630 MWe).
Kernenergie für Europa – Vorteile des Binnenmarkts
Schon gegen Ende des vergangenen Jahrtausends hatte die Europäische Union die ersten Richtlinien zur Liberalisierung des Strombinnenmarktes verabschiedet. Die Ideen dahinter: den grenzüberschreitenden Stromhandel zu fördern und einen europäischen Binnenmarkt für Energie zu schaffen.
Im Detail sieht das so aus: Heute sind die nationalen Stromnetze der EU-Länder durch grenzüberschreitende Leitungen, sogenannten Interkonnektoren, miteinander verbunden. Laut dem Stromnetzbetreiber Amprion ist das die Basis dafür, dass Strom über die Grenzen hinweg gehandelt werden kann und sich die Preise europaweit angleichen. Wenn sich Frankreich also aus diesem Netz nimmt, könnten signifikante Teile der Einnahmen aus dem Stromverkauf wegbrechen.