„Beunruhigende Tendenz“
Deutsche Exporte im Sinkflug: Wirtschaftsexperten überrascht
VonMarcel Reichschließen
Die deutsche Exportwirtschaft erlebt einen unerwarteten Dämpfer. Die Auslandsnachfrage nach ‚Made in Germany‘ sinkt drastisch.
Frankfurt – Die Nachfrage aus dem Ausland nach Produkten „Made in Germany“ erlebt aufgrund der schwachen Weltwirtschaft einen unerwartet starken Rückgang. Die deutschen Exporte fielen im September um 2,4 Prozent gegenüber dem Vormonat auf 126,5 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Freitag bekannt gab. Ökonomen, die von der Nachrichtenagentur Reuters befragt wurden, hatten lediglich einen Rückgang von 1,1 Prozent erwartet. Der Außenhandel befindet sich in der Krise.
Hoffnungsschimmer bei Exporten hielt nicht an
Ein Hoffnungsschimmer ergab sich aus einer nach oben korrigierten Revision des Vormonats auf plus 0,1 von zuvor minus 1,2 Prozent. Allerdings wird von der Branche erst 2024 mit einem stärkeren Anstieg gerechnet. „Die Nachfrageschwäche aus dem Ausland angesichts der abgekühlten Weltkonjunktur gepaart mit einer enormen Kosten- und Bürokratiebelastung hierzulande liegt wie Blei auf dem Auslandsgeschäft“, so Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Damit setze sich der Abwärtstrend der letzten Monate fort. Im Jahr 2023 sieht auch der Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht gut aus.
Ob es zum Jahresende eine Erholung gibt, könnte sich aus den Daten zu den Industrieaufträgen ergeben. Diese Zahlen für den Monat September werden in der kommenden Woche erwartet. Experten, die von Reuters befragt wurden, rechnen mit einem Minus von 1,3 Prozent, nach einem Anstieg von fast vier Prozent im August. „Erst wenn die Auftragsbücher wachsen, kann dies mit einiger zeitlicher Verzögerung zu einer höheren Industrieproduktion und schließlich in wachsenden Exporten münden“, so Thomas Gitzel, Chefökonom bei der Liechtensteiner VP Bank. Nur die Entwicklung der Aufträge könne Klarheit darüber geben, wie es in den nächsten Monaten weitergeht.
Kommende Woche neue Experteneinschätzung zu Exporten
Am kommenden Mittwoch wird eine Konjunktureinschätzung von den Wirtschaftsweisen erwartet. Die Experten dürften ihre Prognose nach unten korrigieren, nachdem sie im Frühjahr noch ein Plus beim deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) für dieses Jahr von 0,2 Prozent prognostiziert hatten. Die Bundesregierung rechnet für das Gesamtjahr 2023 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent.
„Wir kommen langsamer aus der Krise heraus als gedacht. Erst für das kommende Jahr rechne ich mit einem stärkeren Anstieg unserer Exporte“, so Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Viele Unternehmen leiden unter der schwachen Weltwirtschaft. Die in den meisten Industrieländern stark gestiegenen Zinsen erhöhen die Finanzierungskosten für den Kauf deutscher Produkte erheblich. Auch die anhaltende Immobilienkrise in China und der Krieg in der Ukraine dämpfen die Aussichten. Mit dem erneut aufflammenden Nahost-Konflikt kommt ein weiterer Belastungsfaktor hinzu. „Das sorgt für Zurückhaltung bei Kauf- und Investitionsentscheidungen“, so Jandura.
Negative Zahlen überwiegen
Der Abwärtstrend im Außenhandel hat sich seit Jahresbeginn fast ununterbrochen fortgesetzt, so Jens-Oliver Niklasch, Ökonom bei der LBWW. „Das ist eine etwas beunruhigende Tendenz, zumal wir für den wichtigen Handelspartner USA im kommenden Jahr eine deutliche Wachstumsverlangsamung erwarten.“
Auch im September gingen die meisten deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten. Allerdings wurden dorthin 4,0 Prozent weniger Waren ausgeführt als im August. Damit fielen die Exporte in die USA auf einen Wert von 12,8 Milliarden Euro. Die Exporte nach China sanken um 7,3 Prozent auf 7,7 Milliarden Euro. „Dies zeigt schon, dass es in der Volksrepublik wirtschaftlich nicht mehr rund läuft“, so VP-Experte Gitzel. Auch in die Euro-Zone wurden 2,4 Prozent weniger Waren geliefert. Die Exporte nach Großbritannien stiegen jedoch um 2,3 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro.
Schwache Inlandsnachfrage: Auch die Importe in Deutschland brechen ein
Zudem brachen die Importe unerwartet ein, was auf eine schwache Inlandsnachfrage hindeutet: Sie fielen im September um 1,7 Prozent auf 110,0 Milliarden Euro. Hier hatten Volkswirte mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet. Dieser Rückgang passt dazu, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal überraschend geschrumpft ist. Auch in der Euro-Zone ging es im Sommerquartal bergab.
Insgesamt schloss die deutsche Außenhandelsbilanz mit einem Überschuss von 16,5 Milliarden Euro ab, nach 17,7 Milliarden Euro im Vormonat. Der Rückgang des Überschusses in der Handelsbilanz bewege sich bisher in überschaubaren Grenzen, meint LBBW-Experte Niklasch: „Nach wie vor erzielt die deutsche Wirtschaft Monat für Monat hohe Überschüsse, das sollte für die nahe Zukunft Vertrauen schaffen.“
Mit Material von Reuters
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