Gastbeitrag Dr. Fritzi Köhler-Geib
Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft: KfW-Chefvolkswirtin redet Ampel ins Gewissen
Nach dem viel beachteten Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts und der einschneidenden Kürzungen vor allem im Klima- und Transformationsfonds ist die Verunsicherung bei vielen Unternehmen weiter gewachsen. Gefragt ist daher jetzt rasch Klarheit, wie der Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität gelingen soll, fordert die Chef-Volkswirtin der bundeseigenen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib im Gastbeitrag.
Investitionen sind der Schlüssel zur klimaneutralen Transformation. Bis Mitte des Jahrhunderts sind in Deutschland klimafreundliche Investitionen von gut 5 Billionen Euro erforderlich. Ein Großteil dieser Investitionen – rund 60 Prozent – müssen private Unternehmen tätigen. Die aktuelle Ausgabe unseres KfW-Klimabarometers zeigt: Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten infolge der Energiekrise hat der Unternehmenssektor im Jahr 2022 seine Investitionen in den Klimaschutz hierzulande deutlich erhöht – um real 18 Prozent auf 72 Milliarden Euro.
Klimaschutzinvestitionen haben damit auch im Vergleich zu anderen Investitionsbereichen an Bedeutung gewonnen. 2022 floss bereits jeder siebte Euro aller Unternehmensinvestitionen in Klimaschutzvorhaben. Neben den stark gestiegenen Energiepreisen für fossile Energieträger, die Investitionen in die Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien attraktiver gemacht haben, dürften auch Vorzieheffekte aufgrund der sich abzeichnenden Fremdkapitalverteuerung und steigender Investitionsgüterpreise vor allem in der ersten Jahreshälfte 2022 den Klimaschutzinvestitionen einen Schub verliehen haben.
Stimme der Ökonomen
Klimawandel, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die Milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?
In unserer neuen Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.
Klimaschutz-Investitionen: Unternehmen zweifeln an Wirtschaftlichkeit
Trotz der erfreulichen Entwicklung bei den Klimaschutzinvestitionen im vergangenen Jahr bleibt aber noch viel zu tun. Gemessen am Gesamtinvestitionsbedarf für das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland muss sich das Ambitionsniveau im Unternehmenssektor in den kommenden Jahren noch einmal rund verdoppeln. Gleichzeitig sind die Unternehmen bei der Planung und Umsetzung von Klimaschutzinvestitionen mit einer Vielzahl an Hemmnissen konfrontiert. Die drängendsten Hürden liegen dabei gemäß KfW-Klimabarometer in wirtschaftlichen und finanziellen Aspekten begründet. 50 Prozent der Unternehmen sehen die Unsicherheit über die Wirtschaftlichkeit der Investitionen als relevante Hürde. Fehlende finanzielle Ressourcen nennen 45 Prozent.
Damit sich klimafreundliche Technologien in der Breite gegenüber ihren fossilen Alternativen wirtschaftlich durchsetzen können, ist ein planbares und ansteigendes CO2-Preissignal zentral. Fehlende finanzielle Ressourcen für die Umsetzung von Klimaschutzvorhaben aufseiten der Unternehmen unterstreichen zudem die Wichtigkeit der Bereitstellung eines verlässlichen Finanzierungs- und Förderrahmens, auch durch Zuschüsse, zinsverbilligte Darlehen oder Risikoübernahmen für den Einsatz neuartiger Klimaschutztechnologien.
Klimaschutz-Investitionen: Unternehmen stehen in den Startlöchern
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil besteht eine Finanzierungslücke von 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds. Aus diesem Fonds waren unter anderen auch Mittel für die Anschubfinanzierung des klimagerechten Umbaus der Wirtschaft und des Aufbaus einer Wasserstoffinfrastruktur geplant. Hier braucht es jetzt schnellstmöglich Klarheit über die zukünftige Finanzierung wichtiger energie- und klimapolitischer Vorhaben. Die Unternehmen stehen in den Startlöchern, die grüne Transformation in ihren Betrieben anzugehen und eigenes Kapital zu investieren. Dafür braucht es Investitions- und Planungssicherheit für die kommende Jahre und fiskalische Transparenz über die föderalen Ebenen hinweg.
Zur Autorin: Dr. Friederike (Fritzi) Köhler-Geib ist Chefvolkswirtin und Leiterin der Abteilung KfW Research der KfW Bankengruppe. Zuvor war sie mehr als 10 Jahre bei der Weltbank in Washington tätig, zuletzt als Lead Economist und Programme Leader für Zentralamerika.
Rubriklistenbild: © N. Bruckmann/M. Litzka/KfW
