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Vor allem die Bürgergeld-Erhöhung von zwölf Prozent zu Jahresbeginn wird in diesem Zusammenhang von einigen Politikern immer wieder kritisiert. (Archivbild)

IMK-Datenalayse

Debatte um aufgeblähten, deutschen Sozialstaat: „Eine Mär, die nicht durch Fakten gedeckt ist“

  • Lisa Mayerhofer
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Die deutsche Wirtschaft steckt in der Flaute – sollte der Staat deshalb bei den Sozialabgaben sparen? Eine neue Studie weist Kritiker des „aufgeblähten“ deutschen Sozialstaates in ihre Schranken.

Berlin – Die Wirtschaftslage ist schwierig, während die Ausgaben – etwa für die Verteidigung – wachsen. Soll jetzt im Sozialbereich gespart werden? Darüber wird gerade heftig diskutiert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt soziale Einschnitte und den Abbau von Arbeitnehmerrechten strikt ab. CDU und CSU wollen dagegen über die Anhebung des Renteneintrittsalters an die Rente rangehen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) regte gar ein mehrjähriges Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen an, um mehr Geld in Verteidigung investieren zu können.

Vor allem die Bürgergeld-Erhöhung von zwölf Prozent zu Jahresbeginn wird in diesem Zusammenhang von einigen Politikern immer wieder kritisiert. Doch fallen die Sozialabgaben tatsächlich zu üppig aus? Dazu gibt es jetzt neue Zahlen.

Deutschland bei Sozialausgaben im internationalen Vergleich „unauffällig“

Eine neue Datenanalyse des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung legt nahe, dass die Staats- und Sozialausgaben in Deutschland weder im internationalen noch im historischen Vergleich besonders hoch seien – und zuletzt auch keineswegs stark gewachsen. „Wer von einem ungebremst wachsenden Sozialstaat spricht, oder davon, dass der Staat generell immer weiter aufgebläht werde, verbreitet eine Mär, die nicht durch Fakten gedeckt ist“, fasst Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK, die Untersuchung in einer Mitteilung zusammen.

Im Vergleich mit anderen Industrieländern zeige sich, dass das Wachstum der realen öffentlichen Sozialausgaben in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren unauffällig gewesen sei, so das IMK. Unter den 27 Ländern der Industriestaatenorganisation OECD, für die die aktuellsten Daten von 2002 bis 2022 verfügbar sind, belege Deutschland mit einem Zuwachs von 26 Prozent für den gesamten Zeitraum den drittletzten Platz und sei damit eines der Länder mit dem geringsten Wachstum. Zum Vergleich: Beim Spitzenreiter Neuseeland haben die realen Sozialausgaben um 136 Prozent zugelegt.

Sozialgeben: Ökonom warnt vor steigenden Sozialabgaben

Andere Ökonomen schwanken angesichts der Ergebnisse des IMK zwischen Zustimmung und Kritik. „Üblicherweise steht Deutschland bei diesen gesamtstaatlichen Quoten im Mittelfeld und nicht an der Spitze“, sagt der Wirtschaftsweise und Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen, Achim Truger gegenüber der Rheinischen Post.

Kritischer sieht das ifo-Präsident Clemens Fuest. Denn für ihn ist ein wichtiger Faktor, dass zwar die Arbeitslosigkeit in den vergangenen 20 Jahren deutlich gefallen sei – sich diese Entwicklung aber nicht in den Sozialausgaben abbilde. „Bei unveränderten Regeln im Sozialstaat sollten die Sozialausgaben dann ebenfalls sinken. Das tun sie aber nicht“, sagt er der Rheinischen Post.

Als Grund dafür nennt Fuest vor allem die steigenden Gesundheitsausgaben wegen der alternden Bevölkerung. Er fordert einen Blick in die Zukunft: „Die Alterung wird den Druck zu mehr Sozialausgaben weiter steigern, gleichzeitig sinken die Einnahmen des Sozialstaats, weil immer weniger Menschen erwerbstätig sind“, sagt er der Zeitung. Zudem müsse die Regierung mehr Geld für Verteidigung und Dekarbonisierung ausgeben.

Mit Material der dpa

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