Ökonomische Resilienz Deutschlands

„China-Schock“ trifft deutsche Wirtschaft – Ökonom äußert Forderung

  • Fabian Hartmann
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Die Auftragslage der deutschen Industrie ist niedrig, die Konjunktur stagnier. Hoch ist dagegen der Druck aus China. Ökonom Truger zeigt sich besorgt.

München – Es ist weiterhin ein extrem schwieriges Jahr für die deutsche Wirtschaft. Der wichtigste innerdeutsche Industriezweig, der Automobilsektor, ächzt seit Monaten unter einer deutlich rückläufigen Nachfrage. Um insgesamt 4,7 Prozent ging der nominale Umsatz der Branche im ersten Halbjahr 2024 zurück. Wie nun bekannt wurde, brach auch die Auftragslage im gesamten Industriesektor nach zwei besseren Sommermonaten im August erneut ein – Produzenten erhielten in jenem Monat laut Statistischem Bundesamt 5,8 Prozent weniger Aufträge als noch im Vormonat. 

Eine Erholung der Konjunkturflaute scheint damit zunächst bis auf Weiteres vertagt. Während das BIP Wirtschaftsforschungsinstituten zufolge im anhaltenden Jahr stagnieren dürfte, korrigierte auch Wirtschafts- und Umweltminister Robert Habeck jüngst (Grüne) seine Konjunkturprognose. Anteil an dieser wenig erfreulichen Entwicklung hat dem Wirtschaftsweisen Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft, zufolge auch der Handelsstreit mit China, wie er nun im Gespräch mit der Wirtschaftswoche betonte.

Wirtschaftsweise Truger: Ausbleiben der konjunkturellen Trendwende deutet auf „strukturelle Probleme“ hin

Während die Wirtschaftsinstitute und mitunter auch die Bundesregierung das deutsche Potenzialwachstum bis 2029 mit nur 0,4 bis 0,5 Prozent beziffern, zeigt sich Ökonom Truger angesichts dessen nur wenig besorgt. „In den Sechzigerjahren waren Wachstumsraten von vier Prozent normal, also stellt sich auch die Frage, was ist angemessenes Wirtschaftswachstum heute?“, betont er. Ein geringes Wachstum oder gar eine temporäre Stagnation seien an sich keine Katastrophe, so lange Wohlstandsziele wie Beschäftigung, Inflation und außenwirtschaftliches Gleichgewicht nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. 

Ein chinesischer Auto-Fabrikant in Binzhou (Symbolbild)

Angesichts des erholten globalen Wirtschaftswachstums, das einer OECD-Einschätzung im anhaltenden wie auch im kommenden Jahr 3,2 Prozent beträgt, sei auch für Deutschland eine konjunkturelle Besserung naheliegend gewesen. Dass eine langfristige Trendumkehr – etwa nach einer besseren Industrie-Auftragslage im Juni und Juli – ausbleibt, deutet Truger zufolge auch auf strukturelle Probleme innerhalb der deutschen Wirtschaft hin.

Und dort etwa auf die Gemengelage des Strukturwandels und den Aspekt, dass deutsche Unternehmen zunehmend ins Ausland abwandern. Vor allem das Grundsatzziel Dekarbonisierung sieht Truger durch Abwanderungen von Unternehmen ins Ausland in Gefahr. Doch nicht nur das: Auch Deutschlands ökonomische Resilienz könnte zunehmend unter externen wie selbstgeschaffenen Problemen leiden: „Man kann Stahl nicht einfach aus Asien beziehen, weil der günstiger ist. In systemrelevanten Wirtschaftsbereichen muss man eigene Kapazitäten und Kompetenzen sichern. Von Halbleitern über Medikamente bis eben zum Stahl – um ein paar Beispiele zu nennen.“

Ökonom Truger sieht wirtschaftliche Resilienz unter Druck Chinas in Gefahr

Der Wirtschaftsweise Truger betont, wie deutlich die aktuellen Hürden ausfallen, die sich aus dem ökonomischen Druck Chinas ergeben: „Vom ersten China-Schock Anfang der Zweitausender hat Deutschland profitiert. Der zweite China-Schock trifft die deutsche Wirtschaft mit voller Wucht“, resümiert er.

Wie aber kann es der deutschen Wirtschaft in Zeiten wachsenden wirtschaftlichen Drucks aus China gelingen, resilient zu bleiben? Schließlich ist die aktuelle Krise deutscher Autobauer – insbesondere in der Elektroauto-Industrie – unter anderem Resultat der chinesischen Bemühungen im Markt – und ihrer aktuellen Vorherrschaft hierin. 

Aus Trugers Sicht etwa könnte dies durch neue und strengere industriepolitische Maßnahmen erreicht werden. Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche formuliert der Wirtschaftsweise deshalb auch eine konkrete Forderung: „Das heißt, dass die Regierung einen Plan benötigt, was unbedingt hierbleiben muss, und dafür Instrumente entwickeln. Die Zeiten ändern sich.“

Auch weiter kein Ende des Handelsstreits zwischen der EU und China in Sicht

Die chinesische Vorreiterstellung in der E-Auto-Industrie etwa nahmen die Mitgliedsstaaten der Europäische Union bereits am Freitag (4. Oktober) in den Fokus, um im anhaltenden Handelsstreit mit China EU-weiten Strafzöllen auf chinesische E-Autos zuzustimmen. Die EU wirft China vor, seine Produktion von E-Autos massiv zu subventionieren und so den europäischen Autobauern mit billigen Exporten unfaire Konkurrenz zu machen. 

Deutschland hatte gegen die Strafzölle gestimmt und auch deutsche Autobauer hatten sich vehement gegen Strafzölle ausgesprochen, weil sie eine Vergeltung Chinas befürchten, die ihre Geschäfte auf dem wichtigen Absatzmarkt beeinträchtigen könnten. Die Entscheidung in Brüssel sei ein „fatales Signal“, mahnte etwa BMW-Chef Zipse ZDF Heute zufolge. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner erklärte dagegen: „Der Beschluss zu den Ausgleichszöllen im Markt für Elektroautos darf auf keinen Fall das Ende der Gespräche bedeuten.“ (fh)

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