Schlechte Zeiten für Familienunternehmen

Neues Urteil sorgt für Unruhe: Mittelständlern droht höhere Erbschaftsteuer

  • VonOlivia Kowalak
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Eine Entscheidung des höchsten Steuergerichts kann die Existenz zahlreicher mittelständischer Unternehmen bedrohen. Experten richten sich mit einem dringenden Appell an die Exekutive.

Düsseldorf – Ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) lässt Mittelständler aufschrecken. Hotels, Pensionen oder Parkhäuser sollen demnach künftig nicht mehr von der Verschonung der Erbschaft- und Schenkungsteuer erfasst werden. Experten sehen in dieser Entscheidung drastische Folgen für kleine und mittelständische Unternehmen – und damit auch für die deutsche Wirtschaft.

Denn aus dem Urteil geht hervor, dass alle Unternehmen, die Immobilien an Dritte überlassen, mit einer höheren Erbschaft- und Schenkungsteuer rechnen müssten, erklärte Professor Rainer Kirchdörfer von der Stiftung Familienunternehmen und Politik der Wirtschaftswoche. Betroffen seien nicht nur Hotel- und Pensionsbetriebe wie auch Parkplätze, sondern auch Alten- und Pflegeheime. 

Neue Regeln bei der Erbschaftsteuer betreffen Verschonungsregeln

Bisher galten beim Übergang eines Unternehmens großzügige Verschonungsregeln, da bei einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebs mit Betriebsvermögen eine Erbschafts- und Steuerpflicht anfällt, die in einigen Fällen zur existenziellen Gefährdung des Unternehmens führen kann. Betriebe mit hohen Schulden und/oder Außenständen dürfen diese nicht verrechnen. Der Gesetzgeber definierte daher zwei Verschonungsregeln:

Bei der Regelverschonung dürfen 85 Prozent des geerbten oder geschenkten Betriebsvermögens steuerfrei übernommen werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Verwaltungsvermögen weniger als 50 Prozent beträgt. Weiterhin muss der Betrieb mindestens über einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Erbschaft bzw. Schenkung fortgeführt werden. Darüber hinaus muss die Lohnsumme (alle Vergütungen) innerhalb dieses Zeitraums mindestens 400 Prozent der jährlichen Ausgangslohnsumme bei Übernahme des Betriebs betragen. Die Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahre. Für Betriebe mit maximal 20 Beschäftigten gilt die Lohnsummenregelung nicht.

In der zweiten Variante, der Optionsverschonung, kann eine 100-prozentige Befreiung von der Besteuerung erreicht werden. Dazu sollte das Verwaltungsvermögen nicht mehr als zehn Prozent betragen. Außerdem wird hier ein Fortführungszeitraum von sieben Jahren vorausgesetzt. Während dieses Zeitraums muss die gezahlte Lohnsumme mindestens 700 Prozent der in den letzten fünf Jahren vor der Übergabe durchschnittlich gezahlten jährliche Lohnsumme betragen.

Der Bundesfinanzhof hat über Betriebsvermögen im Erbfall entschieden.

Das Verwaltungsvermögen ist Vermögen, das für die Weiterführung des Betriebs nicht unbedingt notwendig ist, beispielsweise vermietete Immobilien, Aktienvermögen oder Kunstgegenstände. Dieses ist grundsätzlich steuerschädlich - also nicht durch die Verschonungsregeln begünstigt.

Experte warnt: Urteil für betroffene Familienunternehmen eine „Katastrophe“

Professor Rainer Kirchdörfer sieht die Entscheidung des Finanzhofs für den deutschen Mittelstand kritisch. Im Urteil vom 28. Februar 2024 entschied der Bundesfinanzhof im konkreten Fall eines Parkhauses, dass bestimmte Vermögenswerte wie Hotels, Pensionen oder Parkhäuser nicht steuerrechtlich verschont werden. Der BFH erwähnt dabei auch das Vermieten von Zimmern in Beherbergungsbetrieben, einschließlich Stellplätzen auf Campingplätzen und in Räumen in Gaststätten. „Die Finanzämter wenden Urteile grundsätzlich auf alle vergleichbaren Fälle an. Anderes gilt, wenn die Finanzverwaltung betreffend des konkreten Urteils einen sogenannten Nichtanwendungserlass verabschiedet“, so der Experte.

Die vorliegende Rechtslage sei für betroffene Unternehmen eine Katastrophe. „Wer Betriebe mit im Wert wesentlichen Immobilien, die Dritten überlassen sind, schenken will, wartet nun erst einmal ab“, ergänzte Kirchdörfer zur Entscheidung. „Und im Todesfall haben die Betroffenen keine Klarheit, wie es mit der Erbschaftsteuer aussieht. Es wird nun einen Übergabestau geben, das höre ich aus dem Kreis der Familienunternehmen“, sagte er weiter.

Laut dem Statistischen Bundesamt vergrößerte sich die Zahl des übertragenen Betriebsvermögens im Jahr 2023 um immense 81,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Einen deutlichen Zuwachs erlebte dabei wegen steuerrechtlicher Vorteile die Schenkung von Betriebsvermögen zu Lebzeiten mit einem doppelt so hohen Anteil. Erben im Todesfall hingegen ist lediglich um 22,3 Prozent gewachsen.

Unsicherheit im Mittelstand: Zunehmende Schließungen von Betrieben geplant

Bei potenziellen Nachfolgern wachsen indes die Unsicherheiten angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen für Mittelständler. Wie eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt, stieg die Zahl der Betriebe, die die Schließung erwägen, im Jahr 2023 um drei Prozentpunkte auf 28 Prozent. Hauptgrund sei demnach, dass keine passende Nachfolge gefunden werden kann.

Professor Kirchdörfer hofft im Rahmen des Urteils auf eine Klarstellung aus Berlin. Er richtet einen dringenden Appell an die Finanzverwaltung: „Ich appelliere an die Finanzverwaltung, dass ein Nichtanwendungserlass veröffentlicht wird“. Damit würde die Finanzverwaltung das Urteil enger definieren und „nur auf den konkret entschiedenen Fall“ anwenden. 

Auf Anfrage der WiWo erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums für Finanzen: „Das Bundesministerium der Finanzen prüft in enger Abstimmung mit den Ländern, welche Schlussfolgerungen aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu ziehen sind“.

Rubriklistenbild: © Sven Hoppe/dpa

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