Psychische Belastungen
Gen Z macht den Rekord bei Krankheitstagen: „Alarmierender Trend“
- VonRobert Wallenhauerschließen
Die Generation Z fehlt krankheitsbedingt durchschnittlich 19 Kalendertage im Jahr. Die psychischen Belastungen nehmen zu, zeigt eine Auswertung.
Hamburg - Im vergangenen Jahr haben die Unter-30-Jährigen so viele Krankschreibungen bei ihren Arbeitgebern eingereicht wie nie zuvor. Das ergab eine Erhebung der Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg und ihrem Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF-Institut). Im Schnitt waren die jungen Arbeitskräfte der sogenannten Generation Z dreimal krankgeschrieben und haben insgesamt 19 Kalendertage gefehlt. Warum fehlt die Generation Z so häufig bei der Arbeit?
Ein Faktor sei eine veränderte Wahrnehmung von Krankheitstagen, meint Psychologe und Generationsforscher Rüdiger Maas. „Bei den älteren Generationen war es eher schambesetzt, krank zu sein. Jüngere sehen es dagegen positiv, sich um ihre Gesundheit zu kümmern“, erklärt er der Hamburger Morgenpost (Mopo).
Krankenkasse: Krankmeldungen wegen psychischer Belastung nehmen zu
Die AOK fand in ihrer Untersuchung heraus: 2022 haben vor allem Atemwegs- oder Magen-Darm-Erkrankungen, Corona und Rückenschmerzen viele Krankheitstage verursacht. Doch die Zahl dieser Diagnosen hat sich zwischen 2013 und 2021 nur geringfügig verändert. Im Gegensatz dazu sei bei den Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Belastung nahezu durchgängig ein Anstieg festzustellen: „Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich ihr Anteil bei den Fehltagen jüngerer Beschäftigter um fast 50 Prozent erhöht“, heißt es in einer Mitteilung der AOK.
„Das ist ein alarmierender Trend, der es notwendig macht, sich auch die dahinterliegenden Diagnosen genauer anzuschauen. Wir stellen fest, dass bei der jüngeren Generation vor allem Angststörungen, Belastungsstörungen und depressive Störungen signifikant zunehmen“, sagt Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg.
Psychologe: Gen Z nimmt psychische Belastung ernster
Aber ist die psychische Belastung wirklich gestiegen – oder hält die junge Generation einfach weniger aus? So einfach ist das nicht, erklärt Psychologe Rüdiger Maas der Mopo. Einerseits gebe es neue Faktoren, wie das Smartphone, das durch ständige Erreichbarkeit, soziale Medien oder Cyber-Mobbing tatsächlich eine neue Belastung darstelle. Andererseits erkennt er auch eine Tendenz dazu, psychische Belastung ernster zu nehmen: „Und wenn ich das Gefühl habe, mehr belastet zu sein, dann nehme ich es auch so wahr“, sagt Maas.
Einen anderen Trend findet der Psychiater des Institut für Generationenforschung sehr überraschend. „Wenn junge Leute im Schnitt 30 Tage krank sind, eine Person aber erst zehn Tage krank war, dann meint sie manchmal, ihr stünden noch 20 Tage zu. Das ist komplett neu.“ Das sei jedoch nicht positiv: „So ein Minus-Gedanke macht nicht glücklicher, weil man Arbeit so insgesamt negativer sieht.“
„Immer weniger Bereiche, in denen sich Leistung lohnt“
Die Beweggründe für diese Entwicklung sind divers. Zwar hat es auch in älteren Generationen weniger leistungsbereite Menschen gegeben. Sie wurden aber schneller sanktioniert, meint Maas. Er beobachte einen gesellschaftlichen Wertewandel: „Es gibt immer weniger Bereiche, in denen Leistung wirklich belohnt wird.“ Wenn die jungen Menschen dann erstmal arbeiten, sind „langfristige Ziele wie ein Haus oder Auto nicht mehr erreichbar“, sagt Maas: „Im mittleren Segment, was also Handy oder Fernreise angeht, sind alle gesättigt.“
Arbeitgeber können die Werte der Generation Z nutzen. „Arbeitsklima und -zufriedenheit sind die wichtigsten Faktoren für Jüngere“, erklärt der Psychologe der Mopo. „Arbeitgeber müssen die Mitarbeiter als Mensch wahrnehmen, besser Kritikgespräche führen und kleinere Gruppen bilden. Und Führung viel ernster nehmen.“ Mit einer engeren Bindung ans Unternehmen könnte auch die Zahl der Fehltage abnehmen.
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