„Sollten den roten Teppich ausrollen“

Weniger Steuern für Ausländer geplant – weil Deutschland als Arbeitsort für Fachkräfte besonders unbeliebt ist

  • VonBleranda Shabani
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Die Bundesregierung plant eine Steuermaßnahme zur Förderung ausländischer Fachkräfte. Der Arbeitsstandort Deutschland soll wieder mehr an Attraktivität gewinnen.

Frankfurt – Ausländischen Fachkräften soll das Leben und die Arbeit in Deutschland erleichtert werden. Die Bundesregierung plant als Teil ihrer Wachstumsinitiative für ausländische Fachkräfte eine besondere Steuermaßnahme. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und zehn Prozent des Bruttolohns steuerfrei bekommen.

Grund zur Freude? Wirtschaft bejubelt die Steuerentlastung

In der deutschen Start-up-Szene herrscht darüber große Freude. Christoph Stresing, Geschäftsführer des Deutschen Start-up-Verbands, bezeichnet die Steuerentlastung im Gespräch mit der F.A.Z. als „wichtigen Schritt, um Deutschland als attraktiven Standort für internationale Talente zu positionieren.“

Der Fachkräftemangel trifft den Start-up-Sektor besonders hart. „Innovative Wachstumsunternehmen sind auf die besten Köpfe angewiesen, um neue Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen“, erklärt Stresing. Zudem sei die deutsche Technologiebranche stark international ausgerichtet und auf Programmierer aus aller Welt angewiesen. Derzeit müssen 70 Prozent der Start-ups in Deutschland ihr Wachstum einschränken, weil es an Fachkräften mangelt, heißt es in dem Bericht.

400.000 Zuwanderer pro Jahr benötigt: ein Schritt zur Bekämpfung von Fachkräftemangel?

Schon lange wird innerhalb der Politik nach Strategien geschaut, wie das Problem des Fachkräftemangels bewältigt werden kann. Nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer brauche man rund 400.000 Zuwanderer netto pro Jahr, um den Fachkräftemangel bekämpfen zu können, berichtet Deutschlandfunk.

Ein Azubi arbeitet an einer Anlage: Der Fachkräftemangel belastet die deutsche Wirtschaft sehr.

Warum ist Deutschland unattraktiv für Fachkräfte?

Eine aktuelle Studie von Internations, einem globalen Netzwerk für internationale Fachkräfte, macht die einzelnen Details zum schlechten Image Deutschlands als Arbeitsstandort nochmal deutlich. Dem Bericht zufolge bewertetet das Netzwerk unterschiedliche Faktoren wie die Willkommenskultur, die Lebensqualität und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei werden ausländische Fachkräfte im jeweiligen Arbeitsland befragt.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Deutschland weit hinten liegt. Insgesamt führt die Studie die Befragungen in 53 Ländern durch und Deutschland befindet sich auf Platz 49 - auf einem der letzten Plätze.

Ausländische Fachkräfte bewerten die Arbeitsplätze hierzulande in Bezug auf Qualität, Bezahlung und Chancen trotzdem als attraktiv und international wettbewerbsfähig. Auch die soziale Sicherheit und die gesetzlichen Sozialsysteme werden positiv bewertet.

„Wir sollten ausländischen Fachkräften den roten Teppich auslegen“

Johannes Reck, Gründer und CEO des Reise-Start-ups Getyourguide, bezeichnet die Steuerentlastung als „elementar wichtig“ für das Wirtschaftswachstum. Die Debatte um die Steuervorteile kann er nicht nachvollziehen. „Ohne Anreize sind wir nicht wettbewerbsfähig“, sagt Reck im Gespräch mit der F.AZ.

„Wir sollten ausländischen Fachkräften den roten Teppich auslegen.“ Die vermeintliche soziale Ungerechtigkeit durch die temporäre Besserstellung ausländischer Arbeitskräfte würde Reck im Gegenzug für mehr Wirtschaftswachstum akzeptieren und in Kauf nehmen.

Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte: Kritik und Verständnis

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht hat Zweifel daran, ob der Plan mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes in Artikel 3 vereinbar sei. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP äußert sie scharfe Kritik: „Während deutsche Arbeitnehmer mit mittleren Einkommen unter weit überdurchschnittlichen Steuern und Abgaben leiden, will die Bundesregierung ausländische Fachkräfte mit massiven Steuererleichterungen privilegieren.“

Auch aus den Reihen der Ampel-Parteien hagelt es Kritik: „Es gibt aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht“, sagt Beate Müller-Gemmeke (Grüne) dem Tagesspiegel.

Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigt zwar Verständnis für die Kritik, denkt jedoch langfristig: „Wenn mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen, weil sie hier gerne arbeiten wollen oder diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen, dann gewinnen wir alle“, erläutert in der WELT.

Rubriklistenbild: © Monika Skolimowska / dpa

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