Akutes Heimsterben in Deutschland
Heimsterben in Deutschland auf neuer Karte sichtbar: „Lauterbachs Irrweg muss gestoppt werden“
- VonTheresa Breitschingschließen
Die Krise in der Pflegebranche in Deutschland eskaliert. Obwohl die Anzahl der Menschen, die Pflege benötigen, zunimmt, schließen seit 2023 immer mehr Heime.
Berlin – Deutschland befindet sich in einer akuten Pflegekrise. Dies wird nun durch aktuelle Zahlen zusätzlich untermauert. Über tausend Insolvenzen und Schließungsfälle werden in der „Deutschlandkarte Heimsterben“ seit Anfang 2023 dokumentiert. Bis Juli hat täglich mindestens eine Pflegeeinrichtung dicht gemacht oder Insolvenz angemeldet. „Lauterbachs Irrweg muss gestoppt werden“, fordert Thomas Greiner, der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege (AGVP).
Akutes Heimsterben bedroht Deutschland: Insolvenzen und Schließungen wachsen rasant an
Die „Deutschlandkarte Heimsterben“ wurde vom AGVP veröffentlicht, der eine verlässlichere Politik fordert, um stabile Rahmenbedingungen für Pflegeeinrichtungen zu garantieren. Besonders betroffen vom Heimsterben in Deutschland sind Pflegeeinrichtungen im Westen und im Norden. Die Karte lässt sich auch filtern, dabei wird deutlich: Das Heimsterben setzte sich auch in diesem Jahr bereits rasant fort.
„1097 Pflegeeinrichtungen sind seit 2023 von Angebotseinschränkungen, Insolvenz oder Schließung betroffen. Die Pflegebedürftigen leiden unter dem Versorgungsabbau, gleichzeitig steigt die Zahl der Pflegebedürftigen. Pflegedienste müssen Anfragen ablehnen oder kündigen Verträge, die Wartelisten für einen Platz im Pflegeheim werden immer länger“, so Greiner.
AGVP-Präsident kritisiert Gesundheitsminister Lauterbach wegen Heimsterben: „Irrweg“
Nicht gelistet sind hingegen Pflegeheimbesitzerinnen und Besitzer, die gezwungen waren, ihr Versorgungsangebot zu reduzieren und die damit unterhalb der Insolvenzschwelle geblieben sind. Die Krise zieht sich also auch durch offiziell „gesunde“ Einrichtungen: Denn dadurch bleiben immer mehr Pflegeplätze zusätzlich unbesetzt. Absagen bei Versorgungsanfragen und immer längere Wartelisten sind die Folge.
„Die Kassen und Bundesländer kommen ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nach, die Versorgung der alten Menschen sicherzustellen – die Versorgungskrise geht auf auch ihr Konto. Und bei allem steigen die Kassenbeiträge trotz schwindender Versorgung. Lauterbachs Irrweg muss gestoppt werden“, meint der AGVP-Präsident.
Der AGVP fordert Strafzinsen für säumige Kostenträger und eine Strategie, wie Einrichtungen mit guter Pflege finanzielle Überschüsse erzielen können. Außerdem sollen pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen Schadensersatzansprüche gegenüber den Kostenträgern geltend machen können und einen Rechtsanspruch auf einen Pflegeplatz erhalten.
Wegen der neuen Krankenhausreform steigen die Krankenkassenbeiträge
Erst vor wenigen Tagen äußerte sich SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, mit denen die geplante Krankenhausreform finanziert werden soll. Eine Vorhaltepauschale für notwendige Kliniken soll diese vor einer Schließung bewahren. „Ohne Reform werden viele Krankenhäuser ungesteuert Insolvenz anmelden müssen. Mit der Reform bekommen Krankenhäuser wieder eine Perspektive“, meint Lauterbach auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums. Insgesamt 25 Milliarden Euro werden dafür in den Jahren 2026 bis 2035 aus dem Gesundheitsfonds bereitgestellt. Die explodierenden Kosten der Krankenhausreform waren von Experten im Vorfeld kritisiert worden.
Landesärztekammerpräsident will Lösungen für kleine Kliniken in Regionen
Die Landesärztekammer Thüringen fordert neue Konzepte für kleine Krankenhäuser in Regionen, die vom Bevölkerungsrückgang geprägt sind, um die Standortzukunft zu sichern. Die stationäre Versorgung solle mit der ambulanten Betreuung durch Hausärzte, Pflegedienste, Physiotherapeuten und Apotheken verknüpft werden: „Eine vernünftige sektorenverbindende Versorgung zu planen und zu organisieren, ist genau die Aufgabe, die in Thüringen jetzt vor uns steht“, wird Kammerpräsident Hans-Jörg Bittrich vom Ärzteblatt zitiert.
In Thüringen kam es zur ersten pleitebedingten Schließung eines Landkrankenhauses: Die private Sternbach-Klinik in Schleiz hatte Ende Juni Insolvenz in Eigenverwaltung anmelden müssen. Die Suche nach finanziellen Partnern gelang nicht, weshalb das 100-Betten-Haus Ende August schließen musste. Das hat auch Auswirkungen auf die Region an der Grenze zu Bayern. Eine Vielzahl an Krankenhaus- und Heimschließungen verschärft die Krise innerhalb Deutschlands täglich. Und ein Ende ist nicht in Sicht: Laut aktuellen Zahlen schreibt jedes dritte Krankenhaus in Deutschland bereits rote Zahlen.
Rubriklistenbild: © Marijan Murat/dpa
