Lindners Forderungen

Ampel bricht an der Rente: Konflikt um Reform der Frührente

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Die Regierungskrise könnte bereits in dieser Woche zum Zusammenbruch der Ampel-Koalition führen. Ein zentraler Konfliktpunkt ist die Altersvorsorge.

Berlin – Hält die Ampel-Koalition noch bis Ende der Woche? Diese Sicherheit rückt in immer weitere Ferne. In dieser Woche treffen sich die Spitzen von SPD, Grüne und FDP zu mehreren Gesprächsrunden im Kanzleramt. Bis Mittwoch (6. November) wollen Finanzminister Christian Lindner (FDP), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen.

Auslöser der neuen Koalitionskrise war ein Forderungskatalog von Lindner, das eine Neuaufstellung von Finanzen und Wirtschaft skizzierte. Besonderer Streitpunkt: Die gesetzliche Rente.

Ampel streitet über die Rente: Lindner fordert Anpassungen beim Rentenpaket II

Seit Wochen streitet die Ampel über das Rentenpaket II, das Prestigeprojekt der SPD. Das sieht eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent des Durchschnittslohns vor. Um das zu finanzieren, müssen aber die Beiträge der arbeitenden Bevölkerung in die Rentenkasse steigen – was die FDP vehement ablehnt.

In seinem Forderungspapier positioniert sich nun auch Lindner neu. Er lehnt das Rentenpaket II nicht gänzlich ab, sondern befürwortet eine Anpassung: Die Stabilisierung des Rentenniveaus soll kommen, aber ihre Berechnung soll anders erfolgen. Aktuell wird das Rentenniveau wie folgt berechnet:

Standardrente nach 45 Beitragsjahren / Durchschnittslohn x 100 = Rentenniveau

Die Standardrente ist eine fiktive Rente, die eine Person erhalten würde, wenn sie 45 Jahre lang ganz genau das Durchschnittsentgelt verdient hat und somit genau 45 Rentenpunkte erzielt. Diese Standardrente beträgt 2024 laut Rentenversicherung 1769,40 Euro. Der Durchschnittslohn beträgt laut DRV 45.358 Euro/Jahr. Bei der Berechnung werden allerdings die Netto-Angaben nach Abzug von Sozialabgaben verwendet.

Lindner schlägt vor, für die Berechnung des Rentenniveaus künftig 47 anstatt 45 Beitragsjahre anzunehmen. Dadurch würde das Rentenniveau bei 48 Prozent nach 47 Beitragsjahren bleiben – im Vergleich zu 45 Jahren aber sinken. Damit geht Lindner von einem längeren Arbeiten der Bevölkerung aus.

Höhere Abschläge für die Frührente: 0,5 Prozent statt 0,3 Prozent pro Monat?

Begründet hat das Lindner damit, dass dies „besser zu den vielfältigen Lebensentwürfen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland“ passen würde. Der gesetzliche Renteneintritt sollte nach seiner Auffassung ebenfalls flexibilisiert werden. Genau wie er sich das vorstellt und ob das Renteneintrittsalter steigen sollte, sagte er hier nicht. „Die Abschläge bei einem frühzeitigen Renteneintritt und Zuschläge bei späterem Renteneintritt sollten … versicherungsmathematisch begründet angepasst werden”, schreibt der FDP-Chef weiter. Wer also in Frührente geht, soll weniger Rente beziehen als bisher der Fall.

Aktuell nehmen Rentner und Rentnerinnen, die vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gehen, pro Monat vorzeitiger Rente 0,3 Prozent weniger Rente in Kauf. Dieser Abschlag soll sich nach dem Willen Lindners also erhöhen. Mit seiner Forderung ist er auch nicht allein: Ökonomen wie der Rentenexperte und Wirtschaftsweise Martin Werding oder der Demografieexperte Axel Börsch-Supan haben in jüngster Zeit ebenfalls solche höheren Abschläge eingefordert. Genannt wurden 0,5 Prozent Abschlag pro Monat vorzeitigem Ruhestand.

Ampel vor dem Aus? Rentenpaket II könnte auf der Strecke bleiben

Von Seiten der Koalitionspartner hat es bisher harsche Kritik an den Forderungen Lindners gehagelt. Die SPD geht insbesondere bei den Renten-Forderungen nicht mit, das hat Kanzler Scholz mehrmals betont. Eine Abschaffung der Frührente, wie sie von Teilen der FDP gefordert wurde, lehnt er kategorisch hab.

Bald jeder gegen jeden? Manche sehen die „Woche der Entscheidungen“ für einen möglichen Bruch der Ampel-Koalition mit ihren Spitzen (v.l.) Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz.

Sollte das Rentenpaket II nicht mehr durch den Bundestag kommen, dann ist das Rentenniveau ab 2025 nicht mehr gesichert. Das heißt: Die Standardrente (oft auch „Eckrente“ genannt) kann unter 48 Prozent des Durchschnittslohns fallen. Wie sich das genau entwickeln wird, lässt sich nicht sicher sagen. Die Rentenkommission errechnet aber ab 2026 ein Absinken des Rentenniveaus auf bis zu 44 Prozent. Das Sozialgesetzbuch schreibt vor, dass die Regierung Gegenmaßnahmen ergreifen muss, wenn bis 2030 ein Absinken des Rentenniveaus auf 43 Prozent errechnet wird.

Renten können gesetzlich aber nicht gekürzt oder gemindert werden. Ein Absinken des Rentenniveaus wirkt sich aber auf die möglichen Anpassungen der Renten aus. Die Rente steigt dann nicht so schnell wie die Löhne der Bevölkerung. Je nachdem, wie sich die Löhne der Bevölkerung entwickeln, können aber trotzdem gute Rentenanpassungen für Rentner herausspringen.

Rubriklistenbild: © Dominik Butzmann/Imago

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