US-Markt im Vorteil?
Stahl-Streit: Deutsche Stahlindustrie fürchtet Nachteile durch Abkommen mit USA
- VonBettina Menzelschließen
Schon am Freitag könnten die USA und die EU einen Deal über die Stahlzölle schließen – das Ergebnis hat Einfluss auf den US-Wahlkampf und den Industriestandort Deutschland.
Brüssel/Washington – Der Stahlstreit zwischen den USA und Europa geht in die nächste Runde. Beim EU-USA-Gipfel am Freitag kommt das Thema erneut auf den Tisch. Während die EU-Kommission auf eine Einigung hofft, blickt die europäische Stahlindustrie mit Skepsis auf das Treffen. Der Deal sei auf die USA zugeschnitten und die EU-Konzerne würden damit benachteiligt, so die Befürchtung der Branche. Einfluss hat das Abkommen auf das Verhältnis zu China, den US-Wahlkampf sowie die Zukunft des Industriestandorts Deutschland.
Was es mit dem Stahlstreit zwischen den USA und der EU auf sich hat
Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte im Jahr 2018 Strafzölle auf Stahl- und Aluminium-Importe aus der EU und anderen Staaten eingeführt. Seit der Administration von Joe Biden liegen die Zölle zwar auf Eis, allerdings unter Vorbehalt einer Einigung im Stahl-Streit. Die EU gibt sich diesbezüglich optimistisch: In Washington sei am Freitag eine Vereinbarung möglich, sagte der für Außenhandel zuständige EU-Kommissionvizepräsident Valdis Dombrovskis. Zugleich hoffe Brüssel auf ein Abkommen, das EU-Autoherstellern Zugang zu US-Subventionen ermöglichen würde. Die Idee könnte eine Art transatlantische Freihandelszone sein.
Viel Zeit bleibt nicht, denn die Frist läuft Ende Oktober aus. Kommt kein Deal zustande, würden die Strafzölle erneut eingeführt. „Wir wollen dafür sorgen, dass die 232 Zölle der Trump-Ära der Vergangenheit angehören und neue Wege der Zusammenarbeit suchen“, erklärte Dombrovskis im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). Hintergrund war, dass Trump der EU unfairen Wettbewerb vorgeworfen hatte. Es begann ein regelrechter Handelsstreit, in dem die EU Gegenzölle auf Waren aus Übersee einführte, etwa auf Whiskey und Motorräder.
Kommt ein Deal im Stahlstreit? Europäische Stahlindustrie zeigt sich kritisch
Die Strafzölle sind ausgesetzt, doch auch die Wirtschaftspolitik unter Biden folgt dem „America-First-Prinzip“. Das US-Subventionsprogramm der US-Regierung, Inflation Reduction Act (IRA) genannt, gewährt staatliche Hilfen oftmals nur, wenn Produktionsstätten und Rohstoffquellen in den USA liegen. So sind etwa EU-Hersteller von Elektroautos ausgeschlossen, wenn sie nicht einen bestimmten Prozentsatz der Grundstoffe für die Batterien von den USA oder deren Freihandelspartnern beziehen. Die Stahlverbände begrüßen zwar die klimapolitischen Ambitionen des Gesetzespakets IRA, melden aber auch Zweifel an. Der Industriestandort Europa würde damit vor große Herausforderungen gestellt, die durch die „in Teilen protektionistische Ausrichtung des IRA erheblich verstärkt werden“, so die Wirtschaftsvereinigung Stahl in einer Mitteilung.
Es bestehe die Gefahr, „dass Unternehmen ihre Investitionen künftig verstärkt auf die USA ausrichten, mit negativen Auswirkungen für den Industriestandort Deutschland und die EU“, hieß es weiter. Konkret könnten Stahllieferungen aus Ländern wie China oder Indien nach Europa gehen, was mehr Konkurrenz für die hiesige Branche bedeuten würde. Der IRA solle als Weckruf verstanden werden, rasch ein stimmiges industriepolitisches Konzept zu entwickeln, fordert der Verband. Noch sei man nicht so weit, räumte Kommissionsvize Dombrovskis ein. Es brauche noch „intensive Arbeit“ und die „Überbrückung einiger Differenzen“, um „diese Vereinbarungen unter Dach und Fach zu bringen“.
Dekarbonisierung der EU und Handelsstreit mit China spielen im Stahl-Deal eine Rolle
Der Handelsstreit China-USA spielt in der aktuellen Stahl-Debatte ebenfalls eine Rolle. Wie aus Vertragsentwürfen hervorgeht, die dem Magazin Spiegel vorliegen, wären die USA bereit, die früheren Zölle nicht wieder zu erheben. Gleichzeitig besteht die Biden-Administration offenbar darauf, mit der EU gemeinsame Sache gegen China zu machen. Gerne würde das Weiße Haus einen 25-prozentigen Zoll auf Stahl und einen zehnprozentigen Aufschlag auf Aluminium erheben, so der Spiegel weiter. Dabei gehe es um „Länder mit Überkapazitäten“, womit zwar China gemeint sei, was aber auch indirekt Europa treffen könnte. Zudem könnte China zum wirtschaftlichen Gegenschlag ausholen – fatal für Deutschland, für das China noch immer wichtigster Handelspartner ist.
Indirekt gehe es beim Stahl-Deal auch um die Wählerstimmen der Arbeiter aus Swing-States des Mittleren Westens, so die Spiegel-Analyse, weshalb sich Biden wohl unnachgiebig zeigen werde. Schließlich steht der amtierende Präsident im kommenden Jahr zur Wiederwahl. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sähe lieber Biden als Donald Trump im Amt, weshalb sie zu helfen bereit sei.
Das ist das EU-Klimaschutzpaket „Green Deal“
Mit dem Klimaschutzpaket „Green Deal“ soll Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Dafür plant die EU Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Die stahlproduzierenden Unternehmen in Deutschland haben sich zum Ziel gesetzt, ihren Stahl bis 2045 CO₂-neutral zu erzeugen – und damit ein Drittel der gesamten industriellen Treibhausgasemissionen in Deutschland einzusparen.
Das Thema Stahl tangiert aber auch den Green Deal in Europa. Für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie haben die USA und Europa offenbar unterschiedliche Pläne. In Europa produziere man vor allem „Primärstahl“, der mehr CO₂-Emissionen habe als der in den USA produzierte klimafreundlichere Recyclingstahl. Entsprechend würden die EU-Abgaben wohl deutlich höher ausfallen (bme mit dpa).