Bei Bayern-PK

Beißender Sarkasmus und Kader-Kritik: Tuchel lässt Dampf ab

  • VonMax Nebel
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Thomas Tuchel geht bei der Bayern-Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Leipzig vor allem auf sein Trainer-Aus ein. Einige Aussagen lassen aufhorchen.

München - Es lohnte sich, der mit Spannung erwarteten ersten Pressekonferenz des FC Bayern nach dem angekündigten Aus von Trainer Thomas Tuchel zum Saisonende zu lauschen. Der Münchener Cheftrainer äußerte sich facettenreich, startete dabei einigermaßen nüchtern, wurde im Laufe der PK vor dem Bundesliga-Spiel gegen RB Leipzig (Samstag, 18:30 Uhr, Sky) aber auch immer mal emotional. Der nun absolvierte Entscheidungsprozess beim deutschen Rekordmeister geht auch an Tuchel nicht ganz spurlos vorbei.

Thomas Tuchel
Geboren:29. August 1973 in Krumbach
Aktuelle Trainerstation:FC Bayern München (seit 2023)
Vorausgegangene Trainerstationen (u.a.):1. FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, Paris Saint-Germain, FC Chelsea

Bayern-PK: Sarkasmus, Kader-Kritik und Ratlosigkeit bei Thomas Tuchel

Zunächst einmal berichtete Tuchel auf Anfrage eines Sky-Reporters, wie es zu der nun erfolgten designierten Trennung gekommen sei. Nüchtern hält er fest, dass er sich am zurückliegenden Dienstag (20. Februar) mit den Bayern-Verantwortlichen getroffen habe, ehe am Mittwoch die Mannschaft und schließlich die Öffentlichkeit über den Schritt informiert wurden. „Die Gründe sind: Wir sind unzufrieden, mit der Art und Weise wie wir spielen, wir sind unzufrieden mit der Punkteausbeute und den drei Niederlagen in Folge“, skizziert Tuchel einige Ursachen für sein anstehendes Ausscheiden. Er stehe hierbei in der Verantwortung, auch wenn er nicht glaubt, „das einzige Problem“ zu sein.

Nach einer Rückfrage des Bayrischen Rundfunks zur Reaktion der Mannschaft auf die Entscheidung bemühte sich Tuchel derweil einige Dinge geradezurücken, insbesondere was sein Standing bei seinen Spielern betrifft. Hierbei wirkte zugleich auch etwas ratlos hinsichtlich des jüngsten Auftretens seines Teams: „Ich hatte nie das Gefühl, dass wir die Mannschaft nicht erreichen. Oder dass es ein Problem gibt zwischen Trainer und Mannschaft. Wir haben ein sehr diffuses Bild. Wir haben eine krasse Diskrepanz zwischen Training und Spiel. Wie immer haben wir auf einem guten Niveau trainiert. Ich bin schon paarmal hier gesessen und war davon überzeugt, dass wir eine Top-Leistung bringen. Das haben wir nicht geschafft.“

Der „Tuchexit“ ist schon beschlossene Sache – aber erst am Ende der Saison.

Tuchel bezweifelt, dass er beim FC Bayern „nicht warmgeworden“ sei

Die zuvor gespürte Ratlosigkeit in den Augen Thomas Tuchels setzt sich im Verlauf der Pressekonferenz fort. Darauf angesprochen, ob es „blauäugig“ gewesen sei, den Job bei den Bayern im Sommer 2023 anzunehmen, verrät und analysiert der Übungsleiter: „Es fühlt sich so an, als wäre es zum ersten Mal so, dass die Entwicklungsschritte nicht konstant erkennbar sind. Wir hatten eine extreme Verletztensituation. Wir waren überzeugt davon, die Mannschaft aufs nächste Level zu bringen. Das ist uns nicht gelungen, deshalb wird das ab Sommer jemand anderes machen.“

Sichtlich angefasst wirkte Tuchel kurze Zeit später, als ein Journalist an ihn die Hypothese und teilweise verbreitete Fan-Ansicht, dass es zwischen dem Trainer und dem FC Bayern nicht wirklich „gematcht“ habe, heranträgt. Er holt kurz Luft und kontert: „Ich glaube, dazu gehört etwas mehr als vereinzelte Fan-Meinungen, ob ich hier nicht warmgeworden bin.“ Sein Eindruck innerhalb des Bayern-Kollegiums sei eine andere, auch wenn er solche Meinungen von außen nachvollziehen könne. Jedoch würden viele Leute nicht sehen, wie er und sein Team die Mannschaft beeinflussen. Sarkastisch schließt er: „Dann heißt es: Er ist nicht warmgeworden. Wenn es so einfach manchmal ist, dann wird ja spätestens im Sommer alles gut.“

Tuchel-Nachfolger beim FC Bayern: Die Kandidaten-Liste in der Übersicht

Der niederländische Coach Erik ten Hag ist bei seinem aktuellen Klub Manchester United nicht unumstritten. Es ist möglich, dass sich beide Parteien im Sommer trennen. Laut Ex-Profi und Insider Jan Aage Fjörtoft scheint sogar ein Trainertausch mit FCB-Noch-Coach Tuchel nicht ausgeschlossen, wie der Norweger auf X schreibt.
Der niederländische Coach Erik ten Hag ist bei seinem aktuellen Klub Manchester United nicht unumstritten. Es ist möglich, dass sich beide Parteien im Sommer trennen. Laut Ex-Profi und Insider Jan Aage Fjörtoft scheint sogar ein Trainertausch mit FCB-Noch-Coach Tuchel nicht ausgeschlossen, wie der Norweger auf X schreibt. © Imago/Matthews
Der frühere Bayern-Profi und spätere Reserve-Coach Martín Demichelis wird immer wieder von Experten als mögliche Übergangslösung auf der Trainerbank genannt, die im Erfolgsfall zur Dauerlösung werden könnte. Demichelis trainiert aktuell den argentinischen Spitzenklub River Plate. Trotz einiger Erfolge und der Meisterschaft im letzten Jahr ist der Coach in Buenos Aires nicht unumstritten. Die Argentinier könnten Demichelis bei einem tatsächlichen Bayern-Interesse ziehen lassen.
Der frühere Bayern-Profi und spätere Reserve-Coach Martín Demichelis wird immer wieder von Experten als mögliche Übergangslösung auf der Trainerbank genannt, die im Erfolgsfall zur Dauerlösung werden könnte. Demichelis trainiert aktuell den argentinischen Spitzenklub River Plate. Trotz einiger Erfolge und der Meisterschaft im letzten Jahr ist der Coach in Buenos Aires nicht unumstritten. Die Argentinier könnten Demichelis bei einem tatsächlichen Bayern-Interesse ziehen lassen. © Imago/SFSI
Der arbeitslose Spanier Julen Lopetegui ist ebenfalls einer der Kandidaten. Der FC Bayern muss sich laut Sky aber mit Premier-League-Klub West Ham United um den früheren Coach von Real Madrid streiten, die den Coach ebenfalls verpflichten wollen.
Der arbeitslose Spanier Julen Lopetegui ist ebenfalls einer der Kandidaten. Der FC Bayern muss sich laut Sky aber mit Premier-League-Klub West Ham United um den früheren Coach von Real Madrid streiten, die den Coach ebenfalls verpflichten wollen. © Imago
Zwischen Zinédine Zidane und dem FC Bayern soll es laut der italienischen Sportzeitung Corriere dello Sport bereits Kontakt gegeben haben. Laut Sportbild kommt ein Engagement des dreimaligen Weltfußballers in München aber nicht infrage, weil er einen Verein trainieren wolle, dessen Sprache er beherrsche. Für den Franzosen, der langfristig als designierter Nachfolger von Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps gilt, wäre ein Engagement in der bayerischen Landeshauptstadt die erste Trainerstation seit seinem Ausscheiden bei Real Madrid 2021. Als Coach der „Königlichen“ gewann er in zwei Amtszeiten unter anderem zweimal die spanische Meisterschaft und dreimal die Champions League.
Zwischen Zinédine Zidane und dem FC Bayern soll es laut der italienischen Sportzeitung Corriere dello Sport bereits Kontakt gegeben haben. Laut Sportbild kommt ein Engagement des dreimaligen Weltfußballers in München aber nicht infrage, weil er einen Verein trainieren wolle, dessen Sprache er beherrsche. Für den Franzosen, der langfristig als designierter Nachfolger von Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps gilt, wäre ein Engagement in der bayerischen Landeshauptstadt die erste Trainerstation seit seinem Ausscheiden bei Real Madrid 2021. Als Coach der „Königlichen“ gewann er in zwei Amtszeiten unter anderem zweimal die spanische Meisterschaft und dreimal die Champions League. © Matthias Schrader/dpa
Roberto de Zerbi, der mit Brighton & Hove Albion erfolgreichen und ansehnlichen Fußball spielen lässt, soll bei Max Eberl hoch im Kurs stehen. Laut Sport Bild soll er eine Art Plan B darstellen, falls die Alonso-Verpflichtung nicht klappt. Der Italiener wäre allerdings wohl nicht billig, besitzt laut dem englischen Telegraph eine Ausstiegsklausel von 14 Millionen Euro. Dann wäre da noch die Sprachbarriere, die allerdings für die Bayern kein Ausschlusskriterium ist.
Roberto de Zerbi, der mit Brighton & Hove Albion erfolgreichen und ansehnlichen Fußball spielen lässt, soll bei Max Eberl hoch im Kurs stehen. Laut Sport Bild soll er eine Art Plan B darstellen, falls die Alonso-Verpflichtung nicht klappt. Der Italiener wäre allerdings wohl nicht billig, besitzt laut dem englischen Telegraph eine Ausstiegsklausel von 14 Millionen Euro. Dann wäre da noch die Sprachbarriere, die allerdings für die Bayern kein Ausschlusskriterium ist. © IMAGO/Zac Goodwin
Wird es am Ende ein Bayern-Schreck? Der Name Unai Emery hält sich verdächtig lange an der Säbener Straße. 2022 kickte er mit Villareal die Bayern in der CL raus. Aktuell ist der Spanier bei Aston Villa unter Vertrag.
Wird es am Ende ein Bayern-Schreck? Der Name Unai Emery hält sich verdächtig lange an der Säbener Straße. 2022 kickte er mit Villareal die Bayern in der CL raus. Aktuell ist der Spanier bei Aston Villa unter Vertrag. © IMAGO/Ibrahim Ezzat
Seit seinem Intermezzo bei Tottenham (November 2021 bis März 2023) ist Antonio Conte ohne Job. Zuvor hatte der Süditaliener Inter Mailand, den FC Chelsea und – ziemlich erfolgreich – Juventus Turin gecoacht. Mit „Juve“ holte er zwischen 2012 und 2014 dreimal den Scudetto, auch mit Internazionale (2021) wurde Conte Italienischer Meister.
Seit seinem Intermezzo bei Tottenham (November 2021 bis März 2023) ist Antonio Conte ohne Job. Zuvor hatte der Süditaliener Inter Mailand, den FC Chelsea und – ziemlich erfolgreich – Juventus Turin gecoacht. Mit „Juve“ holte er zwischen 2012 und 2014 dreimal den Scudetto, auch mit Internazionale (2021) wurde Conte Italienischer Meister. Die italienische Zeitung Repubblica berichtete, Conte stehe ganz oben auf der Bayern-Kandidateniste. © Imago
Roger Schmidt und Christoph kennen sich aus gemeinsamen Salzburg-Zeiten und wird immer wieder mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Aktuell steht der Coach bei Benfica Lissabon unter Vertrag und soll eine Ausstiegsklausel über 30 Millionen Euro haben.
Roger Schmidt und Christoph kennen sich aus gemeinsamen Salzburg-Zeiten und wird immer wieder mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Aktuell steht der Coach bei Benfica Lissabon unter Vertrag und soll eine Ausstiegsklausel über 30 Millionen Euro haben. © IMAGO/Norbert Scanella
Hansi Flick war bereits von November 2019 bis Juni 2021 Trainer beim FC Bayern. Wie die Sport Bild berichtet, beschäftigen sich die Bayern-Bosse mit einer möglichen Rückholaktion des Ex-Coachs. In der Saison 2019/20 hatte der Badener mit den Münchnern die Champions League, die Meisterschaft und den DFB-Pokal sowie den nationalen als auch den internationalen Supercup gewonnen. Im September 2023 wurde Flick als Bundestrainer entlassen.
Hansi Flick war bereits von November 2019 bis Juni 2021 Trainer beim FC Bayern. Wie die Sport Bild berichtete, beschäftigen sich die Bayern-Bosse mit einer möglichen Rückholaktion des Ex-Coachs. In der Saison 2019/20 hatte der Badener mit den Münchnern die Champions League, die Meisterschaft und den DFB-Pokal sowie den nationalen als auch den internationalen Supercup gewonnen. Im September 2023 wurde Flick als Bundestrainer entlassen. © Gladys Chai von der Laage/Imago
José Mourinho soll sich laut Bild für den Trainerjob beim FC Bayern interessieren. Der portugiesische Star-Trainer soll bereits Deutsch lernen. Mit dem FC Porto (2004) und Inter Mailand (2010) gewann Mourinho die Champions League. Mit Porto siegte er zudem im Uefa-Cup (2003), mit Manchester United 2017 im Nachfolge-Wettbewerb, der Europa League (2017). Mit dem FC Chelsea wurde Mourinho dreimal Englischer Meister (2005, 2006, 2015), mit Inter holte er zweimal den Scudetto (2009, 2010) und mit Real Madrid die spanische Meisterschaft 2012.
José Mourinho soll sich laut Bild für den Trainerjob beim FC Bayern interessieren. Der portugiesische Star-Trainer soll bereits Deutsch lernen. Mit dem FC Porto (2004) und Inter Mailand (2010) gewann Mourinho die Champions League. Mit Porto siegte er zudem im Uefa-Cup (2003), mit Manchester United 2017 im Nachfolge-Wettbewerb, der Europa League (2017). Mit dem FC Chelsea wurde Mourinho dreimal Englischer Meister (2005, 2006, 2015), mit Inter holte er zweimal den Scudetto (2009, 2010) und mit Real Madrid die spanische Meisterschaft 2012. © Nicola Ianuale/Imago
Joachim Löw ist schon seit Sommer 2021 ohne Job. Zwar wurde er zwischenzeitlich mit mehreren Top-Klubs in Verbindung gebracht, bislang entschied sich der 64-jährige Badener aber nicht für ein Engagement. In der Münchner Allianz Arena wird der langjährige Bundestrainer (2006 bis 2021) dagegen immer wieder gesichtet. Ein Indiz?
Joachim Löw ist schon seit Sommer 2021 ohne Job. Zwar wurde er zwischenzeitlich mit mehreren Top-Klubs in Verbindung gebracht, bislang entschied sich der 64-jährige Badener aber nicht für ein Engagement. In der Münchner Allianz Arena wird der langjährige Bundestrainer (2006 bis 2021) dagegen immer wieder gesichtet. Ein Indiz? © Bernd Feil/M.i.S./Imago

Tuchels Kader-Unzufriedenheit

Gegen Ende des Zusammentreffens mit der Presse macht Tuchel schließlich noch einmal seinem Verdruss hinsichtlich der Kaderzusammenstellung Luft: „Wir hatten in der ganzen Saison noch nicht einmal die Situation, dass Spieler um ihren Platz kämpfen mussten, weil sie wissen, die Position ist doppelt besetzt. Weil sie wissen, ich muss liefern.“

Ferner ergänzt der scheidende FCB-Trainer, der sich vor Saisonbeginn unter anderem einen Neuzugang auf der sogenannten „Holding Six“-Position gewünscht hätte: „Es ist bei uns so, dass jeder, der ins Training kommt, beim Spiel im Kader ist. Das ist nicht förderlich für das, was uns allen fehlt: der Biss, die Energie auf dem Platz. Das ist mit Sicherheit ein großer Baustein in der aktuellen Situation.“ So bleibt der Eindruck: Tuchel vernimmt bei den Bayern viele und tieferliegende Probleme als lediglich die Debatte um seine eigene Person. Komplett falsch mag er damit nicht liegen, nichtsdestotrotz weist die Beziehung zwischen Trainer Thomas Tuchel und dem deutschen Rekordmeister bis heute eine Reihe an Missverständnissen auf. (chnnn)

Rubriklistenbild: © Bernd Feil/M.i.S.