„Vorlesemonitor 2024“

Noch immer wird Kindern zu wenig vorgelesen: Können Apps das Defizit ausgleichen?

  • Anne Hund
    VonAnne Hund
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Vom Vorlesen können Kinder in vielerlei Hinsicht profitieren. Doch wie steht es mit dem Vorleseverhalten in den Familien?

Vom Vorlesen können Kinder in vielerlei Hinsicht profitieren. Das Vorlesen kann die Entwicklung der Kleinen fördern, insbesondere die Sprachentwicklung. Es kann die Kreativität anregen und den Wortschatz vergrößern. Einen wichtigen Part übernehmen dabei die Eltern. Welchen Stellenwert hat das Vorlesen innerhalb der Familie?

Stiftung Lesen: Knapp jedem fünften Kind wird nie vorgelesen

Vorlesen kann die Kreativität anregen und zum Beispiel dabei helfen, den Wortschatz von Kindern zu vergrößern. (Symbolbild)

Kleinen Kindern wird wieder etwas mehr vorgelesen – und doch ist das Gesamtergebnis einer Studie der Stiftung Lesen alarmierend, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) anlässlich des am 8. Oktober veröffentlichten „Vorlesemonitor 2024“ berichtete: Bundesweit schmökert demnach rund ein Drittel der Eltern nie oder nur selten gemeinsam mit ihren ein- bis achtjährigen Kindern. 18 Prozent gaben an, ihren Kindern nie etwas vorzulesen. Als Gründe, die am Vorlesen hindern, nannten die Eltern in der Studie neben Stress und fehlender Zeit im Alltag, dass ihre Kinder nicht vorgelesen bekommen wollen, zu unruhig sind oder sich lieber mit anderen Dingen beschäftigen.

Vorlesen „wichtig für die Entwicklung der Kinder“

„Vorlesen ist aber nicht nur ‚nice to have‘, sondern wichtig für die Entwicklung der Kinder“, erklärte Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, anlässlich der Präsentation des „Vorlesemonitors“ in Mainz laut dpa. „Wenn Kindern regelmäßig vorgelesen wird, haben sie bessere Bildungschancen.“

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„Vorlesemonitor 2024“: Für die Studie wurden mehr als 800 Eltern befragt

Für die repräsentative Studie waren 815 Eltern von ein- bis achtjährigen Kindern von Mitte Mai bis Mitte Juni zu ihrem Vorleseverhalten befragt worden, wie dpa berichtete: Danach sind vor allem die ganz Kleinen und die Kinder beim Schuleintritt davon betroffen, dass ihnen zu Hause kaum vorgelesen wird. Nicht nur die erste, frühe Phase, sondern gerade auch die zweite Phase sei jedoch äußerst wichtig, um für den Start in der Schule die Grundlagen zu schaffen und die Lesemotivation im Grundschulalter zu erhalten und zu fördern, betonte Ehmig dem Bericht zufolge.

Insgesamt greifen Eltern wieder häufiger zum Kinderbuch als noch während der Corona-Pandemie, als das Niveau zurückging, wie dpa zu den weiteren Ergebnissen berichtete. So lesen 2024 den Angaben zufolge 67,7 Prozent der Eltern ihren Kindern mindestens „mehrmals pro Woche“ vor, 2022 etwa waren es nur 61,3 Prozent.

Was Kinder unselbstständig macht: Sieben Angewohnheiten der Eltern bremsen ihren Nachwuchs aus

Junge klettert auf dem Spielplatz und Vater kommt zu Hilfe
Mit dem Kind auf den Spielplatz gehen, wo es sich richtig schön austoben kann. Wenn dann auch noch ein tolles Klettergerüst dabei ist, noch besser. Doch für manche Eltern ist es schwer, beim Klettern ihres Kindes ruhig zu bleiben, denn es könnte ja etwas passieren, das Kind könnte herunterfallen. Natürlich ist die Fürsorge der Eltern für das Kind wichtig und unerlässlich, doch in Situationen wie diesen sollten Sie versuchen, Ihrem Kind seinen Freiraum zu lassen, ohne es zu ermahnen oder gleich zu verbieten. So kann sich das Kind ausprobieren und entdecken, was für die persönliche Entwicklung wichtig ist. Das Schönste daran: Kinder sind dann häufig so stolz auf sich selbst, wenn es ihnen gelungen ist, ohne Hilfe hochzuklettern. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter und Vater kochen in der Küche, Sohn schaut zu
Aus Angst, es könnte sich beim Schnippeln verletzen oder es „nicht richtig“ machen, lassen Eltern dann lieber ihr Kind außen vor, anstatt es beim Kochen helfen zu lassen. Dabei ist es klug, den Nachwuchs in jungen Jahren ans Essen zubereiten heranzuführen und es wie selbstverständlich einzubinden. Zwar sollte man dann mehr Zeit einplanen, doch je früher ein Kind sich ausprobieren kann, desto eher lernt es, wird selbstständiger und ist gut vorbereitet fürs spätere Leben. (Symbolbild) © Philippe Degroote/Imago
Geschwister-Kinder streiten sich vor Mutter
Kinder, die einen Konflikt haben und sich streiten, sollten dies auch mal tun können, ohne dass die Eltern oder Erwachsene sich umgehend einschalten. In vielen Fällen löst sich die Schwierigkeit tatsächlich von alleine und von außen ist keine Hilfe vonnöten. Für die Entwicklung von Kindern ist es sinnvoll, eine gewisse Streitkultur zu erleben, sei es mit den Geschwisterkindern, mit dem Kind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz. Und dann auch zu erfahren, wie es ist und sich anfühlt, wenn der Streit selbst gelöst werden konnte, ganz ohne die Eltern. (Symbolbild) © Angel Santamaria/Imago
Vater bindet Sohn die Schuhe
Häufig muss es in der Früh auf dem Weg in den Kindergarten oder die Schule schnell gehen. Weil Kinder noch kein richtiges Zeitgefühl haben, ist es für sie nicht so einfach, rechtzeitig fertig zu sein. Dann nimmt Mama oder Papa durchaus mal dem Sprössling das Schuhe-Anziehen ab. Einfach mal versuchen, ca. zehn Minuten eher aufzustehen und mehr Zeit in der Früh einzuplanen, sodass Ihr Kind sich im Anziehen der Kleidung und Schuhe selbst probieren kann – nur so lernt es selbstständig zu werden. (Symbolbild) © Wavebreak Media LTD/Imago
Junge bekommt Zähne von Mutter geputzt.
Beim Thema Zähneputzen möchten so manche Eltern auch lieber auf Nummer Sicher gehen und es ihrem Kind abnehmen. Schlechtes oder zu wenig Zähneputzen birgt schließlich Kariesgefahr. Doch für die Selbstständigkeit des Kindes ist es wichtig, dass es sich mit der Zahnbürste auch so früh wie möglich selbst versucht. Die Eltern können es zuvor ausgiebig zeigen und bei Bedarf helfen, indem sie noch etwas nachputzen. (Symbolbild) © Kryzhov/Imago
Mutter räumt im Kinderzimmer auf
Aufräumen ist in den meisten Familien kein leichtes Unterfangen. Das übernehmen dann nicht selten die Eltern. Dabei gilt auch hier: Je früher Sie Ihr Kind einbinden – am besten bereits im Kleinkindalter –, desto eher und selbstverständlicher wird es damit umgehen. Was nicht heißt, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen Ihr Kind nicht aufräumen möchte – schon gar nicht die geliebten Bauklötze im eigenen Zimmer. Wichtig ist auch hier, das Kind immer wieder anzusprechen, freundlich aufzufordern, einzubinden, durchaus auch spielerisch, mit Musik, und dem Kind auch zu erklären, warum Aufräumen und Ordnung wichtig sind. So wird Ihr Kind später besser und selbstständig an die Sache herangehen. (Symbolbild) © Westend61/Imago
Mutter und Kind packen Schulranzen
Beim Schulranzen packen oder Hausaufgaben machen helfen Eltern in der Regel auch gerne – oder sie erledigen es komplett für Ihr Kind. Um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, ist es zwar wichtig, Ihr Kind mit den Hausaufgaben zu unterstützen und bei Fragen und Nöten da zu sein. Doch wenn Eltern die Aufgaben selbst lösen, ist dem Kind nicht wirklich geholfen. Für einen Lerneffekt muss es eingebunden werden oder es selbst probieren dürfen. Das Schuldranzen-Packen ist für die persönliche Entwicklung und das „Großwerden“ auch ein wichtiges Ritual – es kann ebenfalls gemeinsam mit Hilfe der Eltern erfolgen, das gibt Ihrem Kind Sicherheit. Mit Musik dazu macht es sogar noch mehr Spaß. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago

Kinderbücher oder Vorleseapps

Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen weniger vor als der Durchschnitt aller Eltern, wie es in der Mitteilung zum „Vorlesemonitor 2024“ unter anderem heißt – „Anlässe gäbe es aber genug“. Die Befragung zeige, „dass Familien, in denen nicht vorgelesen wird, oft nur wenige Kinderbücher besitzen“.

29 Prozent der befragten Eltern gaben den Angaben zufolge an, weniger als zehn Kinderbücher im Haushalt zu haben. „In fast jedem Haushalt gibt es aber Smartphones oder Tablets – und die werden von 43 Prozent der Eltern bereits für Kinderapps genutzt. Vor allem zum Spielen oder zum selbstständigen Lernerwerb, aber immerhin von einem Viertel bereits auch zum Vorlesen“, heißt es zudem in der Mitteilung. Initiiert wird der „Vorlesemonitor“ von der Stiftung Lesen, der Deutsche Bahn Stiftung und der Wochenzeitung Die Zeit.

Tobias Geiger, Vorsitzender Geschäftsführer der Deutsche Bahn Stiftung, erklärte laut der Mitteilung: „Kinder lernen, dass man das Smartphone für ganz unterschiedliche Zwecke nutzen kann: zum Kommunizieren, Videos schauen oder eben auch zum Lesen spannender Geschichten. Denn Vorlesen kann überall passieren und das Handy haben die meisten Menschen immer griffbereit.“

Bundesweiter Vorlesetag am 15. November

Am 15. November ist bundesweiter Vorlesetag – dies sei „die perfekte Gelegenheit, um in ein Vorleseengagement zu starten und das Bild des Vorlesens entscheidend mitzuprägen“, heißt es weiter in der Mitteilung. (Mit Material der dpa)

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