Schnelle Reaktion schadet
Arbeitsvertrag: Mit einer vorschnellen Job-Zusage schaden Sie Ihrer Karriere
VonCarina Blumenrothschließen
Sie haben ein Vorstellungsgespräch und könnten die Stelle antreten – eigentlich haben Sie Zweifel, nehmen aber trotzdem an. Das kann der Karriere schaden.
Manchmal kann die Jobsuche zermürbend sein – auf der einen Seite stehen Ihre Wünsche und Vorstellungen an einen Traumjob, auf der anderen Seite haben Sie das aktuelle Weltgeschehen und die hohen Preise für Energie und Lebensmittel im Kopf. Da kann es sein, dass Sie bei der erstbesten Jobzusage den Vertrag unterschreiben. Das kann eine Form von „Blind Signing“ (dt. blindes Unterschreiben) sein, was das genau ist, erfahren Sie im Folgenden. Das kann den Unternehmen und Ihrer Karriere schaden.
Job-Zusage: Wenn Sie den Vertrag zu schnell unterschreiben, kann das Ihrer Karriere schaden
Sie haben die Unterschrift unter Ihren Arbeitsvertrag gesetzt, obwohl Sie nicht hundertprozentig von der Stelle überzeugt sind? Dieses Phänomen nennt der Karriere-Coach Dr. Bernd Slaghuis auf der eigenen Webseite „Blind Signing“ – jede zweite Person, die bei ihm Unterstützung sucht, solle davon betroffen sein. Bei einigen seien die Aufgaben anders als abgesprochen oder der Druck sei zu hoch. Einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kündigten nach der Probezeit, andere hielten länger durch. Dass der Job und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zusammenpassen, ist kein komplett neues Problem. Eine Studie zur Arbeitszufriedenheit von der Personalvermittlung Avantgarde Experts hat ergeben, dass jeder Fünfte den Job wechseln will, weil Job und Person nicht zusammenpassen.
Blind Signing: Ohne ausreichende Informationen werden Verträge geschlossen
Die Konsequenzen von einem schnellen Vertragsabschluss sind sowohl für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für Unternehmen nicht zu verachten. Geld- und Zeitverlust auf der Seite der Unternehmen, auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist dann ein kurzes Arbeitsverhältnis im Lebenslauf, welches sie erklären müssen. Meist resultiert ein schneller Vertragsabschluss daraus, dass vorab nicht ausreichende Informationen getauscht wurden und so wissen beide Seiten nicht genau, was sie erwartet. Slaghuis teilt auf der eigenen Webseite eine typische Aussage von Klientinnen und Klienten, eine von denen ist folgende: „Es gab nur ein Online-Bewerbungsgespräch und dann haben sie mir den Vertrag geschickt“. In diesem Fall könne der Bewerbungsprozess zu kurz gewesen sein, vermutet Slaghuis. Bei manchen Unternehmen reiche man beispielsweise für die Bewerbung nur einen Lebenslauf ein oder es reiche das Online-Profil bei den Netzwerken Xing oder LinkedIn. Slaghuis schreibt: „Es ist gut, dass Bewerben niedrigschwelliger wird und von der Angst vor der harten Prüfung etwas verliert. Doch dies darf nicht dazu führen, dass Jobwechsler und auch Arbeitgeber zu unüberlegt, vorschnell oder oberflächlich ihre Entscheidung über einen Arbeitsvertrag treffen.“
Mögliche Gründe für Blind Signing: Angst vor Lücke im Lebenslauf
Personalerinnen und Personaler wollten für ihre Unternehmen schnell einen Vertragsabschluss erzielen, damit die Stelle schnell besetzt sei, das könnte im Rahmen des Fachkräftemangels der Fall sein. Gleichzeitig seien Bewerberinnen und Bewerber zu panisch, kritisiert Slaghuis auf der eigenen Webseite. Einige hätten Angst vor einer Lücke im Lebenslauf oder fänden den Bewerbungsprozess mit der Durchforstung von Stellenanzeigen oder dem Ghosting nach einer Bewerbung zermürbend. Das könne Slaghuis verstehen, aber das dürfe nicht dazu führen, dass blind Verträge unterschrieben werden.
Ebenfalls könnten mögliche Gegensätze die Situation für einzelne auf dem Arbeitsmarkt verschärfen, wie Philipp Riedel, CEO von Avantgarde Experts im Interview mit IPPEN.MEDIA sagt. „Wir haben Krise, aber Vollbeschäftigung. Wir haben Fachkräftemangel und eine wahnsinnige demografische Entwicklung. Es verändert sich total viel, aber auf der anderen Seite gibt es trotzdem ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Auf der einen Seite wollen Arbeitnehmer:innen viel Geld verdienen, was auch gute Gründe hat. Auf der anderen Seite ist eine hohe Sicherheit gewollt. Das sind alles Dinge, die gab es in der Vergangenheit in der Härte nicht“, beschreibt Riedel die Situation.
Oberflächliche Gespräche begünstigen Blind Signing
In Bewerbungsgesprächen würde zwar der Lebenslauf von Bewerberinnen und Bewerbern abgefragt und thematisiert, was fehlen würde, seien aber gemeinsame Ziele und wie die Zukunft in dem Unternehmen aussehen sollen. Ebenfalls seien bei manchen die Aufgaben schwammig formuliert und den Bewerberinnen und Bewerbern selbst nach einigen Gesprächen noch nicht klar, sagt Slaghuis. Eine Frage könne helfen: „Woran werden Sie in sechs Monaten festmachen, dass ich hier einen guten Job mache?“ Damit thematisieren Sie, wie Slaghuis beschreibt, direkt die Erwartungshaltung.
Tipps um Blind Signing zu vermeiden
| Bewerber/in | Arbeitgeber/in |
|---|---|
| Selbstreflexion: Was ist Ihnen wichtig? | Reflexion: Welche Arbeitnehmer/in suche sich? |
| Aufgaben genau abklären | Blick über den Lebenslauf hinaus |
| Fragen stellen (Ziele, Erwartungen) | Tranzparenz schaffen (Aufgaben, Erwartungen) |
| Führungskultur kennenlernen | Team in Bewerbungsprozess integrieren |
Quelle: Bernd Slaghuis, LinkedIn
Reaktionen von LinkedIn-Nutzern zu Blind Signing
- Nutzer: „Menschen nehmen sich teilweise mehr Zeit für die Urlaubsplanung als sich über ihren Berufsweg Gedanken zu machen.“
- Nutzer: „Viele Arbeitgeber wissen überhaupt nicht, was in dem Job gefordert wird. Bei einem habe ich konkret nach der Office Version gefragt (für den IT-Support – Job) und welche Add-ins verwenden werden: Antwort von der Firma: ‚Keine Ahnung, ich glaube MS Office 2013‘.“
- Nutzerin: „Ich glaube, das passiert vor allem in Zeiten wie diesen, die sich sehr unsicher anfühlen, besonders häufig.“
- Nutzer: „Ich wundere mich darüber nicht. Denn ich kann nicht in die Köpfe der Personaler und Arbeitskraftnachfrager schauen. Auf jede Frage, jeden Wunsch kommt eine passende Antwort. Alles ist immer Friede, Freude, Eierkuchen.“
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