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Grenzen setzen: 4 Gründe, warum Kinder nicht auf „Nein“ hören
VonJasmina Deshmehschließen
Um das Wort „Nein“ kommen Eltern im Alltag kaum herum. Oft dringen sie damit aber nicht zu ihrem Kind durch. Was die Gründe sein können.
Das Kind rennt Richtung Straße, bemalt die Wand mit Filzstiften oder fordert schon das dritte Eis am Tag: Eltern sind ständig damit beschäftigt, Grenzen zu setzen. Und das ist auch gut so, denn Kinder brauchen Grenzen. Dabei geht es nicht darum, pauschal Dinge zu verbieten. Sondern das Kind zu schützen, die eigenen Grenzen zu wahren („Nein, ich möchte keine bemalte Wohnzimmerwand“) und auch darum, dem Kind Halt und Orientierung zu bieten. Ein Wort, das dabei schon fast inflationär zum Einsatz kommt, ist „Nein“. Leider stoßen Eltern damit oft auf taube Ohren – und das kann ganz schön frustrierend sein. Woran das liegen kann und welche Alternativen es gibt.
Das Kind ist zu sehr ins Spiel vertieft
Eine Möglichkeit, warum Kinder nicht auf „Nein“ reagieren ist, dass sie einfach nicht zuhören. Manchmal sind Kinder so ins Spiel vertieft, dass sie Dinge um sich herum nicht wahrnehmen. Oder sie fühlen sich durch die Ansprache gestört und wollen nicht unterbrochen werden. Dann steckt keine böse Absicht dahinter. Eltern sollten versuchen, möglichst ruhig und klar zu bleiben und erstmal eine Verbindung zum Kind aufzubauen. Eine Möglichkeit ist, sich auf Augenhöhe zu begeben und das Kind erneut anzusprechen.
Das Wort „Nein“ kommt zu oft zum Einsatz
Wird „Nein“ zu häufig genutzt, verliert es seine Wirkung. Kinder nehmen die Reaktion der Eltern dann möglicherweise nicht mehr ernst. Und auch für Eltern kann es frustrierend sein, ständig „Nein“ zu sagen und damit nicht durchzudringen. Bei Kindern kann außerdem das Gefühl entstehen, dass ständig alles verboten wird.
Mit etwas Übung lässt sich „Nein“ oft umgehen:
- Alternativen bieten: Statt einfach nur „Nein“ zu sagen, können Eltern etwas anderes anbieten: „Wir können nicht noch ein Eis essen, aber wie wäre es, wenn wir dafür nochmal auf den Spielplatz gehen?“
- Ablenken: Kleine Kinder lassen sich schnell begeistern. Zudem geht von verbotenen Dingen oft ein besonderer Reiz aus. Statt „Nein“ zu sagen können Eltern versuchen, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken – „Hast du die vielen Vögel am Himmel gesehen?“
- Erklären: Größeren Kindern fällt es leichter, ein „Nein“ zu akzeptieren, wenn sie die Hintergründe verstehen. Bedeutet: Nicht einfach ein Verbot aussprechen, sondern erläutern, warum etwas gefährlich ist oder dass es traurig ist, wenn die schöne Vase gleich auf den Boden fällt und zerspringt.
- Einen Deal eingehen: Das Kind möchte etwas Süßes, hat aber noch nicht zu Mittag gegessen? „Du kannst ein Eis haben, aber erst essen wir von noch etwas von den Nudeln.“
- Entspannt bleiben: Manchmal setzen Eltern Grenzen, ohne groß darüber nachzudenken. Ist es wirklich so schlimm, wenn das Kind jetzt in die Pfütze springt? Oder wenn es mit dem Essen spielt, solange das Essen auf dem Teller bleibt?
- Eine Forderung positiv formulieren: Zum Beispiel statt „Renne nicht auf die Straße“ besser „Komm bitte zu mir“.
Eltern kündigen Konsequenzen an, die aber nie eintreten
Wenn das Kind nicht reagiert, sprechen Eltern häufig Konsequenzen aus, um der Forderung einen gewissen Nachdruck zu verleihen. Etwa „Nein, wir können nicht mehr auf dem Spielplatz bleiben. Und wenn du jetzt nicht kommst, dann gehe ich alleine“. Abgesehen davon, dass diese Aussage dem Kind Angst machen kann, ist sie auch nicht sinnvoll. Schließlich haben Eltern die Aufsichtspflicht für ihr Kind. Entsprechend werden die Drohungen meist nicht umgesetzt, was das Kind schnell durchschaut.
Statt mit Wenn-Dann-Sätzen ihre Macht zu demonstrieren, sollten Eltern laut der Erziehungsexpertin und Bestsellerautorin Nora Imlau ein einziges Wort verwenden: Ein freundliches, bestimmtes „Stopp“. Und Zusammenhänge herstellen, damit das Kind versteht, warum es beispielsweise jetzt nötig ist, zu gehen.
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Manchmal stecken andere Bedürfnisse dahinter
Wenn Kinder nicht auf ihre Eltern reagieren, können auch andere Bedürfnisse dahinterstecken. Etwa das Bedürfnis nach Nähe und Aufmerksamkeit. Vor allem kleine Kinder haben noch kein Empathievermögen, sie können keinen Perspektivwechsel vornehmen und sich in die Lage der Eltern hinein versetzen. Deshalb verstehen sie auch nicht, dass es Eltern wütend macht, wenn sie nicht auf sie hören.
Zudem haben Kinder ein ausgeprägtes Autonomiebedürfnis. Das kann auch bedeuten, dass sie selbst entscheiden wollen, wann Schluss ist. Was natürlich nicht bedeutet, dass Eltern sie alles bestimmen lassen sollten. Es kann aber helfen, etwas anzukündigen: „Du kannst noch einmal rutschen und dann gehen wir“. Meist hilft es auch, wenn sich Kinder mit ihren Bedürfnissen gesehen fühlen: „Du möchtest noch bleiben, weil es dir gerade so viel Spaß macht. Das verstehe ich. Du kannst noch zweimal rutschen und dann gehen wir.“ Oder: „Du möchtest die Wand anmalen, weil es dir Spaß macht. Ich möchte aber trotzdem nicht, dass du das machst. Du kannst dir stattdessen ein Papier nehmen.“
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