Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung

ADHS bei Erwachsenen: Redeschwall, Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit sind Symptome

  • Natalie Hull-Deichsel
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Viele Betroffene wissen nicht, dass sie mit dieser neurobiologischen Erkrankung leben – die Symptome sind in den meisten Fällen unspezifisch.

Bei ADHS oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung denkt man erst einmal an eine Erkrankung, die nur Kinder und Jugendliche betrifft. Letztlich sind es rund fünf Prozent aller Erwachsenen in Deutschland, bei denen eine Aufmerksamkeitsdifizit-Hyperaktivitätsstörung erkannt wird. Die Dunkelziffer ist vermutlich viel höher.

ADHS bei Erwachsenen: In vielen Fällen spät oder gar nicht diagnostiziert

Eines der unspezifischen Symptome bei Erwachsenen mit ADHS kann viel reden und andere in ihrem Redefluss unterbrechen sein.

ADHS ist demnach keine „Kinderkrankheit“ – sondern eine neurologische Erkrankung des menschlichen Gehirns, die zwar im Kindesalter beginnt, jedoch mit ihren komplexen Symptomen bis ins höhere Erwachsenenalter anhalten kann. Was für Betroffene bitter ist: in vielen Fällen wird ADHS spät oder gar nicht diagnostiziert. Bei Kindern zeigen sich häufig die für ADHS-typischen Symptome wie innere Unruhe und Bewegungsdrang – in jeder fünften Familie gibt es einen „Zappelphilipp“. Wie stark und in welcher Form die Symptome bei den Betroffenen ausgeprägt sind, ist von Kind zu Kind beziehungsweise von Erwachsenem zu Erwachsenem unterschiedlich.

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Was Kinder unselbstständig macht: Sieben Angewohnheiten der Eltern bremsen ihren Nachwuchs aus

Junge klettert auf dem Spielplatz und Vater kommt zu Hilfe
Mit dem Kind auf den Spielplatz gehen, wo es sich richtig schön austoben kann. Wenn dann auch noch ein tolles Klettergerüst dabei ist, noch besser. Doch für manche Eltern ist es schwer, beim Klettern ihres Kindes ruhig zu bleiben, denn es könnte ja etwas passieren, das Kind könnte herunterfallen. Natürlich ist die Fürsorge der Eltern für das Kind wichtig und unerlässlich, doch in Situationen wie diesen sollten Sie versuchen, Ihrem Kind seinen Freiraum zu lassen, ohne es zu ermahnen oder gleich zu verbieten. So kann sich das Kind ausprobieren und entdecken, was für die persönliche Entwicklung wichtig ist. Das Schönste daran: Kinder sind dann häufig so stolz auf sich selbst, wenn es ihnen gelungen ist, ohne Hilfe hochzuklettern. (Symbolbild) © Mareen Fischinger/Imago
Mutter und Vater kochen in der Küche, Sohn schaut zu
Aus Angst, es könnte sich beim Schnippeln verletzen oder es „nicht richtig“ machen, lassen Eltern dann lieber ihr Kind außen vor, anstatt es beim Kochen helfen zu lassen. Dabei ist es klug, den Nachwuchs in jungen Jahren ans Essen zubereiten heranzuführen und es wie selbstverständlich einzubinden. Zwar sollte man dann mehr Zeit einplanen, doch je früher ein Kind sich ausprobieren kann, desto eher lernt es, wird selbstständiger und ist gut vorbereitet fürs spätere Leben. (Symbolbild) © Philippe Degroote/Imago
Geschwister-Kinder streiten sich vor Mutter
Kinder, die einen Konflikt haben und sich streiten, sollten dies auch mal tun können, ohne dass die Eltern oder Erwachsene sich umgehend einschalten. In vielen Fällen löst sich die Schwierigkeit tatsächlich von alleine und von außen ist keine Hilfe vonnöten. Für die Entwicklung von Kindern ist es sinnvoll, eine gewisse Streitkultur zu erleben, sei es mit den Geschwisterkindern, mit dem Kind im Kindergarten oder auf dem Spielplatz. Und dann auch zu erfahren, wie es ist und sich anfühlt, wenn der Streit selbst gelöst werden konnte, ganz ohne die Eltern. (Symbolbild) © Angel Santamaria/Imago
Vater bindet Sohn die Schuhe
Häufig muss es in der Früh auf dem Weg in den Kindergarten oder die Schule schnell gehen. Weil Kinder noch kein richtiges Zeitgefühl haben, ist es für sie nicht so einfach, rechtzeitig fertig zu sein. Dann nimmt Mama oder Papa durchaus mal dem Sprössling das Schuhe-Anziehen ab. Einfach mal versuchen, ca. zehn Minuten eher aufzustehen und mehr Zeit in der Früh einzuplanen, sodass Ihr Kind sich im Anziehen der Kleidung und Schuhe selbst probieren kann – nur so lernt es selbstständig zu werden. (Symbolbild) © Wavebreak Media LTD/Imago
Junge bekommt Zähne von Mutter geputzt.
Beim Thema Zähneputzen möchten so manche Eltern auch lieber auf Nummer Sicher gehen und es ihrem Kind abnehmen. Schlechtes oder zu wenig Zähneputzen birgt schließlich Kariesgefahr. Doch für die Selbstständigkeit des Kindes ist es wichtig, dass es sich mit der Zahnbürste auch so früh wie möglich selbst versucht. Die Eltern können es zuvor ausgiebig zeigen und bei Bedarf helfen, indem sie noch etwas nachputzen. (Symbolbild) © Kryzhov/Imago
Mutter räumt im Kinderzimmer auf
Aufräumen ist in den meisten Familien kein leichtes Unterfangen. Das übernehmen dann nicht selten die Eltern. Dabei gilt auch hier: Je früher Sie Ihr Kind einbinden – am besten bereits im Kleinkindalter –, desto eher und selbstverständlicher wird es damit umgehen. Was nicht heißt, dass es immer wieder Phasen gibt, in denen Ihr Kind nicht aufräumen möchte – schon gar nicht die geliebten Bauklötze im eigenen Zimmer. Wichtig ist auch hier, das Kind immer wieder anzusprechen, freundlich aufzufordern, einzubinden, durchaus auch spielerisch, mit Musik, und dem Kind auch zu erklären, warum Aufräumen und Ordnung wichtig sind. So wird Ihr Kind später besser und selbstständig an die Sache herangehen. (Symbolbild) © Westend61/Imago
Mutter und Kind packen Schulranzen
Beim Schulranzen packen oder Hausaufgaben machen helfen Eltern in der Regel auch gerne – oder sie erledigen es komplett für Ihr Kind. Um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, ist es zwar wichtig, Ihr Kind mit den Hausaufgaben zu unterstützen und bei Fragen und Nöten da zu sein. Doch wenn Eltern die Aufgaben selbst lösen, ist dem Kind nicht wirklich geholfen. Für einen Lerneffekt muss es eingebunden werden oder es selbst probieren dürfen. Das Schuldranzen-Packen ist für die persönliche Entwicklung und das „Großwerden“ auch ein wichtiges Ritual – es kann ebenfalls gemeinsam mit Hilfe der Eltern erfolgen, das gibt Ihrem Kind Sicherheit. Mit Musik dazu macht es sogar noch mehr Spaß. (Symbolbild) © Monkey Business 2/Imago

Manche Erwachsene, die seit ihrer Kindheit nicht wissen, dass bei ihnen eine ADHS vorliegt, leben ihren Alltag ohne große Einschränkungen oder Schwierigkeiten. Andere wiederum tun sich aufgrund der zum Teil unspezifischen Symptome in verschiedenen Lebensbereichen des Alltags und Berufslebens sehr schwer, zurechtzukommen. Die Anzeichen einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen sind vielfältig und zum Teil für Laien und sogar Ärzte nicht eindeutig einzuordnen. Ein typisches Symptom, das Betroffene zeigen können: sogenannte „Time-Blindness“, durch das sie sozusagen „zeitblind“ leben.

ADHS bei Erwachsenen: Unspezifische Symptome wie Viel-Reden, Unzuverlässigkeit, Depressivität

„Bei Erwachsenen sind ADHS-Symptome deutlich vielfältiger und das Krankheitsbild ist dadurch schwerer zu erkennen. Die typischen Symptome Aufmerksamkeitsstörung, Impulsivität und Hyperaktivität sind auch im Erwachsenenalter vorhanden, aber anders ausgeprägt. Hinzu kommt, dass ein Teil der Betroffenen Folgeerkrankungen entwickelt hat – wie eine Drogen- oder Alkoholabhängigkeit –, welche die Ersterkrankung überdecken können“, zitiert das Informationsportal „Neurologen und Psychiater im Netz“ Prof. Dr. Alexandra Philipsen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. 

Die für ADHS im Kindesalter charakteristische Impulsivität zeigt sich bei Erwachsenen eher in Form von Ungeduld, unüberlegten Äußerungen oder spontanen Handlungen. Hyperaktivität äußert sich im Erwachsenenalter in Form von Nervosität, Angespanntheit und einer ausgeprägten, inneren Unruhe. Für Betroffene fühlt es sich meist so an, als wäre ständig „Turbo im Kopf“.

Weitere Symptome, die sich bei Menschen mit ADHS im Erwachsenenalter zeigen können, sind:

  • Unfähigkeit, zu fokussieren und sich zu strukturieren
  • Unvermögen, Prioritäten zu setzen
  • Sich schnell angegriffen fühlen
  • Redeschwall, andere unterbrechen
  • Schnell gelangweilt sein
  • Starke Stimmungsschwankungen sowie depressive Verstimmungen
  • Unausgewogene Ernährung und unregelmäßige Essensaufnahme
  • Unüberlegte Käufe
  • Unpünktlichkeit und Unachtsamkeit
  • Dinge verlieren oder vergessen
  • Unzuverlässigkeit

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.

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