Tabu-Thema

„Ich mag es nicht, Mutter zu sein“: Mama bereut es, Kind bekommen zu haben

  • Anna Heyers
    VonAnna Heyers
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Wer das Eltern-sein nicht liebt, traut sich nur selten, das zuzugeben. Aber fast 20 Prozent gaben genau dies in einer Umfrage zu. Oft ist das aber kein Dauerzustand.

Haben Sie schon einmal den Begriff „Regretting Motherhood“ gehört? Immer wieder kommt das Thema auf, wenn sich ein Elternteil, meistens sind es Mütter, dazu äußert, dass sie es bereuen würden, ein Kind bekommen zu haben. Für viele Menschen ist dies ein absolutes Tabu-Thema, und regelmäßig bekommen die Menschen, die sich so äußern, viel Gegenwind – besonders online.

Dabei heißt es noch lange nicht, dass man sein Kind nicht über alles liebt, nur weil man es bereut Mutter geworden zu sein. Aktuell schlägt das Thema international wieder Wellen, da sich eine junge Mutter in einem Mütterforum geäußert hat.

„Ich bereue es, sie bekommen zu haben“ – eine junge Mutter klagt ihr Leid

In dem Mütterforum Mumsnet schlägt aktuell ein Beitrag zum Thema Regretting Motherhood Wellen. Eine junge Mutter mit dem Nutzernamen @TheBerry schreibt hier: „Mein Baby ist zehn Monate alt. Ich liebe sie mehr als alles andere auf der Welt und mache mir ständig Sorgen, dass ihr etwas Schlimmes zustößt. Sie ist ein liebenswertes, aufgewecktes, glückliches, süßes und ziemlich unabhängiges Kind. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich es bereue, sie bekommen zu haben.“

Sie würde am liebsten zu ihrem alten Leben zurück: „Ich hatte ein ruhiges, friedliches, unaufregendes Leben, und das mag ich. Ich […] war immer glücklich, wenn ich allein war, von zu Hause aus arbeitete, abends Netflix schaute, die Natur genoss, ab und zu auswärts essen ging.“ Alles Dinge, die sie in dieser Form nun nicht mehr machen kann. @TheBerry schreibt auch ganz deutlich, dass sie „es nicht mag, Mutter zu sein“ und fragt die Community, ob es irgendwann besser werden, das Gefühl nachlassen würde.

Viel Verständnis für die junge Mutter

Im Forum selbst scheint es, natürlich neben einigen kritischen Stimmen (die u.a. eine Depression vermuten), vor allem Verständnis für die Mutter zu geben. Viele andere Eltern waren wohl in einer ähnlichen Lage und schreiben ganz ehrlich von ihren eigenen Erfahrungen. Es wird deutlich, dass scheinbar die ersten zwei bis drei Jahre mit einem Kind besonders anstrengend sein können. Man muss selbst auf vieles verzichten, das Kind benötigt extrem viel Aufmerksamkeit und Pläne zu machen ist schwer. Doch die Hoffnung ganz verlieren? Das müsse sie nicht. So schreibt zum Beispiel @LionMummyRoar: „Es wird definitiv besser. Verstehen Sie mich nicht falsch, ein langer Brunch mit Alkohol wird wohl eher der Vergangenheit angehören, aber man bekommt viel mehr von sich selbst zurück, wenn sie ins Schulalter kommen.“

Gerade mit einem Kleinkind empfinden viele Eltern das Leben als sehr anstrengend. Wird das Kind älter, geht vieles wieder leichter. (Symbolbild)

Regretting Motherhood – wenn man das Eltern-werden bereut

Dass Frauen Kinder bekommen (und sie erziehen), ist in der Gesellschaft fest verankert. So sehr, dass diejenigen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden, sich immer wieder verteidigen müssen. Sätze wie „warte nur, bis du den richtigen Partner findest“, „das kommt schon noch“, „wünschen sich deine Eltern keine Enkel?“, und andere Variationen sind bei dem Thema an der Tagesordnung.

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Laut einer YouGov-Umfrage gaben allerdings im Jahr 2016 ganze 20 Prozent aller befragten Eltern an, dass sie nicht noch einmal Eltern werden würden. Bei der Umfrage wurde auch einige Gründe dafür genannt, zum Beispiel:

  • Einschränkung der persönlichen Entfaltung
  • Fehlende Betreuungsmöglichkeiten
  • Karriere

Ganz wichtig zu wissen: Man ist in dieser Situation nicht alleine.

Die Ohrfeige war bis in die 80er verbreitet: Wie sich die Erziehung verändert hat

Schulklasse, die gemeinsam etwas erarbeitet.
Stillsitzen – das wurde früher noch regelmäßig in der Schule gefordert. Beim Kirchenbesuch oder den Großeltern lief es ähnlich ab. Hibbeln oder wippeln, immer etwas in den Händen zu haben war selten irgendwo gern gesehen. Heute ist das anders. Studien zeigen, dass Bewegung zwischendurch das Lernen unterstützt und auch insgesamt sind sich Experten einig: Mehr Bewegung, auch über die Schule hinaus, wäre wünschenswert. Das bedeutet aber nicht, dass Kinder in der Kirche oder einem feinen Restaurant umherrennen sollten – das wann und wo ist auch heute noch wichtig. (Symbolbild) © Wavebreak Media Ltd/Imago
Ein Kind balanciert auf einem Stamm am Meer.
Balancieren, auf einem Bein stehen, rückwärts gehen – bei Vorschuluntersuchungen fällt immer wieder auf, dass Fünfjährige immer öfter Probleme bei diesen Aufgaben haben. Besonders in größeren Städten sind bis zu 40 Prozent der Kinder motorisch etwas unterentwickelt. In der Grundschule selbst werden Seil- oder Stangenklettern im Sportunterricht seltener, weil immer weniger Kinder dies können. Aber das ist in der Regel kein Grund zur Besorgnis, denn in dem Alter kann viel aufgeholt werden. (Symbolbild) © Cavan Images/Imago
Ein Kind bindet seinen Schuh mit einer Schleife.
Wissen Sie noch, wie alt Sie waren, als Sie das Schleife binden lernten? Vor gut 20 Jahren wetteiferte man im Kindergarten darum, wer das noch vor der Einschulung fertigbringt. Heute kann sich gerade mal die Hälfte der Vier- bis Fünfjährigen ohne Hilfe anziehen, inklusive Schuhe binden. Einige Grundschulen haben darauf reagiert – und verbieten Schnürsenkel. Die Lehrenden haben einfach Besseres zu tun, als den ganzen Tag Schleifen an Kinderschuhen zu binden. (Symbolbild) © eyevisto/Imago
Ein Junge wäscht ab.
Wussten Sie, dass nur 23,5 Prozent der Haushalte 1983 Spülmaschinen besaßen? Heute sind es knapp 72 Prozent. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Kinder heute nicht mehr überall beim Abwasch helfen müssen. Auch beim Staubsaugen wird immer weniger Unterstützung gefordert, schließlich gibt es in immer mehr Familien Saugroboter. Trotzdem: Kinder können – und sollen – durchaus im Haushalt helfen. Das steht sogar im Gesetz (§ 1619 BGB). In welchem Maße bleibt natürlich den Eltern überlassen, aber häufig sind Hilfe beim Tischdecken/-abräumen oder das Einräumen der Spülmaschine üblich, auch für Kinder ab drei Jahren. (Symbolbild) © Valentina Barreto/Imago
Junge versteckt sich ängstlich unter einem Tisch.
Prügel, Schläge, Angst – früher war der Rohstock im Klassenzimmer weit verbreitet. In der DDR wurde er (und damit die Prügelstrafe) 1949 aus der Schule verbannt. Langsam folgte auch der Rest Deutschlands, in Teilen von Bayern wurde aber bis Anfang der 1980er Jahre immer noch auf diese Art durchgegriffen. Und erst seit 2000 gilt, laut Gesetz, endlich auch zu Hause: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ (§ 1631 BGB, Abs. 2) (Symbolbild) © Vasily Pindyurin/Imago
Ein Kind versteckt sich, es sind nur die Augen und die Mütze zu sehen.
„Gib‘ der Tante mal die Hand, Kind“ – der Spruch klingt nicht nur verstaubt, er ist es zum Glück auch. Da heute mehr auf die Kinder und ihre Bedürfnisse eingegangen wird, muss keiner mehr irgendwem die Hand oder ein Küsschen geben, wenn er oder sie das nicht möchte. Eine Wohltat, vor allem für schüchterne Sprösslinge. (Symbolbild) © Pawel Opaska/Imago
Junge allein im winterlichen Wald.
Mittagessen für die Geschwister machen, alleine zu Hause oder draußen sein: Viele Kinder mussten vor einigen Jahrzehnten diese Erfahrungen früh machen. Auch, wenn sie dafür vielleicht noch zu jung und von der Verantwortung überfordert waren. Heute haben Eltern mehr Zeit für ihre Kinder oder sorgen für entsprechende Betreuung und das Alleinsein kommt vergleichsweise spät. Das ist auf der einen Seite sehr löblich und gut, passierten doch früher auch oft Unfälle. Aber ein bisschen traurig ist es auf der anderen Seite auch, denn manchmal birgt ein kleiner Waldabschnitt viel mehr Möglichkeiten für Fantasie und Abenteuer als der moderne Spielplatz um die Ecke. (Symbolbild) © Frank van Delft/Imago

Wie die Online-Community reagiert

Der Mumsnet-Beitrag von @TheBerry wurde auch in Online-Artikeln von The Sun und New York Post behandelt und unter anderem auf Facebook geteilt. Hier eine Auswahl der weit über 1.000 Kommentare:

  • „Alle Mütter fühlen sich manchmal so … Diese Gefühle werden mit der Zeit aber immer seltener. Meine Kinder sind jetzt 8 und 6 und ich liebe diese Phase meines Lebens 🥰🥰“
  • „Es ist eine lebenslange Verpflichtung. Man muss finanziell und emotional darauf vorbereitet sein, ein Baby zu bekommen. Ich hoffe, sie findet eine Therapie, und zwar bald.“
  • „Ja, alle Mütter haben diese Momente irgendwann einmal erlebt. Sie werden es überstehen.“
  • „Kinderlos zu sein, ist für mich das beste Leben!“
  • „Das Gefühl kenne ich 😂😂“
  • „Mir gefällt, dass sie ehrlich zu sich selbst ist und dass die meisten Leute sie nicht verurteilen. Das ist der beste Weg nach vorne.“

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion leider nicht beantwortet werden.

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