Genauso schnell wie das Coupé

Maserati MC20 Cielo: Super-Sportwagen als Cabriolet – erste Ausfahrt im Himmelsstürmer

  • Rudolf Bögel
    VonRudolf Bögel
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Das schönste Cabriolet des Sommers. Wer den Maserati MC20 Cielo haben will, muss mehr als eine viertel Million Euro auf den Tisch blättern. Glücklich, wer so viel Geld hat.

Ein Hauch von Hellblau spannt sich spätsommerlich über den Himmel, in der Ferne funkelt das Meer tiefblau. So ist uns Italien am liebsten: Azzurro. Alle Schattierungen von Blau. Und „Azzurro“ explodiert die Musik tief unten im Bauch: „Azzurro, il pomeriggio è troppo azzurro, e lungo per me“, singt Adriano Celentano. Über uns der Himmel, direkt hinter uns ein Wahnsinnsmotor: Wir machen blau, natürlich in einem aquamarinfarbenen Maserati MC20 Cielo.

Meister der Dynamik. Mit dem MC20 Cielo fährt es sich himmlisch, nicht nur wegen des offenen Dachs, das in 12 Sekunden versenkt werden kann.

Maserati MC20 Cielo: Super-Sportwagen als Cabriolet - erste Ausfahrt im Himmelsstürmer

Unser „treno dei desideri“ ist 4,70 Meter lang und 1,22 Meter hoch. Der Zug der Sehnsucht kommt aus Modena, trägt den Dreizack Neptuns im Logo und hat den Gott des Meeres unter der Motorhaube. Nettuno heißt der selbst entwickelte Sechszylinder-V-6-Motor, der die lange Schmach von Maserati tilgt.

Zehn Autos mit Verbrennungsmotor, die wir vermissen werden

Audi TT
Audi TT: Einst als Kernmodell der Marke Audi betrachtet, wird der als Coupé und Roadster gebaute Kompakt-Sportler keinen Nachfolger bekommen. Das liegt auch an der mittlerweile schleppenden Nachfrage für die Design-Ikone. Ein vergleichbarer Stromer wird völlig anders aussehen. Bis Ende des Jahres ist der TT aber noch ab 39.700 Euro bestellbar. © Audi AG
Mercdes-Benz A-Klasse
Mercedes A-Klasse: Der Kompaktwagen passt nicht mehr in das neue Konzept von Mercedes-Benz, vor allem hochpreisige Limousinen, SUV und Sportwagen anzubieten. Das überzeugende Konzept der frühen A-Klasse, möglichst viel Platz in einem kompakten Auto zu schaffen, würde dabei gut ins Elektro-Zeitalter passen – ist mittlerweile aber ohnehin verwässert. Noch gibt den Basis-Benz ab 28.393 Euro zu kaufen.  © Mercedes-Benz
Porsche 718 Boxster
Porsche 718 Boxster: Zwar kämpft Porsche weiterhin für den Verbrennungsmotor, aber überleben wird der langfristig wohl nur im 911. Boxster und Cayman werden 2025 erst auf Wunsch, später wohl grundsätzlich elektrifiziert. Dabei bieten gerade die Versionen mit Sechszylinder-Boxer fast schon elektrische Tugenden wie Laufruhe und Durchzugskraft – bei (für Sportwagen) hoher Reichweite und geringem Gewicht. Aktueller Preis: ab 60.061 Euro. © Daniel Wollstein/Porsche
Jeep Wrangler
Jeep Wrangler: Als purer Verbrenner ist die Off-Road-Ikone schon jetzt nicht mehr lieferbar. Der Plug-in-Hybrid wird so lange laufen, wie er darf, aber den Sprung in die Elektro-Ära nicht schaffen. Ein Nachfolger mit Akku dürfte ähnlich modernisiert daherkommen wie der aktuelle Land Rover Defender, aber dank seiner E-Motoren immerhin überragende Gelände-Eigenschaften bieten. Mit 77.500 Euro ist der Klassiker mittlerweile zum Luxus-Auto geworden. © Stellantis
VW Golf Cabrio
VW Golf Cabrio: Im Grunde vermissen wir ihn jetzt schon, nämlich seit 2016. Der offene VW T-Roc kann den Charme des offenen Kompaktwagens, der seine Karriere als „Erdbeerkörbchen“ mit Henkeln startete, nicht ersetzen. Das wird wohl auch für ein elektrisches Cabrio auf Basis des VW ID.3 gelten – wenn ein solches überhaupt kommt, was angesichts der schwächelnden Nachfrage für offene Autos eher zweifelhaft ist. © VW
Fiat 500
Fiat 500: Während die aktuelle Version des Kleinwagens ausschließlich als Elektroauto produziert wird, ist auch der etwas kleinere Vorgänger derzeit noch bestellbar. Im Stellantis-Konzern ist dessen Aus aber beschlossen. Dabei ist gerade die sparsame Hybrid-Version mit 70 PS ein ökologisch sinnvolles Angebot etwa für jene, die partout kein Elektroauto möchten – etwa Städter, die keine schnelle Lade-Möglichkeit haben. Noch ist der Verbrenner ab 15.501 Euro bestellbar. © Stellantis
Mercedes-Benz SLC 300
Mercedes SLC: Der kompakte Roadster startete – als erstes Cabrio mit Falt-Hardtop – unter dem Namen SLK. Nun beendete nicht der Elektro-Boom, sondern die Nachfrage-Flaute seine Karriere als Frauenversteher. Im künftigen Luxus-Stromer-Portfolio von Mercedes sind solche gerade noch bezahlbaren Fahrspaß-Modelle schon gar nicht vorgesehen.  © Mercedes-Benz
Lamborghini Huracan
Lamborghini Huracán: Die italienische VW-Tochter sperrte sich lange gegen die Elektrifizierung, aber kommt natürlich auch nicht drumherum. Der pure, weder von Hybrid noch Turbo verwässertre V10-Saugmotor des Huracán wird seinen Platz als einer der Höhepunkte des Verbrenner-Zeitalters bekommen. Seine 640 PS würden Elektromotoren zwar mit deutlich weniger Aufwand erreichen, aber sei´s drum: Dass es solche Autos nicht mehr geben wird, ist ebenso vernünftig wie schade. Preis: ab 190.274 Euro. © Charlie Magee
BMW Z4
BMW Z4: Ja, er lebt noch! Anders als Mercedes-Benz führt BWM seinen Mittelklasse-Roadster weiter, eine Kooperation mit Toyota machts möglich. Doch auch wenn BMW weiter Verbrenner bauen will, ist ein Nachfolger alles andere als gesichert. Wenn wir uns irren und es künftig einen Z4 mit (wie bei BMW üblich) Verbrenner- und Elektro-Option geben wird: umso besser. Wer sich darauf nicht verlassen mag, muss mindestens 46.200 Euro investieren. © BMW
Tina Ruland auf Opel Manta
Opel Manta: Eigentlich hatten wir den Manta ja schon als Eighties-Unikum abgehakt. Dann weckte Opel mit der Ankündigung eines elektrischen Mantas die Fantasie: Ein zweitüriges, leichtes Coupé, mit genügend Reichweite für den Ausflug in die Diskothek (so hießen Clubs früher) und zum Baggersee, das wäre doch ein schönes Stück Anarchie zwischen all den effizienten, vernünftigen Stromern. Doch heraus wird wieder nur das übliche Akku-SUV kommen, an das ein Marketing-Genie den Manta-Schriftzug klebt. Umso mehr werden wir den Echten vermissen. © Rights Managed/Imago

Jahrelang, gefühlt jahrzehntelang, ist man beim Antrieb nur Kostgänger bei der firmeneigenen Konkurrenz von Ferrari. Maranello liefert die Motoren, der Rest kommt aus Modena. Und dann die Kehrtwende. Fiat respektive der Stellantis-Konzern will die Marke mit dem Dreizack wieder großmachen. Mit einem Super-Sportwagen. Die Geburt des MC20. Zuerst als Coupé und jetzt als Cielo. Als Cabriolet. Diese Venus stammt nicht aus Milo, sondern aus Modena.

Maserati MC 20 Cielo: Verdeck – von „Offen“ auf „Zu“ in 12 Sekunden

Der Unterschied zwischen den beiden Karosserien ist nicht sonderlich groß. Das flexible Dach des Spyders kostet drei Zentimeter Höhe, um es unter dem Blechkleid verschwinden zu lassen. Was dem Heck zusätzliche optische Wucht verleiht. Und natürlich bringt die Zusatztechnik auch mehr Gewicht mit: immerhin 65 Kilogramm. Weil wir gerade bei Zahlen sind: Das Versenken des Dachs passiert in 12 Sekunden immerhin bis zu einem Tempo von 50, falls sich der Himmel unerwartet verdunkeln sollte. Von „Offen“ auf „Zu“ in 12 Sekunden – das ist ordentlich.

Offen für jeden Fahrspaß. Der MC20 Cielo hat wie der Name schon sagt, nur noch den Himmel über sich.

Kleine Zahlenspielerei: In der gleichen Zeit sprintet der MC 20 viermal von 0 auf 100, in 9,2 Sekunden sogar von 0 auf 200 km/h. Das sind die gleichen Werte wie beim Coupé. Logisch, der Motor mit dem Zweikammern-Brennsystem (echte Rennsporttechnik) ist identisch und lauert auch hier direkt hinter der Fahrerkabine auf seinen Einsatz. Allerdings kann man ihn wie beim Coupé nicht durch eine Glasscheibe bewundern. Stattdessen thronen zwei große Hutzen auf dem Heck. Dazwischen der Deckel für das Dach selbstbewusst inszeniert als Fläche mit dem großen Dreizack auf dem Lack.

Maserati MC 20 Cielo: Symphonie aus dem Verbrenner-Verzeichnis

Wenn Diamanten „a Girls Best Friend“ sind, wie einst die Leinwand-Legende Marylin Monroe lasziv ins Mikrophon hauchte, dann gilt für echte Jungs: „Sportscars are a Boys Best Friend.“ Dabei ist der MC20 nicht irgendein Sportauto – die flache Flunder aus der Emilia Romagna dürfte im Augenblick die eleganteste Variante sein, 630 PS auf die Straße zu bringen.

Beim Cabriolet ist es noch dazu die direkteste Art und Weise. Näher kommt man an den Sound dieses Triebwerks nicht mehr heran. Man spürt förmlich die Explosionen in den sechs Zylinder der V-6-Maschine. Man hört die zwei Turbolader zischen und pfeifen und was die beiden Auspuff-Endrohre aus profanen Abgasen machen, das klingt nach einer der letzten Symphonien aus dem Verbrenner-Verzeichnis, und zwar in Moll und in Dur. Unplugged, ganz ohne akustische Tricks.

Maserati MC 20 Cielo: Cabio bei Konstruktion berücksichtigt

Mehr Gewicht, auch wenn es sich nur 65 Kilogramm dreht, spielen bei Sportwagen meistens eine Rolle. Im MC20 allerdings nur insoweit, als die Verteilung der Masse nicht mehr ganz dem Ideal von 50:50 entspricht, sondern bei 40:60 liegt, also mit einer leichten Betonung auf dem Heck.

Fließende Karosserielinien, keine Spoiler - der MC20 von Maserati ist zwar ein Supercar, auf aufdringliche Aerodynamik-Elemente wurde verzichtet.

Überraschend kam das nicht für die Techniker, denn das Cabrio wurde bei der Konstruktion des Sportwagens von vorneherein mitgedacht. Genauso übrigens wie die rein elektrische Variante des MC20, der Folgore (Italienisch für Blitz) soll 2025 folgen. Wer beim Fahrverhalten des Cabrios im Unterschied zum Coupé einen großen Unterschied feststellen will, ist entweder ein Angeber oder muss ein erfahrener Rennfahrer oder Testpilot sein.

Maserati MC 20 Cielo: Cabrio kann auch Langstrecke

Unsereiner fühlt sich auch beim Cielo fahrtechnisch als Münchner im Himmel, wenn der Italiener mit Grandezza um die Kurven faucht. Am liebsten auf der Stellung Sport, einem von fünf verschiedenen Modi, die man einstellen kann. Es muss nicht immer der giftige Corsa sein, also die schärfste Variante – und Comfort war uns ehrlich gesagt ein wenig zu schwammig.

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Aber klar, der Cielo will ein GT sein und auf längeren Strecken auch bequem sein. Gelungen! Nach 200 Testkilometer über kurvenreichen Strade Statale oder Strade Provincale maulen weder Rückgrat, Steiß oder die Bandscheiben. Was wir nicht glauben: Dass MC-20 Besitzer aus berufliche Gründen zwischen Mailand und Rom oder München und Berlin regelmäßig pendeln und das mit so einem reinrassigen Sportwagen tun.

Maserati MC 20 Cielo: : Schlichtes Design im Cockpit – eine echte Ausrede

Ein kleiner Gruß aus der Mecker-Ecke: Die Bremsen beim MC20 wirken indifferent, und es ist ein ziemlicher Kraftakt, der ordentliche Wadl-Power erfordert. Erklärung Maserati: Es wird besser, wenn die Keramikscheiben auf Betriebstemperatur sind. Das mag sein, weil der Bremsweg von 100 auf 0 in unter 33 Metern ein durchaus üblicher Wert ist.

Aufgeräumt, reduziert, schlicht. Das Interieur des MC20 Cielo lenkt die Aufmerksamkeit des Fahrers nicht ab. Was gut so ist, die 630 PS wollen beachtet werden.

Über eines aber können wir buchstäblich nicht hinwegsehen: Das grafische Layout des digitalen Kombi-Instruments hinter dem Lenkrad, früher Tacho genannt, genügt nicht den Ansprüchen eines 260.000-Euro-Autos. Fehlender Witz kann nicht immer mit dem trendigen Design-Wunsch nach Reinheit begründet werden. Auch nicht beim Cielo – hoffentlich fällt bei dieser Ausrede niemand der Himmel auf den Kopf.

Maserati MC 20 Cielo: Gleicher Himmel, anderer Horizont

„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“ Was Staatslenker Konrad Adenauer gesagt hat, gilt auch für den Maserati MC20 Cielo. Unter unserem Himmel gäbe es genug Fans und Käufer, wenn nur der finanzielle Horizont der gleiche wäre. Aber ein Einstandspreis von 260.000 Euro – der wird von dem ein oder anderen als himmelschreiende Ungerechtigkeit empfunden. Dem mögen zum Trost vielleicht die Worte aus der Bibel genügen: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel! Es sei denn, der Besagte fährt mit dem Maserati Cielo vor. Dann könnte es durchaus sein, dass Petrus ein Auge zudrückt. Horizont hin oder her. (Rudolf Bögel)

  • Maserati MC20 Cielo
  • Motor/Antrieb                                         V6-Benziner Biturbo / Hinterrad / 8-Gang-DCT-Getriebe
  • Leistung / Drehmoment                         463 kW (630 PS) / 750 Nm
  • Vmax/ 0 -100 km/h (0-200)                   323 km/h / 2,9 s (9,2)
  • Länge/Breite/Höhe                                 4,70/1,97 /1,22 m
  • Leergewicht / Leistungsgewicht          1540 kg / 2,44 kg pro PS
  • Gepäckraumvolumen                             100 l
  • Verbrauch                                                12,4 l
  • Preis                                                          ab 260.000 Euro

Rubriklistenbild: © Lorenzo Marcinno/Maserati

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