Mehr Platz für Zellen

Elektroauto: Tetris im Unterboden für mehr Reichweite

  • Simon Mones
    VonSimon Mones
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In den meisten Elektroautos sind die Batterie noch aus Modulen zusammengesetzt. Mit der Cell-to-Pack-Technik wird sich das jedoch ändern.

Gute Chemie ist bei der Elektroauto-Batterie nicht alles – man muss sie auch clever verstauen. Denn je mehr der Energie speichernden Aktivmaterialien man ins Auto bekommt, desto größer wird die Reichweite. Die Industrie wechselt daher zunehmend von der klassischen Modul-Bauweise zu einer kompakteren Variante. Die echte Revolution steht aber möglicherweise erst noch bevor.

Grundbestandteil einer Elektroauto-Traktionsbatterie sind die einzelnen Batteriezellen. Traditionell werden diese beispielsweise im Dutzend zu sogenannten Modulen zusammengefasst, verbunden und in ein mehr oder weniger sperriges Gehäuse gesteckt. Diese leicht zu transportierenden und gut handhabbaren Module wiederum bilden zusammen die Batterie. VW etwa montiert sieben bis zwölf davon zusammen, verbindet sie und steckt sie dann in ein weiteres, größeres Gehäuse. Am Ende landet die Ausgangs-Zelle also doppelt verpackt und mehrfach verkabelt im Auto. Besonders effizient ist das nicht.

Noch besteht die Batterie im Unterboden meist aus vielen Modulen. Die Zukunft gehört jedoch dem Cell-to-Pack-Verfahren.

Elektroauto: Tetris im Unterboden für mehr Reichweite

Als erster Batteriehersteller hat das chinesische Unternehmen CATL daher 2019 diese redundante Bauweise aufgebrochen. Die sogenannte Cell-to-pack-Technik überspringt die ansonsten übliche Modul-Ebene kurzerhand und setzt das fertige Batteriepaket direkt aus den einzelnen Zellen zusammen.

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Kia EV6
Kia EV6: 309 Kilometer. Dank moderner 800-Volt-Ladetechnik fährt das Mittelklasse-SUV aus Südkorea klar an die Spitze. Die Version mit Heckantrieb und 77,4-kWh-Akku war das einziges Modell des Testfeldes, das die 300-Kilometer-Marke knackte. Basispreis: 46.990 Euro. © weigl.biz
Mercedes-Benz EQS 450+
Mercedes-Benz EQS 450+: 275 Kilometer. Die Luxuslimousine für mindestens 107.326 Euro holt aus der verwendeten 400-Volt-Technik dank präzisem Lade- und Temperatur-Management das Optimum heraus. Getestet wurde die Long-Range-Version mit 108-kWh-Akku und Heckantrieb. © Deniz Calagan/Mercedes-Benz AG
BMW iX
BMW iX: 273 Kilometer. Das große Elektro-SUV trat als xDrive50 mit serienmäßigem Allradantrieb zum Test in der Oberklasse-Kategorie an – und mit mächtigem 105,2-kWh-Akku. Der Basispreis des mächtigem Stromers liegt bei 84.600 Euro. © Uwe Fischer/BMW
Hyundai Ioniq 5
Hyundai Ioniq 5: 272 Kilometer. Das südkoreanische SUV ist technisch mit dem Testsieger Kia EV6 verwandt, und nutzt dieselbe schnelle 800-Volt-Technik. Die sparsamere Heckantriebsversion kostet ab 43.900 Euro, getestet wurde die Ausführung mit 72,6-kW-Akku für 4.000 Euro Aufpreis. © Dino Eisele/Hyundai
Porsche Taycan GTS
Porsche Taycan: 271 Kilometer. In der Oberklasse lagen die Testwerte relativ dicht beieinander. In der Version GTS fährt der Elektro-Porsche (Basispreis 86.733 Euro) mit 93,4-kWh-Akku nur knapp hinter den Klassenbesten her, er kann ebenfalls mit 800 Volt laden. © Porsche AG
Audi e-tron GT quattro
Audi e-tron GT quattro: 237 Kilometer. Der viertürige, Elektrosportler mit Allradantrieb basiert auf dem Porsche Taycan und verfügt daher ebenfalls über schnelle 800-Volt-Technik und einen 93,4-kWh-Akku, ist aber etwas größer und geräumiger. Preis: ab 104.000 Euro. © Audi
BMW i4 eDrive40
BMW i4: 235 Kilometer. Die Elektroversion der konventionell angetriebenen 4er-Reihe ist das sportlichste Modell der Mittelklasse-Wertung. Als eDrive40 kostet er ab 59.200 Euro und verfügt über einen Akku mit 83.9 kWh Kapazität. © BMW
Tesla Model 3
Tesla Model 3: 221 Kilometer. Der Elektroauto-Pionier legt seit jeher mehr Wert auf Reichweite als auf schnelles Laden, was bei der Akku-Auslegung ein Zielkonflikt ist. Der Test der Long-Range-Version mit 82,1-kWh-Akku erfolgte an markeneigenen Superchargern. Basispreis des Model 3: 52.965 Euro. © Tesla
Polestar 2
Polestar 2: 218 Kilometer. Die noch junge Marke gehört zum chinesischen Geely-Konzern, die Autos werden von dessen Tochter Volvo entwickelt und in China produziert. Den Polestar gibt es ab 46.495 Euro, gemessen wurde die heckgetriebene Long-Range-Version mit 78-kWh-Akku. © Polestar
BMW iX3
BMW iX3: 201 Kilometer. Ein weiterer BMW nach dem bewährten Muster, ein Verbrennermodell zum Stromer umzurüsten. Das Mittelklasse-SUV kostet ab 67.300 Euro und verfügt über einen Akku mit 80 kWh Kapazität. © BMW

Verbindungselemente, mechanische Komponenten und Kunststoff-Teile können so eingespart werden. Wo dadurch Raum frei wird, ist Platz für mehr Aktivmaterialien – und somit auch mehr Speicherplatz für Energie. Die Kapazität bei gleichbleibendem Volumen steigt. Und damit die Reichweite des kompletten Elektroautos.

Elektroauto: Cell-to-Pack-Technik schwerer zu reparieren

Nur 50 Prozent Aktivmaterialien, also chemisch aktive Komponenten, enthält ein durchschnittliches Batteriepaket für Elektroautos. Für jedes Gramm, das Anode, Kathode und Elektrolyt auf die Waage bringen, kommt ein Gramm an Klebstoff, Schrauben und Verpackung dazu. Cell-to-Pack-Technik verbessert das Verhältnis deutlich. Allerdings auf Kosten der Reparierbarkeit.

Bei einer Modul-Batterie lassen sich schadhafte Module zumindest theoretisch herausnehmen und tauschen. Cell-to-Pack-Akkus hingegen muss man im Ganzen wechseln, wenn sie kaputtgehen. Das ist neben der simpleren Logistik und der einfachen Handhabung der wichtigste Grund, warum die Pkw-Industrie so lange an der Modul-Bauweise festgehalten hat. 

Elektroauto: Immer mehr Hersteller setzten auf Cell-to-Pack-Batterien

Doch zuletzt gab es einen Strategiewandel. Auch, weil der Modultausch bei Kundenfahrzeugen in der Praxis kaum eine Rolle spielt – sei es aus praktischen Gründen oder wegen des schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Stattdessen werden Gewicht, Volumen und Energiedichte bei der Batterie immer wichtiger. Neben Tesla und dem chinesischen Elektroauto-Gigaten BYD hat auch VW angekündigt, künftig Cell-to-Pack-Batterien einsetzen zu wollen. Die neue Technik wird wohl Mitte des Jahrzehnts in der neuen E-Architektur des Konzerns zum Einsatz kommen, die im Rahmen des Projekts Artemis entwickelt wird. Sie soll unter anderem Luxusfahrzeuge von Audi und Bentley tragen.

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Auf lange Sicht könnte Cell-to-Pack aber nur ein Zwischenschritt sein. Denn anstatt die Zellen erst in ein Batterie-Gehäuse und dann das ganze Paket ins Auto zu packen, könnte man sie auch gleich direkt in der Fahrzeug-Karosserie unterbringen. Cell-to-Chassis heißt dieser Ansatz, der bislang in der Serienproduktion aber noch nicht genutzt wird. Auf diesem Weg ließe sich die Kapazität von Batterien bei vergleichbarem Gewicht und Bauraumbedarf um rund ein Viertel gegenüber der Modulbauweise steigern. Berücksichtigt man auch kommende Verbesserungen bei der Zellchemie, könnten Reichweiten von 700 Kilometern künftig Standard werden. Heute sind es 300 bis 400 Kilometer. 

Elektroauto: Ist die Cell-to-Chassis-Technik die Zukunft?

Allerdings hat auch die Cell-to-Chassis-Technik nicht nur Vorteile. Denn ist die Reparierbarkeit schon bei Cell-to-Pack beschränkt, ist sie bei der direkten Integration in die Fahrzeugstruktur kaum mehr vorhanden. Auch bei Recycling und Unfallsicherheit sind noch Probleme zu lösen. So stellt sich etwa ganz praktisch die Frage, wo die Feuerwehr die Blechschere ansetzen kann, um ein Unfallopfer aus dem Fahrzeug zu befreien, wenn in jeder Karosseriestrebe Hochspannung stecken kann. Soll der Bauraum möglichst effizient ausgenutzt werden, steigt zudem der Entwicklungsaufwand für Fahrzeugplattformen. Gleichzeitig gerät die Gleichteilestrategie an ihre Grenzen. Basieren heute etwa Autos unterschiedlicher Karosserieformen auf der gleichen Architektur, wäre das dann nicht mehr ohne Weiteres möglich. Auch ein Batterie-Wechselsystem, wie es aktuell der chinesische Autohersteller Nio in Europa etablieren will, funktioniert mit den hochintegrierten Zellen nicht. 

Nicht nur deshalb ist fraglich, ob Cell-to-Chassis-Batterien eine Option für Massen-Pkw sind. Kosten und Aufwand könnten sie auf Sportwagen oder Luxusautos für die Langstrecke beschränken. Oder etwa für Fluggeräte interessant machen. Normale Autos würden im Alltag auch mit normierten Einheitspacks zurechtkommen, wenn die Reichweite über die Zellchemie steigt und die Lücken in der Ladeinfrastruktur geschlossen werden. (Holger Holzer/SP-X)

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