121 Fälle

Zusammenarbeit mit AfD im Osten – „das Dunkelfeld wird immer größer“

  • Jana Stäbener
    VonJana Stäbener
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In Sachsen wird der zweite AfD-Politiker Bürgermeister. „Auf kommunaler Ebene bröckelt die Brandmauer gegen Rechts“, warnen Experten.

Im mittelsächsischen Großschirma hat ein AfD-Politiker die Bürgermeisterwahl gewonnen. Laut vorläufigem Wahlergebnis erhielt Rolf Weigand im ersten Wahlgang am Sonntag, 3. März 2024, 59,4 Prozent der Stimmen. Damit setzt er die Erfolgsserie der AfD, speziell im Osten Deutschlands, fort.

Er ist der zweite Mann, der für die AfD in Sachsen einen Bürgermeisterposten besetzt. Erst Anfang der Woche hatte Tim Lochner sein Amt als Oberbürgermeister in Pirna angetreten. Lochner ist kein AfD-Mitglied, war aber von der Partei zur Wahl aufgestellt worden. Im Juni 2023 stellte die AfD im thüringischen Sonneberg ihren ersten Landrat. Bröckelt die Brandmauer gegen Rechts?

„Auf kommunaler Ebene ja“, finden die Politikwissenschaftler Anika Taschke und Steven Hummel von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie haben sich angeschaut, mit wem die extremen Rechten in ostdeutschen Kommunen kooperieren und stellen ihre Ergebnisse dazu am 13. März vor. BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA hatte in einem Pressebriefing die Gelegenheit schon vorab mit den beiden zu sprechen.

Nicht nur im Osten: Auch in Bayern und Hessen wählten viele Menschen die AfD

AfD- und CDU-Plakate nebeneinander (Symbolbild)

Zusammenarbeit mit AfD: „Gehen von einem großen Dunkelfeld aus“

Von 2019 bis 2023 habe es in ostdeutschen Kommunen 121 Fälle von formeller Zusammenarbeit mit Rechtsextremen gegeben. Hauptsächlich habe hier die AfD mit der CDU (die man auch im Quiz schwer unterscheiden kann) kooperiert. „Wir haben nur die Vorfälle gezählt, die wir schwarz auf weiß hatten. Hinweise gab es viel mehr, weshalb wir von einem großen Dunkelfeld ausgehen“, sagt Hummel auf Nachfrage von BuzzFeed News Deutschland.

„Dieses Dunkelfeld wird immer größer“, sagt der Bildungsreferent zum Schwerpunktthema extreme Rechte. Von der informellen Zusammenarbeit, also, wer mit wem ein Bier trinke, ganz zu schweigen. „Bei der AfD ist die Hemmschwelle, mit rechten Politikern zusammenzuarbeiten, wesentlich kleiner als bei der NPD“, sagt Hummel.

Vor allem, seit die Partei 2017 in den Bundestag eingezogen sei, zeige sich eine Normalisierung der Partei als Kommunalpartei, die den anderen Parteien – trotz Zusammenarbeit – keine neuen Wähler bringe.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

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AfD und CDU stimmen gegen Stolpersteine für Holocaust-Opfer

Die Untersuchung zeige, dass die AfD mit anderen Parteien bei jeglichen Themen kooperiere: So gründeten 2019 in Gohrisch eine parteilose Person für die Grünen, zwei für die CDU und eine für die AfD eine gemeinsame Fraktion. In Limbach-Oberfrohna stimmten CDU und AfD im September 2022 gemeinsam gegen die Verlegung von Stolpersteine für die Holocaust-Opfer und ehemaligen KPD-Mitglieder Max Tennler und Arno Förster. Nur der Stolperstein von Oswald Bernhard (SPD) ging durch.

Dieses Beispiel zeige ganz gut, dass die Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene gar nicht so harmlos sei, wie gedacht. „Dass CDU-Politiker die Zusammenarbeit mit der AfD immer wieder als Sachpolitik verharmlosen, kritisieren wir scharf“, sagt er. „Kommunalpolitik hat für das Leben der Bürger vor Ort eine große Bedeutung. Warum sollte es gerade hier egal sein, dass Rechtsextreme entscheiden?“

Politiker könnten nicht verhindern, dass die AfD ihren Anträgen zustimme. „Wenn eine Person aber darauf spekuliert, dass ein Antrag nur mit den Stimmen von rechts durchkommt, ist das problematisch“, sagt der Politikwissenschaftler.

*In einer früheren Version haben wir geschrieben, die CDU und die AfD hätten gemeinsam gegen den Stolperstein für Oswald Bernhard (SPD) gestimmt. Dies war falsch. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

(Mit Material der dpa)

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