Ausnahmeregelungen

Putins Schlupfloch: EU zahlt trotz Sanktionen weiterhin eine Milliarde Euro an Kreml

  • Victoria Krumbeck
    VonVictoria Krumbeck
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Einem russischen Unternehmen soll es gelungen sein, Öl in die EU zu exportieren. Eine Milliarde Euro soll Wladimir Putin und dem Kreml zugutegekommen sein.

Sofia/Burgas – Die EU hat seit dem russischen Angriff auf die Ukraine zahlreiche Sanktionen verhängt, wie Export und Importbeschränkungen. Deutlich spürbar sind die Sanktionen im Energiesektor, da die Einfuhr von russischem Öl und russischer Kohle sanktioniert wird. Trotz der EU-Verbote, Erdöl einzuführen, soll Russland Millionen von Barrel ins Ausland exportiert haben – auch an EU-Staaten. Möglich soll dies eine Lücke in den Sanktionsregeln gemacht haben, die ein russisches privates Unternehmen mithilfe von Bulgarien ausnutzen konnte.

EU zahlt Milliarden-Betrag an Putin: Schlupflöcher bei EU-Sanktionen

Das russische Unternehmen Lukoil Neftochim Burgas am Schwarzen Meer besitzt Bulgariens größte Raffinerie. Eine Untersuchung von Global Witness, dem Center for the Study of Democracy (CSD) und dem Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) fand heraus, dass die Burgas-Raffinerie in den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 mehr als 4,95 Millionen Tonnen an russischem Rohöl geliefert bekam. Das raffinierte Öl soll dabei auch an EU-Staaten exportiert worden sein, wie die Analyse ergab. Mit einem Export an Mitgliedstaaten der EU hätte das Unternehmen gegen die Sanktionen, raffinierte Erdölerzeugnisse an EU-Staaten zu liefern, verstoßen.

Wladimir Putin (l.) soll rund eine Milliarde Euro mithilfe des russischen Öl-Unternehmens Lukoil Neftochim Burgas eingenommen haben.

Der Kreml soll durch den Verkauf des Öls rund 1,1 Milliarden Euro eingenommen haben. Wie Global Witness schreibt, reiche die Summe aus, um die Wagner-Soldaten im Ukraine-Krieg ein ganzes Jahr lang zu finanzieren. Somit unterstützt die EU den russischen Präsidenten Wladimir Putin bei seinem Angriffskrieg. Laut der Analyse ist Bulgarien im Jahr 2023 der viertgrößte Abnehmer von russischem Öl auf dem Seeweg gewesen. Zudem zeigt die Untersuchung, dass der Anteil des russischen Öls in der bulgarischen Raffinerie in den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 seit dem Ukraine-Krieg von 70 auf 93 Prozent anstieg.

Öl-Raffinerie in Bulgarien: Ausnahmeregelungen bei Sanktionen gegen Russland

Offiziell hat Bulgarien gegen keine Sanktionen verstoßen. Als im Dezember 2022 die EU das Öl-Embargo gegen Russland verhängte, wurde dem Balkanland eine Ausnahmeregelung bis 2024 gewährt, wie Politico berichtet. Die Burgas-Raffinerie deckt 80 Prozent des bulgarischen Diesel- und Benzinbedarfs ab und ist für ein Zehntel der Wirtschaftsleistung Bulgarien verantwortlich. Wirtschaftliche Nachteile für Bulgarien sollten so vermieden werden.

Nachdem der Balkanstaat den Verkauf von russischen Öl-Produkten ins Ausland nicht eingeschränkt hatte, verschärfte die EU die Sanktionen. Seit Februar 2023 darf Bulgarien nur noch Öl für die Ukraine exportieren oder an Nicht-EU-Staaten, wenn das Öl aufgrund von Umwelt- und Sicherheitsrisiken nicht mehr gelagert werden kann. Diese Lücken wurden wohl von dem Burgas-Unternehmen verwendet. Wie Politico schreibt, zeigt eine andere Analyse von Versanddaten des Marktforschungsunternehmens Kpler, dass zwischen März und Juli 2023 rund ein fünftel Barrel des in Burgas ankommenden russischen Rohöls exportiert wurden.

Öl-Exporte an EU-Staaten trotz Sanktionen? Analyse zeigt Hinweise

Für die Exporte sowie für die Einnahmen des Kremls fühlt sich Bulgarien jedoch nicht verantwortlich. „Die Ausnahmeregelung dient nicht nur dazu, Bulgarien zu helfen, sondern auch, um sicherzustellen, dass die Raffinerie funktioniert“, sagte der bulgarische Finanzminister Asen Vasilev Politico. Es gibt jedoch Indizien dafür, dass das russische Öl auch in EU-Staaten exportiert wurde, obwohl weitere Sanktionsregelungen dies untersagten. Es wäre nicht das erste Mal, dass trotz Sanktionen Geschäfte mit Russland gemacht werden.

So legte am 8. August ein Tanker des griechischen Unternehmens Thenamaris Ship Management im Hafen von Burgas an und lud 40.000 Tonnen Heizöl aus der Raffinerie für den Transport nach Rotterdam, wie Global Witness schreibt. Die Burgas-Raffinerie erhielt jedoch 21 Tage lang kein nicht-russisches Rohöl. In demselben Zeitraum erhielt die Raffinerie vier Lieferungen an russischem Rohöl, insgesamt 340.000 Tonnen. Somit wird vermutet, dass der Tanker mit russischen Rohöl beladen war.

Möglicher Verstoß gegen EU-Sanktionen – Millionen Tonnen importiertes Öl aus Russland

Auf Anfrage von Global Witness lehnte Thenamaris Ship Management eine Stellungnahme ab. In einer Erklärung von Lukoil Neftochim Burgas teilte das Unternehmen Politico mit, dass es „alle EU und bulgarischen Gesetze einhält“. Der Export von russischem Öl und damit der Verstoß gegen die Sanktionen ist nur schwer zu beweisen. Ein weiterer Hinweis auf die Verwendung des Schlupfloches sind die Exporte von raffinierten Erdölprodukten in die EU zwischen März und Juli 2023. Wie Global Witness schreibt, wurden in dieser Zeit etwa 304.000 Tonnen raffinierten Erdöl exportiert. Während diesen fünf Monaten importierte die Raffinerie 2,1 Millionen Tonnen russisches Rohöl sowie 216.000 Tonnen nicht-russisches Rohöl.

Diese Zahlen lassen nur noch mehr vermuten, dass russisches Öl in die EU verkauft wird. „Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass einige dieser Exporte von den beiden kleineren Raffinerien in Bulgarien hergestellt wurden oder dass es sich um re-exportierte Raffinerieprodukte handelte“, so Global Witness. Zudem besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die raffinierten Produkte, die nach Bulgarien exportiert wurden, für die Ukraine bestimmt waren.

Forderungen nach verschärften EU-Sanktionen gegen Russland: „Einfach abschaffen“

Die Dominanz von Lukoil Neftochim Burgas im bulgarischen Öl-Sektor lässt jedoch eine gewisse Vermutung zu, dass es sich bei den Ölprodukten um raffiniertes russisches Rohöl handeln könnte. Die Rufe nach weiteren Verschärfungen der Sanktionen werden lauter. „Das Sanktionsregime ist so Schweizer-Käse-ähnlich, dass wir bei allem, was wir tun, den Russen immer drei Monate hinterherhinken“, sagte ein EU-Diplomat Politico, dem Anonymität gewährt wurde.

„Zumindest sollten sie die Sanktionen verschärfen und die Ausnahmeregelung verschärfen“, sagte Delyan Dobrev, Vorsitzender des Energieausschusses im bulgarischen Parlament, dem Politik-Magazin. „Aber das Optimale ist, diese Ausnahmeregelung einfach abzuschaffen.“ Derzeit arbeitet die EU an einem neuen Sanktionspaket gegen Russland. (vk)

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