Bürokratie und Konkurrenz

Windkraft geht die Luft aus: Pleitewelle unter deutschen Herstellern - aber Experte optimistisch

  • Marcus Giebel
    VonMarcus Giebel
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Deutschland setzt in der Energiewende vermehrt auf Windkraft. Trotzdem häufen sich die Insolvenzen in der Branche. Das hat wohl zwei Gründe.

Bremen – Der Windkraft soll als Stromspender die Zukunft gehören. Doch immer mehr Windkraft-Hersteller sind in Deutschland Vergangenheit. Das ist zwar kein neues Phänomen, denn schon in der Vergangenheit mussten einige der Unternehmen aus der eigentlich zukunftsträchtigen Branche Insolvenz anmelden. Seit 2013 ist der Windparkplaner Windreich ein Fall für den Insolvenzverwalter, zwei Jahre später wurde der Windanlagenfinanzierer Prokon in einem Regel-Insolvenzverfahren in eine Genossenschaft umgewandelt, 2019 beantragte der Windkraftkonzern Senvion Insolvenz.

Pleitewelle in der Windanlagen-Branche: Kritik an Genehmigungsverfahren in Deutschland

Auch in jüngerer Vergangenheit hagelte es Hiobsbotschaften. Im Jahr 2022 folgte die pfälzische HegerGuss GmbH, die zu den größten Herstellern von Windkraftgussteilen in Europa zählt. Damals erklärte Geschäftsführer Johannes Heger den Schritt im Branchenportal Home of Foundry mit dem enormen und unverhältnismäßigen Aufwand: „Zwar sind die politischen Weichen gestellt, aber die Genehmigungssituation in Deutschland ist eine andere. Handeln hört nicht auf, wenn es in der Zeitung steht, sondern wenn es gemacht ist.“

Nun listet das ZDF in einem Bericht einige Insolvenzen aus diesem Jahr auf. In Sachsen musste der Wind-Getriebehersteller Zimm seinen Betrieb ebenso einstellen wie der Windkraftanlagen-Hersteller Iqron, die Firma Partzsch schloss ihr Werk für Windkraftgeneratoren.

Der Aufbau ist in vollem Gang: Bei Dorsten in Nordrhein-Westfalen wird ein Windrad in Gang gebracht.

Windkraft-Werk nicht rentabel? Beschäftigte nehmen ihre Zukunft selbst in die Hand

Die ebenfalls im Freistaat beheimatete Firma Eickhoff will ihre Windradgetriebe-Fertigung zum Jahresende schließen. Doch das wollten die Beschäftigten nicht hinnehmen und erarbeiten gemeinsam mit einer Beratungsfirma unter dem Motto „Wind of Change“ neue Geschäftsmodelle und suchen neue Investoren für ihr Werk. Laut der ebenfalls involvierten IG Metall erklärt Betriebsrat Jörg Koziol: „Die Belegschaft von Eickhoff Wind Power ist überzeugt, dass ihr Werk für die Energiewende dringend gebraucht wird und eine Zukunft haben muss.“

Die Geschäftsleitung halte den Betrieb jedoch nicht für rentabel und die Marktsituation für unsicher. Wie konnte es so weit kommen? Wo doch die Ampel-Koalition für die Energiewende bis 2030 im Schnitt mit täglich „vier bis fünf Windrädern“ plant.

Die schon in der Pfalz kritisierten langen Genehmigungsverfahren – Stichwort: Bürokratie – und die deutlich günstigeren Angebote der Konkurrenz aus China machen den Unternehmen das Leben schwer. Und sorgen dafür, dass der Windkraft in Deutschland trotz allen Strebens nach erneuerbaren Energien gewissermaßen die Luft ausgeht.

Deutschland und die Energiewende: „Deindustrialisierung historisch einmalig in Deutschland“

Das ZDF zitiert Peter Rasenberger von der österreichischen Denkfabrik Grantiro wie folgt: „China verändert gerade den Weltmarkt. Deutschland läuft volkswirtschaftlich in ein erhebliches Problem.“ Der Wahl-Schweizer warnt: „Die einstige Abhängigkeit von Öl tauschen wir jetzt in die der Windenergie wie zuvor schon in der Solarbranche.“

Verwiesen wird zugleich darauf, wie schwer sich die Bundesrepublik auch bei der Verkehrswende tut. Auch Schienenfahrzeugbauer schließen reihenweise, weil die Straße beim Güterverkehr weiter beinahe uneingeschränkt Vorfahrt hat, heißt es. „Was gerade mit der Deindustrialisierung passiert, ist historisch einmalig in Deutschland, denn es passiert genau in den Energiewendebereichen“, moniert der Wirtschaftsexperte und schiebt hinterher: „Das ist dramatisch!“

Die Folgen sind nicht nur Schließungen infolge von Pleiten. So geht Rasenberger davon aus, dass bis Jahresende etwa 300 Unternehmen ins Ausland abwandern werden. Erwähnt werden der Abschied des dänischen Windkraftanlagen-Herstellers Vestas aus dem brandenburgischen Lachhammer und die Schließung der Rostocker Rotorblatt-Produktion des international tätigen deutschen Vestas-Konkurrenten Nordex.

Windräder, wohin das Auge reicht: Die klimafreundlichen Stromproduzenten sind in vielen Bundesländern längst ein täglicher Anblick.

Deutschland und die Windkraft: Sechs Jahre vergehen zwischen Antrag und Inbetriebnahme

Thomas Deser zählt diese beiden Unternehmen zu den weltweit führenden Herstellern von Windkraftanlagen. In der Tagesschau erklärt der Energiemarkt-Experte bei der Fondsgesellschaft Union Investment, dass in Deutschland vom ersten eingereichten Antrag für eine Windkraftanlage bis zur ersten von dieser produzierten Kilowattstunde Strom sechs Jahre vergingen. Andere Länder seien da schneller.

Der Branchenkenner sieht auch ein Problem in der begrenzten Attraktivität von Deutschland als Standort, denn die Größe des hiesigen Binnenmarktes sei für künftiges Wachstum relativ klein. Die Produktion finde daher in Zukunft eher in den USA, in Indien oder in Brasilien als in der Bundesrepublik statt.

Optimismus bei Windkraftanlagen: „Bis Ende 2024 wird der Zubau deutlich anziehen“

Für Wolfram Axthelm ist der Zug aber noch nicht abgefahren. Im selben Artikel hebt der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie das Geflecht an Zuliefern und ein dichtes Wertschöpfungs-Netzwerk hervor. „Die Windenergie ist nicht vergleichbar mit anderen Produktionsstandorten, weil wir stark im Maschinen- und Anlagebau verankert sind sowie in der deutschen Elektrotechnik“, verbreitet er Optimismus. Es sei nicht absehbar, dass die Unternehmen „aufgrund kurzfristiger Entwicklungen in anderen Regionen der Welt überstürzt das Land“ verlassen würden.

„Sehr zuversichtlich“ stimme ihn auch, dass die Zahl der Genehmigungen für den Bau von neuen Windkraftanlagen im ersten Halbjahr wieder deutlich gestiegen sei. Der einstige Leiter der Pressestelle der CDU-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern versichert: „Wir werden bis Ende 2024 sehen, dass auch der Zubau deutlich anzieht.“ (mg)

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