Analyse
Ende des Tiger-Enten-Clubs zwischen CDU und FDP: „Kann sie nicht zum Trog bringen“
VonMoritz Maierschließen
Vor der Bundestagswahl wachsen die Gräben zwischen CDU und FDP. Koalitionsoptionen werden dadurch schwieriger, das Gewicht einzelner Stimmen nimmt zu.
Berlin – Der schwarz-gelbe „Tigerentenclub“ war lange eine Beleg großer Überschneidungen. Besonders wirtschaftspolitisch standen sich CDU/CSU und FDP nahe. Mittlerweile ist der natürliche Wunsch nach einer Koalition einem kühlen Verhältnis gewichen. Union und FDP greifen sich politisch immer häufiger an, besonders Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) tritt den Liberalen gegenüber teils unerbittlich auf. Dabei handele es sich nicht allein um Kalkül kurz vor der Bundestagswahl, sagt ein Politik-Experte.
CDU gegen FDP – Merz rät von Wahl der Liberalen ab
„Die Ursachen für eine gewisse Abkühlung des Verhältnisses von FDP und Unionsparteien liegen weit zurück“, sagt Jürgen W. Falter, Politikwissenschaftler und Seniorprofessor an der Uni Mainz dem Münchner Merkur. „In der letzten Koalition mit der Merkel-CDU gab es schwere Konflikte vor allem zwischen FDP und CSU, die in gegenseitige Beschimpfungen ausarteten und im Endeffekt 2013 zum Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag führten“, blickt Falter zurück.
Auch Christian Lindners Rückzug aus der möglichen Jamaika-Koalition 2017 wirkt dem Experten zufolge noch nach. „Das schafft nicht gerade Vertrauen. Jetzt wäre die FDP wieder der natürliche Koalitionspartner der Union, aber es fehlt ihr an Wählerzuspruch, sodass eine schwarz-gelbe Koalition gegenwärtig als illusorisch erscheint.“
Die Liberalen bangen um den Wiedereinzug in den Bundestag, besonders Parteichef Lindner wünscht sich nach dem Ampel-Aus eine Schwarz-Gelbe Koalition. Und dennoch hält sich gerade unter jüngeren FDP-Abgeordneten die Freundschaft zu den Kolleginnen und Kollegen der Union oft in Grenzen. Professionelle und persönliche Kontakte zur CDU, wie sie liberale Granden wie Wolfgang Kubicki pflegen, gibt es bei der nächsten Generation der Bundes-FDP immer seltener.
Aber auch bei der Union wird der Ton gegenüber der FDP rauer. Merz warnt sogar vor einer „verlorenen Stimme“ bei der FDP. Nicht undenkbar, dass die Liberalen auch dadurch aus dem Parlament fliegen.
Koalitionen nach der Bundestagswahl: Agiert Merz „kurzsichtig“?
Merz plant dem Polit-Experten Falter zufolge genau für dieses Szenario – einen Bundestag ohne FDP. „Dieses Kalkül geht natürlich nur dann auf, wenn seine Wahlprognose stimmt, was ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für kurzsichtig halte“, sagt Falter. „Streng genommen müsste Friedrich Merz alles dafür tun, dass die FDP in den Bundestag kommt, auch wenn das den Unionsparteien ein oder zwei Prozentpunkte kosten sollte. Denn eine sogenannte Deutschland-Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP wäre sicher für ihn die besser geeignete Konstellation, um einen größeren Teil seines Wahlprogramms umsetzen zu können.“
Einer Kenia-Koalition, also einem Bündnis aus CDU, Grünen und SPD steht Falter kritisch gegenüber. Dabei seien „ähnliche Konflikte wie in der Ampel zu erwarten. Zu sehr unterscheiden sich die politischen Philosophien und praktischen Politikansätze dieser Parteien.“ Eine Koalition mit SPD und FDP sei für Merz die stabilere Option – wenn es für ein Zweierbündnis nicht reichen sollte.
FDP bangt um Bundestags-Einzug: Strategisches Wählen wichtiger denn je
Inhaltlich stehen sich Union und FDP weiterhin in vielen Fragen nah. Die Distanz beider Parteien entsteht eher durch nach und nach wegbrechende Kontakte zueinander. In Umfragen dümpelt die FDP seit Wochen um die 4 Prozent herum. Die Partei hat weniger Stammwähler als andere, wie Falter weiß.
„Wo aber die feste Bindung an eine Partei fehlt, ist die Bestrafung wegen schlechter Regierungsleistung oder auch nur des Eintritts in eine von ihren Anhängern nicht gewünschte Koalition nicht weit.“ Wenige Stimmen dürften darüber entschieden, ob es die FDP wieder ins Parlament schafft. Falter sieht besonders für Wählerinnen und Wähler einen Vorteil: „Falls dies gelingen sollte, würde damit automatisch auch die Möglichkeit einer bürgerlich geprägten Koalition geschaffen. Eigentlich eine ideale Situation für strategisches Wahlverhalten.“
CSU-Chef Söder weist auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten hin
CSU-Chef Markus Söder sagte am Dienstag, 18. Februar, zum Verhältnis zur FDP beim WahlFORUM des Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA, dass die Union in der Wirtschaftspolitik mit der FDP sehr nahe sei. Bei Fragen der inneren Sicherheit sei das aber anders. Man brauche mehr Daten zum besseren Abgleich, man brauche die Vorratsdatenspeicherung.
„Wir haben viele Videokameras in Deutschland. Man könnte biometrische Abgleiche machen über Bahnhöfe, um zu erkennen, ob eine Gefahr droht, ob vielleicht ein Täter, den man noch nicht erkannt hat, im Land ist.“ Die FDP habe sich aber geweigert, das umzusetzen. „Deswegen müsste sie sich bei innerer Sicherheit noch mal verändern.“ Und weiter: Man habe auch bei der Abstimmung zur Migration im Bundestag gesehen, wie „wackelig“ die FDP sei. „Trotz alledem ist die FDP mir am nächsten. Das Problem ist nur, ich kann ja nicht die FDP noch zum Trog bringen und ihr helfen. Sie muss schon selber trinken.“
Rubriklistenbild: © IMAGO/ Andreas Stroh/ Daniel Kubirski
