UN-Menschenrechtsrat
„Anhaltender Völkermord in Xinjiang“: China unter Beschuss für Umgang mit Uiguren
VonSven Haubergschließen
Die Lage in Xinjiang steht im Mittelpunkt der Kritik bei der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats. Trotz schwerer Vorwürfe verteidigt China seine Bilanz.
Der Zeitpunkt war sicherlich nicht zufällig gewählt. Während sich am Dienstag die Vereinten Nationen in Genf mit der Lage der Menschenrechte in China beschäftigten, klopfte sich daheim in Peking die Regierung selbst auf die Schulter. In einem neuen Weißbuch lobte Peking seine angeblichen Erfolge beim Kampf gegen den Terrorismus in Xinjiang und anderswo im Land. Dank guter Gesetze und Maßnahmen zur „Deradikalisierung“ sei es gelungen, wieder für Sicherheit zu sorgen, heißt es in dem Dokument.
Tatsächlich war es in Xinjiang und anderen chinesischen Provinzen vor Jahren zu blutigen Terroranschlägen radikaler Uiguren gekommen; Pekings Reaktion auf den Terror ging nach Einschätzung vieler Experten und ausländischer Regierungen aber weit über das nötige Maß hinaus. So wurden in Xinjiang, einer Region im Nordwesten des Landes, wohl Hunderttausende Uiguren zeitweise in Umerziehungslager gesteckt – Vorwürfe, die China zunächst leugnete, bevor es schließlich verharmlosend von Schulungseinrichtungen sprach, die freiwillig besucht würden. Stichwort: „Deradikalisierung“.
USA verurteilen „anhaltenden Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang“
In Genf musste sich Peking nun massive Kritik anhören an seinem Umgang mit den Uiguren und anderen ethnischen Minderheiten. Denn der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hatte Chinas Diplomaten zur turnusgemäßen Überprüfung der Menschenrechte in dem Land geladen, und das Schicksal der Uiguren stand dabei im Mittelpunkt der Sitzung. Es war die erste solche Überprüfung, seit die damalige UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet Ende August 2022 in einem Bericht zur Lage in Xinjiang „mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeprangert hatte.
Michèle Taylor, die US-Botschafterin am Menschenrechtsrat, verurteilte nun „den anhaltenden Völkermord und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang“; Irlands Botschafter Noel White zeigte sich „zutiefst besorgt über die anhaltende Unterdrückung der Zivilgesellschaft in China, einschließlich des Schikanierens von Menschenrechtsaktivisten“. Auch Deutschland zeigte sich „äußerst besorgt über schwere Menschenrechtsverletzungen, insbesondere in Xinjiang und Tibet“. In Tibet soll China Aktivisten zufolge unter anderem Kinder in Zwangsinternate stecken, wo diese gezwungen seien, Chinesisch zu sprechen statt ihrer Muttersprache.
China verteidigt Menschenrechtsbilanz
China, das mit einer großen Delegation zu der Sitzung gekommen war, verteidigte wenig überraschend die eigene Menschenrechtsbilanz. „Wir haben einen Weg der Menschenrechtsentwicklung eingeschlagen, der dem Trend der Zeit und den nationalen Gegebenheiten Chinas entspricht, und dabei historische Erfolge erzielt“, sagte Chinas Botschafter Chen Xu. Chen verwies zudem darauf, dass es die chinesische Regierung geschafft habe, in den vergangenen sechs Jahren fast 100 Millionen Menschen aus der Armut zu holen. Mit diesem Totschlagargument wischt Peking seit Jahren jegliche Kritik an der Menschenrechtslage in dem Land vom Tisch.
Was der Westen in Genf zu sagen hatte, dürfte Chinas Delegation ohnehin ziemlich kaltgelassen haben. Denn neben Kritik an Peking gab es vor allem viel Lob für Chinas Menschenrechtspolitik – und das im 45-Sekunden-Takt. So wenig Redezeit hatten die im Menschenrechtsrat versammelten Delegationen, was daran lag, dass insgesamt 163 Staaten ihre Vertreterinnen und Vertreter zu der Sitzung geschickt hatten. Nicht wenige davon dürften auf Einladung Pekings gekommen sein oder weil die dortige Regierung Druck ausgeübt hat, wie Beobachter vermuten. Der Vertreter Eritreas beispielsweise lobte Chinas Regierung. Er forderte Peking wohlwollend dazu auf, „das regionale System der ethnischen Autonomie weiterhin aufrechtzuerhalten und die ethnische Einheit und den Fortschritt umfassend zu fördern“– Sätze, wie sie auch Chinas staatlich gelenkte Medien nicht schöner hätten formulieren können.
„Eine große Anzahl von Staaten“ habe „ihre Redezeit lediglich für affirmative Statements der chinesischen Politik“ genutzt, kritisierte nach der Sitzung die deutsche Sektion der Menschenrechtsorganisation International Campaign for Tibet. Chinas Außenministerium wies derartige Vorwürfe am Dienstag zurück und konterte mit Wohlfühlrhetorik. „China“, so Außenamtssprecher Wang Wenbin, „glaubt, dass ein glückliches Leben für die Menschen das wichtigste Menschenrecht ist“.