Der russische Präsident Wladimir Putin
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Der russische Präsident Wladimir Putin

Aus für Getreideabkommen

„Afrika steht vor der Entscheidung: Hunger riskieren oder sich mit dem Kreml einlassen“

  • VonHarald Prokosch
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Vom Aus für das Getreideabkommen mit der Ukraine könnten Russlands Bauern profitieren. Leidtragende sind Staaten in Afrika.

Dieses Interview liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Africa.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte es Africa.Table am 25. Juli 2023.

Mit der Entscheidung, das Getreideabkommen mit der Ukraine auszusetzen, versetzt Wladimir Putin Afrika einen schweren Schlag. Das Geschäft mit Weizen und Düngemitteln möchte er gerne selbst machen. Die Afrikaner stehen damit vor der Wahl: Hunger oder Partnerschaft mit dem Autokraten im Kreml. Table.Media sprach dazu mit Tobias Heidland, Direktor für Internationale Entwicklung am Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Wie hart trifft der Stopp der Getreidelieferungen den afrikanischen Kontinent?
Afrika ist potenziell sehr stark getroffen. Zum einen sind die Konsumenten kurz- und vor allem mittelfristig voraussichtlich deutlichen Preissteigerungen bei bestimmten Getreidearten ausgesetzt. Hinzu kommen mögliche massive Preissteigerungen beim Dünger. Von den bereits deutlich anziehenden Weltmarktpreisen profitieren übrigens russische Bauern, das kommt in Russland innenpolitisch natürlich gut an. Der Spotpreis für Weizen hat innerhalb weniger Tage bereits um gut zehn Prozent angezogen.
Noch schwieriger wird die Situation für die afrikanischen Staaten aber dadurch, dass einige von ihnen ohnehin in Zahlungsschwierigkeiten sind und deshalb kaum Spielraum haben, sich auf anderen Märkten zu versorgen oder die Folgen für die Bevölkerung durch Subventionen abzumildern. Dazu kommt, dass zum Beispiel Indien angekündigt hat, den Reisexport zu beschränken. Damit fallen wichtige Alternativen weg.

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„Russische Angriffe könnten den Getreideexport der Ukraine weiter schwächen“

Welche Produkte fehlen der afrikanischen Wirtschaft besonders?
Weizen ist wichtig, aber Düngemittel sind für den Anbau auf den Böden vieler afrikanischer Länder entscheidend. Auch Kleinbauern brauchen viel davon für ihre Ernten. Die von Putin angestoßene Entwicklung kann die afrikanische Bevölkerung schlimmstenfalls sogar dreifach treffen: Kein Weizen, kein Dünger, und sobald andere Produktgruppen wie etwa Mais von der Markt- und Preisentwicklung erfasst werden, fehlen auch noch Futtermittel.
Wie wird sich die Situation militärisch entwickeln?
Für Afrika wird es nicht leichter. Russische Angriffe auf Lagerhallen und Verladeterminals der Bahn oder an der Donau könnten den Getreideexport der Ukraine weiter schwächen. Diese Alternativen sind aber extrem wichtig, denn wir werden nach meiner Einschätzung in nächster Zeit keine Schiffe in Odessa ablegen sehen, das wäre viel zu riskant.
Wie ist Putins Entscheidung geoökonomisch zu bewerten?
Ich glaube, Russland hat damit das Tischtuch zerschnitten und klargemacht, dass es kein Interesse daran hat, ukrainisches Getreide auf den Weltmarkt kommen zu lassen. Dieses Geschäft will Putin selbst machen und er will diplomatisch von der Lebensmittel- und Düngemittelkrise profitieren. Er wird auf dem bevorstehenden Afrika-Russland-Gipfel afrikanische Länder durch bilaterale Vereinbarungen an sich binden, und diese Staaten stehen dann vor der Entscheidung, ob sie Hunger riskieren oder sich mit dem Autokraten im Kreml einlassen. Positiv gewendet könnte man aus afrikanischer Sicht sagen, dass sich hier zeigt, es gibt mehr Wahlmöglichkeiten bei geopolitischen Partnern als noch vor einigen Jahrzehnten.

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