„Nahen Osten ein neues Gesicht geben“

Aufbau einer Pufferzone in Syrien: Israel soll mit Panzern kurz vor Damaskus stehen

  • Jens Kiffmeier
    VonJens Kiffmeier
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Nach dem Assad-Sturz bleibt die Lage in Syrien unübersichtlich. Israel fürchtet ein Machtvakuum – und rückt offenbar mit Panzern und Kampfjets vor.

Damaskus – Der Herrscher ist weg, doch die Situation bleibt unübersichtlich: Nach dem Sturz von Baschar al-Assad im Syrien-Bürgerkrieg bleibt die aktuelle Lage in der Region unübersichtlich. Für Verwirrung sorgen dabei auch militärische Aktivitäten Israels. Denn Berichten zufolge sollen israelische Bodentruppen mit Panzern weit über die Grenze vorgedrungen sein und nur noch 25 Kilometer vor der syrischen Hauptstadt Damaskus entfernt stehen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf israelische Sicherheitskreise. Demnach will Israel offenbar eine Pufferzone zu den Golanhöhen einrichten.

Krieg in Syrien: Israel rückt nach Assad-Sturz mit Panzern in Richtung Damaskus vor

Israels Regierung hat den Einsatz von Bodentruppen in Syrien bislang nicht bestätigt. Doch nach dem Sturz von Assad durch mehrere Rebellengruppen fürchtet die Regierung von Benjamin Netanjahu ein Machtvakuum in dem Bürgerkrieg-Land. Bereits am Wochenende hatte die israelische Armee mit Kampfjets mehrere Luftangriffe auf vermeintliche Waffenlager des alten Regimes geflogen. Internationale Organisationen vermuten Unmengen von Chemiewaffen- und Langstreckenraketen in der Region.

Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden in den vergangenen Tagen von Israels Luftwaffe über 300 Ziele angegriffen, darunter auch ein Marinestützpunkt an der Mittelmeerküste. Auch am Dienstag waren wieder vielerorts Explosionen zu hören.

„Geben Nahen Osten anderes Gesicht“: Netanjahu rechtfertigt Eingreifen von Israel

Israel sei dabei, „das Gesicht des Nahen Ostens zu verändern“, sagte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu laut der Deutschen Presse-Agentur. Assads Syrien sei „das wichtigste Glied in Irans Achse des Bösen“ gewesen. Der Zusammenbruch der Assad-Herrschaft sei eine „direkte Folge der schweren Schläge“, die Israel der islamistischen Hamas im Gazastreifen, der Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon und dem Iran versetzt habe. Der Kampf sei deshalb noch nicht beendet.

Vorrücken in Richtung Damaskus: Nach dem Sturz von Assad sollen Israels Panzer die Grenze bei den Golanhöhen überwunden haben.

„Der Staat Israel etabliert sich zu einem Machtzentrum in unserer Region, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr der Fall war“, sagte Netanjahu zu dem Machtwechsel in Syrien. „Wir wollen ein anderes Syrien“, das sowohl Israel als auch den Einwohnern Syriens zugutekomme, sagte er. Details zu israelischen Militäraktivitäten nannte er aber nicht.

Israels Luftangriffe auf Assads Waffenlager lösen internationale Reaktionen aus

Die militärischen Aktivitäten Israels in Syrien haben weltweit durchaus Reaktionen hervorgerufen. Ägypten und Saudi-Arabien kritisierten den israelischen Vorstoß scharf und warfen dem Land vor, die Situation in Syrien auszunutzen und gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Der UN-Sicherheitsrat beriet in einer Dringlichkeitssitzung über die Lage und betonte die Notwendigkeit, die territoriale Integrität Syriens zu bewahren.

Doch auch in Europa und in den USA werden die Entwicklungen mit Sorge betrachtet. So bot der scheidende US-Präsident Joe Biden seine Unterstützung für einen von Syrien geleiteten Übergangsprozess unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen an. Ähnlich äußerten sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die beide wegen der Lage in Syrien miteinander telefoniert haben und dabei ihre Bereitschaft signalisierten, mit der neuen syrischen Regierung zusammenzuarbeiten – sofern grundlegende Menschenrechte gewahrt werden.

Syrien-Rebellen stürzen Assad: Die Bilder des Machtwechsels

Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt. In ganz Syrien versammeln sich Menschen, um den Sturz der syrischen Regierung zu feiern.
Machthaber Baschar al-Assad ist gestürzt und hat das Land verlassen. Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Im ganzen Land versammeln sich Menschen wie hier in der Hauptstadt Damaskus auf den Straßen. Sie feiern den Sturz der syrischen Regierung und das Ende der über 50 Jahre andauernden Herrschaft der Assad-Dynastie.  © dpa/DIA Photo/AP | Ugur Yildirim
Ein zerbrochenes Porträt des syrischen Ex-Präsidenten Hafez Assad liegt auf dem Boden. Menschen durchwühlten die Privatwohnung des geflohenen Machthabers Baschar al-Assad.
Ein zerbrochenes Porträt des syrischen Ex-Präsidenten Hafez Assad liegt auf dem Boden. Der im Jahr 2000 verstorbene Hafez Assad war der Vater Baschar al-Assads und herrschte von 1970 bis zu seinem Tod über das Land. Bürgerinnen und Bürger strömten auch in den Präsidentenpalast und in eine Privatwohnung des geflohenen Machthabers. © dpa/AP | Hussein Malla
Menschen gehen durch die Hallen des Präsidentenpalastes des syrischen Präsidenten, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Der Präsidentenpalast wird nach dem Sturz Baschar al-Assads in Syrien zu einem Publikumsmagenten. Hunderte Menschen strömten in den Protzbau des Ex-Präsidenten und wandelten durch die Hallen. © Hussein Malla / dpa
Eine Gruppe von Menschen macht ein Familienfoto, während sie auf einer Couch in einem Saal des Präsidentenpalastes, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Eine Gruppe von Menschen macht ein Familienfoto, während sie auf einer Couch in einem Saal des Präsidentenpalastes, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © dpa/AP | Hussein Malla
Syrische Oppositionskämpfer stehen vor dem beschädigten Eingang der iranischen Botschaft, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Syrische Oppositionskämpfer stehen vor dem beschädigten Eingang der iranischen Botschaft, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © dpa/AP | Hussein Malla
Syrische Oppositionskämpfer entfernen eine syrische Regierungsflagge von einem offiziellen Gebäude in Salamiyah, östlich von Hama.
Syrische Oppositionskämpfer entfernen eine syrische Regierungsflagge von einem offiziellen Gebäude in Salamiyah, östlich von Hama. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Überall auf den Straßen feiern Menschen den Sturz Assads.
Überall auf den Straßen feiern Menschen den Sturz Assads. © dpa/AP | Emrah Gurel
Ein Satellitenbild von Maxar Technologies zeigt eine riesige Menschenansammlung in Aleppo.
Ein von Maxar zur Verfügung gestelltes Satellitenbild zeigt feiernde Menschen auf den Straßen Aleppos. © dpa/Maxar Technologies/AP | Uncredited
Rauchschwaden im Hintergrund, während Einwohner und Oppositionskämpfer auf einem zentralen Platz in Damaskus feiern.
Rauchschwaden im Hintergrund, während Einwohner und Oppositionskämpfer auf einem zentralen Platz in Damaskus feiern. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee.
Menschen versammeln sich zur Feier des Sturzes der syrischen Regierung in einer Glaubensmoschee. © dpa/AP | Emrah Gurel
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani spricht in der Umayyaden-Moschee nach der Machtübernahme in Syrien.
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani spricht in der Umayyaden-Moschee nach der Machtübernahme in Syrien. © dpa/AP | Omar Albam
Ein Bild von Baschar al-Assad in der Stadt Hama ist durchlöchert von Kugeln.
496721846.jpg © Omar Albam / dpa
Überläufer stellen sich in einer Reihe auf, um ihre Daten bei den syrischen Aufständischen in Aleppo, Syrien, zu registrieren.
Überläufer stellen sich in einer Reihe auf, um ihre Daten bei den syrischen Aufständischen in Aleppo, Syrien, zu registrieren. © dpa/AP | Omar Albam
Nachdem syrische Rebellen Hama erob ert haben, fliehen Menschen aus der Stadt.
Nachdem syrische Rebellen Hama erobert haben, fliehen Menschen aus der Stadt. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Oppositionskämpfer fahren an Panzern der Regierungstruppen vorbei, die auf einer Autobahn zurückgelassen wurden, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad.
Oppositionskämpfer fahren an Panzern der Regierungstruppen vorbei, die auf einer Autobahn zurückgelassen wurden, nach dem Sturz des bisherigen syrischen Machthabers al-Assad. © Hussein Malla / dpa
Eine zerstörte Straße nach einem Angriff der syrischen Armee in Aleppo.
Eine zerstörte Straße nach einem Angriff der syrischen Armee in Aleppo. © Anas Alkharboutli / dpa
Ein syrischer Oppositionskämpfer hält einen Raketenwerfer vor dem Büro der Provinzregierung, an dessen Fassade ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar Assad von Kugeln durchlöchert ist.
Ein syrischer Oppositionskämpfer hält einen Raketenwerfer vor dem Büro der Provinzregierung, an dessen Fassade ein Bild des syrischen Präsidenten Baschar Assad von Kugeln durchlöchert ist. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Ein Kind erklimmt eine abgerissene Statue des ehemaligen Präsidenten Hafis al-Assad. In ganz Syrien wurden derartige Statuen gestürzt.
Ein Kind erklimmt eine abgerissene Statue des ehemaligen Präsidenten Hafis al-Assad. In ganz Syrien wurden derartige Statuen gestürzt. © dpa/IMAGESLIVE via ZUMA Press Wire | Juma Mohammad
Ein im Bürgerkrieg zerstörtes Fahrzeug der syrischen Armee.
Ein im Bürgerkrieg zerstörtes Fahrzeug der syrischen Armee. © IMAGO/Rami Alsayed
Ein syrischer Oppositionskämpfer zerreißt am internationalen Flughafen von Aleppo ein großes Bild, das den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seinen verstorbenen Vater Hafis al-Assad zeigt.
Ein syrischer Oppositionskämpfer zerreißt am internationalen Flughafen von Aleppo ein großes Bild, das den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und seinen verstorbenen Vater Hafis al-Assad zeigt. © dpa/AP | Omar Albam
Eine zerbrochene Büste des alten syrischen Präsidenten Hafez Assad
Eine zerbrochene Büste des alten syrischen Präsidenten Hafez Assad, Vater des jetzigen Präsidenten Baschar al-Assad, liegt auf einem von Oppositionskämpfern zerstörten Fliesenboden in Aleppo. © dpa/AP | Omar Albam
Syrische Oppositionskämpfer stehen auf einem beschlagnahmten Kampfjet auf einem Militärflughafen nahe der Stadt Hama.
Syrische Oppositionskämpfer stehen auf einem beschlagnahmten Kampfjet auf einem Militärflughafen nahe der Stadt Hama. © dpa/AP | Ghaith Alsayed
Syrer feiern die Ankunft der Rebellen in Damaskus auf einem Panzerfahrzeug.
Syrer feiern die Ankunft der Rebellen in Damaskus auf einem Panzerfahrzeug. © dpa/AP | Omar Sanadiki
Noch im Morgengrauen feierten Menschen die Ankunft der Rebellen in Damaskus. Immer wieder feuerten Syrer mit Gewehren in die Luft.
Noch im Morgengrauen feierten Menschen die Ankunft der Rebellen in Damaskus. Immer wieder feuerten Syrer mit Gewehren in die Luft. © dpa/AP | Omar Sanadiki
Auch in Deutschland feierten die Exil-Syrer die Flucht von Assad. Hier etwa in Mainz.
Auch in Deutschland feierten die Exil-Syrer die Flucht von Assad. Hier etwa in Mainz. © dpa | Andreas Arnold

Nach dem Sturz von Baschar al-Assad hat die Rebellenallianz Mohammed al-Baschir erst einmal mit der Bildung einer neuen Regierung begonnen. Geplant ist eine Übergangsregierung. Die Baath-Partei des gestürzten Machthabers hat bereits angekündigt, den politischen Übergang zu unterstützen. „Wir werden für eine Übergangsphase in Syrien sein, mit dem Ziel, die Einheit des Landes zu verteidigen“, erklärte der Generalsekretär der Partei der dpa zufolge. 

Aktuelle Lage nach Assad-Sturz: Rebellen öffnen Foltergefängnisse

Dennoch bleibt die Zukunft von Syrien nach dem Assad-Sturz weiter ungewiss und die humanitäre Lage in dem Land weiter prekär. Während die Rebellen die Foltergefängnisse des Regimes öffnen und viele Gefangene freilassen, sind weiterhin tausende Menschen auf der Flucht. Die Flüchtlingssituation belastet die Nachbarländer dabei schwer. Die Türkei hat bereits angekündigt, einen weiteren Grenzübergang zu öffnen, um die Rückkehr von Flüchtlingen zu erleichtern. In Europa haben Länder wie Deutschland, Großbritannien und Italien derweil ihre Asylverfahren für syrische Flüchtlinge ausgesetzt, um die Lage neu zu bewerten. (jkf/mit Material der dpa)

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