„Es ist erschreckend“
Trotz „grobem Unfug“: CDU-Landrat will mit Sonnebergs AfD-Amtskollegen zusammenarbeiten
VonMarcus Giebelschließen
Robert Sesselmann ist der erste AfD-Landrat. Ein erfahrener Kollege der CDU will ihm ins Gewissen reden, einer Zusammenarbeit steht aber nichts im Weg.
Erfurt – Politische Entscheidungen in Sonneberg erzeugten bislang nur in Ausnahmefällen über die Grenzen des Landkreises hinaus Aufmerksamkeit. Das hat sich seit der Wahl des ersten AfD-Landrats geändert. Immerhin haben Robert Sesselmann und seine AfD im Wahlkampf auf ganz große Politik gesetzt: Die Wahlplakat-Slogans „Euro abschaffen“, „Grenzen schließen“, „Rundfunkbeiträge abschaffen“, oder auch „Gegen Sanktionen – für billiges Gas aus Russland“ dokumentierte der Deutschlandfunk. Und der Wahlausgang sorgte für ein mittelschweres Beben im Kreise der Polit-Promis.
Dabei ist der 50-Jährige eben auch „nur“ Landrat im zweitkleinsten Landkreis Deutschlands an der thüringisch-bayerischen Grenze. Womit sein politischer Gestaltungsspielraum zugleich doch arg begrenzt ist. Denn Sesselmann vertritt zwar künftig den Kreis Sonneberg und kann seiner Partei so zu noch mehr Präsenz verhelfen. Seine Hauptaufgabe besteht jedoch darin, die Beschlüsse des Kreistags umzusetzen. Und in eben diesem hat die AfD bis zur Wahl 2024 lediglich neun von 40 Sitzen inne. Stärkste Fraktion ist die CDU mit zehn Abgeordneten, auf die gleiche Zahl kommt ein Bündnis von Linken und Grünen.
CDU-Mann will mit Sesselmann zusammenarbeiten: „Illusion, die Welt aus den Angeln zu heben“
Dennoch bleibt die Frage: Wie wird sich Sesselmanns Wahl auf die Kommunalpolitik auswirken? Gespannt ist sicher auch Werner Henning, Deutschlands dienstältester Landrat aus dem thüringischen Eichsfeld. Der seit 1994 amtierende CDU-Politiker monierte in der taz: „Es ist erschreckend, wie sehr sich der neue Landrat aufs Parteipolitische konzentriert. Er bedient in der Bevölkerung die Illusion, dass er die Welt aus den Angeln heben könnte. Das ist grober Unfug!“
Womöglich fallen aber eben jene wider besseres Wissen geschürten Erwartungen dem AfD-Landrats-Pionier und damit auch seiner Partei auf die Füße. Die Zusammenarbeit will der erfahrene Henning dem Vertrauten von Björn Höcke in der thüringischen Landrätekonferenz jedoch nicht verweigern, wie er betonte. Wobei eine solche Grundhaltung wahrscheinlich ohnehin nur der AfD, die sich in Umfragen auf einem Höhenflug befindet, in die Karten gespielt hätte. Hinzu kommt: Die von der CDU mehrmals ausgeschlossene Zusammenarbeit mit der Rechtsaußen-Partei greift nur auf Bundes- und Länderebene. So hat die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung für die Kommunalebene bereits mehrere Beispiele für Zusammenspiele zwischen CDU und AfD aufgelistet.
Sesselmann als erster AfD-Landrat: „Im Amt keine parteipolitische Freiheit“
Henning wird Sesselmann nach eigener Auskunft bei der nächsten Landrätekonferenz zum Thema kommunaler Finanzausgleich treffen. Dann werde er ihm zur Wahl gratulieren, ihm aber auch mit auf den Weg geben: „Orientieren Sie sich an Recht und Gesetz, Sie haben in Ihrem Amt keine parteipolitische Freiheit, und wenn Sie meinen, diese umsetzen zu können, ist es nichts anderes als Populismus.“
Sollte Sesselmann die Parteiinteressen über die des Landes stellen, droht ihm ohnehin Ungemach. Laut §3 Thüringer Disziplinargesetz kann ein Beamter disziplinarrechtlich bestraft werden, sollte er die vom Land übertragenen Aufgaben nicht erfüllen. Dies kann einen Verweis zur Folge haben, aber auch zur Entlassung führen. Höchst fraglich, ob Sesselmann für ein paar Minuten zusätzlichen Ruhm seine politische Karriere riskieren würde.
Passend dazu erklärte Landkreistag-Präsident Reinhard Sager (CDU) laut ARD-„Tagesschau“ nach der Sonneberg-Wahl: „Als Wahlbeamter ist Herr Sesselmann auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung verpflichtet.“ Ein gutes Zusammenwirken zwischen Kreistag und dem AfD-Politiker sei wichtig: „Insofern darf es zu keiner Blockadepolitik kommen.“ Hier durften sich aber wohl auch die anderen Parteien angesprochen fühlen.
Video: Feiern mit Höcke - Das sagen die Leute in Sonneberg zum AfD-Wahlsieg
Sonneberg wählt AfD-Politiker Sesselmann: „Großer Spielraum in der Personalpolitik“
In Habachtstellung ist derweil Uwe Schlammer, der der gemeinsamen Fraktion von Linken und Grünen im Kreistag Sonneberg vorsitzt. Der Linken-Politiker warnte in der taz: „Wir müssen wachsam sein, wenn er versucht, Spielräume zu nutzen, um etwa die Demokratieförderung zusammenzustreichen oder nur noch Sachleistungen für Geflüchtete auszugeben.“ Zwar könne bei bestimmten Sachthemen nicht gegen alles gestimmt werden, sollte Sesselmann aber versuchen, AfD-Themen durchzusetzen, werde der Kreistag diese blockieren.
Zu beachten sei allerdings: „Der Landrat hat in der Personalpolitik einen großen Spielraum.“ So kann Sesselmann über Beförderungen und Stellenbesetzungen entscheiden. Und das nach seiner Wahl für die nächsten sechs Jahre. (mg)
