Wahlplakat des Parteivorsitzenden der SMER Robert Fico in Bratislava, Slowakei.
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Wahlplakat des Parteivorsitzenden der SMER Robert Fico in Bratislava, Slowakei.

Mögliches Comeback von Ex-Premier Fico

Warum die Wahl in der Slowakei über den Ukraine-Krieg mitentscheiden könnte

Am 30. September wählen die Slowaken vorzeitig ein neues Parlament. Die politische Führung in Bratislava steht fest an der Seite des Nachbarn Ukraine – zumindest bisher.

Die Nacht zum 1. Oktober wird für die Verantwortlichen in Brüssel und Kiew, aber auch in Moskau eine unruhige werden. Dann werden in der Slowakei die Stimmen der vorgezogenen Parlamentswahlen ausgezählt. Sollten sich die Umfragen bestätigen, könnte der Urnengang in dem kleinen Land mit fünf Millionen Einwohnern einen Richtungswechsel bringen, der dem Westen nicht gefallen würde. 

Das bürgerliche Lager, seit vier Jahren in Bratislava an der Macht, steht gemeinsam mit Präsidentin Zuzana Čaputová fest an der Seite der ukrainischen Nachbarn. Zu Beginn des russischen Überfalls gab es in der Bevölkerung eine Welle der Solidarität mit den Zehntausenden Flüchtlingen. Doch die Mehrheit der Slowaken fordert mittlerweile ein Ende der Unterstützung für die Ukraine. 

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„Lächerliche amerikanische Figuren“

Mit ihrem Stimmungswandel könnte sie dem früheren Ministerpräsidenten Robert Fico zu einem Comeback verhelfen. Dessen Mantra lautet: „Dieser Krieg ist nicht unser Krieg“. Fico erteilt den Sanktionen der EU gegen Russland eine klare Absage. Scharf kritisierte er auch die Lieferung eines Luftabwehrsystems nach Kiew: Mit ihnen wollten der damalige Premier Eduard Heger und Präsidentin Čaputová – für Fico „lächerliche amerikanische Figuren“ – die Slowakei angeblich in den Krieg hineinziehen. Auch ein Militärabkommen zwischen dem Nato-Mitglied Slowakei und den USA lehnt Fico entschieden ab.

Noch ist es nicht ausgemacht, dass Fico tatsächlich Wahlsieger wird und eine Koalition schmieden kann. In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des TV-Senders Markiza kommt seine nationalistische SMER-SDD auf 18,9 Prozent Zustimmung, der Vorsprung auf die liberale Partei Fortschrittliche Slowakei schrumpfte auf 2,4 Prozentpunkte. Doch wenn es so kommt, bräche neben Ungarn womöglich ein weiteres Land aus der Ukraine-Koalition heraus.

Fico macht Krieg für Probleme verantwortlich

Es kommt nur selten vor, dass Wahlen von einem außenpolitischen Thema beherrscht und letztlich entschieden werden könnten. Und natürlich ist auch den Slowaken das Hemd näher als der Rock. Doch Fico hat ihnen eingeredet, dass alle innen- und wirtschaftlichen Probleme des Landes letztlich mit der Ukraine zusammenhingen.

Wer großzügig Waffen nach Kiew schicke und sich vor allem um Flüchtlinge sorge, argumentierte er, der bestehle die eigene Bevölkerung, die angesichts alltäglicher Probleme nicht aus noch ein wisse. Zu dieser demagogischen Linie Ficos gesellt sich zunehmend ein Moskau verehrender Panslawismus, „der in der Slowakei schon immer sehr viel ausgeprägter gewesen ist als beispielsweise in Tschechien“, wie der in Prag lebende einstige slowakische Bürgerrechtler Fedor Gál beklagt. 

Drei Viertel lehnen die Sanktionen ab

Zahlen sprechen Bände: Einer aktuellen Globsec-Umfrage zufolge sehen nur 40 Prozent der Slowaken in Russland den Schuldigen für den Krieg gegen die Ukraine. Hingegen sagen 34 Prozent, dass die russische Aggression vom Westen provoziert wurde. 76 Prozent sind entschieden gegen Russland-Sanktionen, 69 Prozent lehnen jegliche Militärhilfe für die Ukraine ab.

Dieses Ergebnis basiert nach Meinung von Globsec auf einem Zusammentreffen gleich mehrerer Faktoren. In der Slowakei offenbare sich ein Vertrauensmangel in Institutionen und eine Gesellschaft, die dazu neige, Fehlinformationen zu glauben. Dann brauche es nur noch starke politische Akteure, die die Frustration und die Ängste der Menschen für sich ausschlachten.

Russische Propaganda wirkt

Die russische Propaganda bearbeitet das Land vor allem über die sozialen Netzwerke intensiv, und sie feiert bemerkenswerte Erfolge. Es genügt dabei im Wesentlichen, wenn sie die Probleme der Slowaken als direkte Folge der EU-Sanktionen beschreibt. Die Slowaken leiden unter der höchsten Inflationsrate aller Euro-Länder und stöhnen vor allem unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. 

Die Frustrierten machen die Bürgerlichen und ihre Regierungszeit verantwortlich für die Probleme. Eine Regierungszeit, die wegen persönlicher Animositäten der Protagonisten turbulent war, mehrere Kabinette verschlang und nun vorzeitig zu Ende geht. Hans-Jörg Schmidt