Analyse
Russische Bedrohung: USA bauen ihre Militärpräsenz in Polen weiter aus
Die Standorte für die US-Heeresflieger bei Poznań und auf dem Flughafen Rzeszów nahe der ukrainischen Grenze gewinnen als Logistikhubs stark an Bedeutung.
Alle Zufahrtsstraßen zum Militärflughafen in Powidz, etwa 70 Kilometer östlich von Poznań (Posen), sind weiträumig abgesperrt. Nur das Militärpersonal und ausgewiesene Bauarbeiter dürfen sich den im Wald verstreuten Anlagen nähern. Der Grund für die strenge Abschirmung ist allerdings nicht das 7. Geschwader der polnischen Luftwaffe, das seit Jahrzehnten in Powidz stationiert ist, sondern der Stützpunkt der US-Streitkräfte, der zurzeit gleich neben dem Flugplatz errichtet wird.
Es ist der erste permanente US-Stützpunkt in Polen und der achte in Europa. Nach der russischen Invasion der Ukraine nahmen die Bauarbeiten an Tempo zu – bis 2024 dürften die wichtigsten Einrichtungen weitgehend fertiggestellt sein. Experten schätzen, dass etwa 3.500 US-Soldaten in Powidz stationiert werden könnten – allen voran eine multifunktionale Heeresfliegerbrigade.
Im April wurde bereits der Komplex für die langfristige Lagerung und Wartung von Ausrüstung (LTESM-C) eingeweiht. In sieben riesigen Hallen werden etwa 2.700 Panzer, schwere Artilleriesysteme und gepanzerte Transporter untergebracht, um die Reaktionszeit der Allianz im Fall eines Überfalls an der Ostflanke auf ein Minimum zu reduzieren. Auch ein neues Munitionslager entsteht.
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Vom Frontstaat zum Logistikhub
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Polen ein Frontstaat, über den der Großteil der humanitären Hilfe und militärischer Ausrüstung transportiert wird. Um diese Aufgaben erfüllen zu können und um die Sicherheit der Ostflanke zu verbessern, wurde die Präsenz der Nato erhöht – zurzeit befinden sich 11.600 Nato-Soldaten auf polnischem Boden, davon 10.000 Amerikaner an elf Standorten. Vieles deutet darauf hin, dass sie sich auf Dauer in Polen einrichten werden.
Um Polen auch bei der Modernisierung der eigenen Armee zu helfen, leihen die USA der Regierung Geld – unter anderem für Waffeneinkäufe aus den USA. Am gestrigen Montag wurde ein Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 2 Milliarden Dollar unterzeichnet, teilte das US-Außenministerium mit.
„Der russische Überfall auf die Ukraine zwingt die USA und die Nato, ihre Politik im Osteuropa den neuen Begebenheiten anzupassen“, sagt Tomasz Smura, Chefanalytiker der Pulawski-Stiftung, die sich vor allem mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik befasst. „Während sich die Nato früher auf die Bedrohung durch Schurkenstaaten konzentrierte, ist nun wieder eine Abschreckung entlang einer Front fast wie im Kalten Krieg gefragt.“
Ramstein wird nicht infrage gestellt
Die US-Stützpunkte im europäischen Süden büßen an Bedeutung ein, während der Osten wieder wichtiger wird. Vor allem der Suwalki-Korridor zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus gilt als Risikozone – der Zugang zu den baltischen Nato-Mitgliedern könnte hier leicht durchtrennt werden. Die Stellung der US-Basis in Ramstein als das Kommandozentrum für Europa soll durch die Kompetenzverlagerung an die Ostflanke aber nicht infrage gestellt werden.
Schon 2017, als Reaktion auf die Besetzung der Krim und den Krieg in Donbass im Jahr 2014, hatten die USA eine 4.700 Mann starke Kampfgruppe (Armored Brigade Combat Team/ABCT) nach Polen verlegt. Sie ist mit etwa 80 Panzern, 140 Schützenpanzern und Dutzenden Raketenwerfern bewaffnet. Die Soldaten sind in Westen Polens rund um Zagan und Świętoszów stationiert.
Kurz vor Kriegsbeginn im Februar 2022 landeten Soldaten der 82. US-Luftlandedivision im südostpolnischen Rzeszów, um den Transfer des militärischen Geräts in die Ukraine zu sichern. Auf dem Flughafen in Rzeszów Jasionka, der nur 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt liegt, stellten sie mehrere aus Deutschland verlegte Patriot-Flugabwehrsysteme auf, die die Stadt schützen.
Die Grundstückspreise haben sich verdoppelt
Der Flughafen ist strategisch enorm wichtig, 3.200 Meter ist die zweitlängste Landebahn Polens lang, somit können hier die größten Flugzeuge landen. Seit diesem Jahr wird in Jasionka eine der größten und modernsten Flugzeug-Wartungsbetriebe in Europa mit knapp 13.000 Quadratmeter Fläche errichtet – was den Flughafen für die US-Streitkräfte noch wichtiger macht.
Noch leben die US-Soldaten in einem Zelt-Camp, für den sie in der Nähe des Flughafens in Tajecina Land gepachtet haben. Die Verträge laufen für fünf Jahre, mit einer Verlängerungsoption für zehn Jahre. Da die Immobilienmakler mit dem Verbleib der US-Soldaten rechnen, haben sich die Grundstückspreise in der Umgebung verdoppelt. Nun soll aber auch der Flughafen in Lublin Swidnik als Alternative zu Rzeszów ausgebaut werden. Das Drehkreuz Lublin soll 2025 einspringen, wenn in Rzeszów die Landebahn erneuert wird.
Polen baut seine Raketenabwehr aus
In diesem Jahr soll eine Raketenabwehr-Installation Aegis BMD (Ballistic Missile Defense) in Redzikowo in Betrieb gehen. Sie ist Teil des US-amerikanischen EPAA-Raketenschutzschildes in Europa und soll – zusammen mit einer ähnlichen Anlage in Rumänien und einer Radarstation im Osten der Türkei – vor Angriffen mit ballistischen Raketen schützen.
Das Aegis System wird in Polen mit RIM-161 Standard Missile 3-Raketen bestückt. Kostenpunkt der Installation in Redzikowo: 900 Millionen US-Dollar. Zu dem US-Raketenschild gehören außerdem GMD-Systeme (Ground-Based Midcourse Defense) in Deutschland, sowie THAAD- und Patriot-Systeme, die zur Abwehr verschiedener Bedrohungen aus der Luft konzipiert sind.
Um der wachsenden Bedeutung Polens für die USA gerecht zu werden, wurde das Kommando des reaktivierten V. US-Armeecorps im vergangenen Jahr nach Poznań verlegt. Seine Aufgabe besteht darin, die amerikanischen Landstreitkräfte an der Nato-Ostflanke zu befehligen. Neben Truppen und Anlagen, die in Folge von bilateralen Abkommen nach Polen verlegt wurden, beteiligen sich US-Soldaten an zahlreichen Nato-Projekten.
„Angesichts russischer Aggression vereint“
Dazu gehören die 800 US-Soldaten, die den Kern der multinationalen Kampfgruppe der Nato, der „enhanced Forward Presence“ (eFP) in Orzysz bilden, US-Instrukteure am Nato Joint Forces Training Center in Bydgoszcz sowie US-Soldaten der Nato-Spionageabwehr-Einheiten in Bydgoszcz und Krakau.
Für Mark Brzezinski, den US-Botschafter in Warschau, ist die Stationierung der US-Truppen ein „historischer Moment“. Der Sohn von Zbigniew Brzezinski, eines ehemaligen Sicherheitsberaters von US-Präsident Jimmy Carter, sagte vergangene Woche: „Das signalisiert der Welt, dass wir angesichts der russischen Aggression vereint sind.“ Die USA wollen „jeden Inch“ des Nato-Territoriums verteidigen.
(Von Andrzej Rybak)