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Manipulation der EU-Wahl: Putin rekrutiert Spione und Diplomaten – „Er will Zwietracht säen“
VonBettina Menzel
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Russland versucht, die kommenden Europawahlen zu beeinflussen. Desinformation spielt dabei eine große Rolle. Putins Einfluss reicht teils direkt bis ins Europaparlament.
Brüssel – Im Ukraine-Krieg setzt Russland auch auf eine hybride Strategie: Dazu zählen Cyberangriffe und Desinformation. Damit will der Kreml auch die kommenden EU-Wahlen beeinflussen. Denn je weiter nach rechts Europa rückt, desto besser für Moskau. Einfluss will Putin auch mit Diplomaten und Geheimagenten gewinnen: Kürzlich war eine Europaabgeordnete als mutmaßliche russische Informantin enttarnt worden.
Hybrider Krieg: Russlands Strategie zur Destabilisierung Europas
Als hybrider Krieg gelten Maßnahmen unter der Schwelle der militärischen Kriegsführung. Die Aktionen finden in einer Grauzone statt, die Akteure versuchen „ihre Rolle als Konfliktpartei zu verschleiern“, heißt es von der Bundeswehr zum Thema. Flüchtende als „Waffe“ zu verwenden zählt ebenso zur hybriden Strategie Russlands, wie Cyberangriffe oder Desinformation – besonders auch in sozialen Medien. Die Destabilisierung Europas durch hybride Kriegsführung ist aus Sicht von Experten eines von Wladimir Putin erklärten Zielen. Nun rückt die Europawahl im Juni näher – und Russland bleibt nicht untätig.
Wie das Recherchenetzwerk Investigate Europe (IE) berichtet, rekrutierte Moskau Diplomaten und baute ein Netzwerk von Geheimagenten in Europa auf, um eine Spaltung zwischen EU-Ländern zu erreichen. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte der Westen zahlreiche Sanktionspakete gegen Russland verabschiedet. Infolgedessen wurden 400 russische Diplomaten aus der EU ausgewiesen – es soll sich um getarnte Geheimdienstler gehandelt haben. Entsprechend zerbrach „Russlands traditionelles Geheimdienstnetzwerk“ so IE, weshalb Moskau neue Personen installierte.
Russland lässt offenbar Europaabgeordnete als „Einflussagenten“ Moskaus arbeiten
Dem Kreml gelang es offenbar, auch Europaabgeordnete als „Einflussagenten“ zu gewinnen. Ein Beispiel: Kürzlich war ans Licht gekommen, dass die lettische Europaabgeordnete Tatjana Ždanoka möglicherweise als Informantin für den russischen Geheimdienst FSB arbeitete, wie das Europäische Parlament im Februar mitteilte. „Die Abgeordneten warnen davor, dass gewählte Politiker und Parteien in Europa wissentlich den Interessen Moskaus dienen und so die Einheit und Demokratie der EU untergraben“, so die Mitteilung weiter. Der Kreml versuche „Zwietracht zwischen den europäischen Bürgern zu säen.“
Besorgnis äußerten die Parlamentarier auch über die mutmaßlichen Beziehungen zwischen katalanischen Sezessionisten, darunter der Europaabgeordnete Carles Puigdemont, und der russischen Regierung. Zudem finanziert Russland laut Investigate Europe rechtsextreme Gruppen, startet Online-Desinformationskampagnen und nimmt Einfluss auf Anti-LGBT-Bewegungen, die Wissenschaft und die europäische Zivilgesellschaft. Französische Experten deckten im Februar beispielsweise ein russisches Desinformationsnetzwerk auf, das 193 Webseiten umfasste und kremlfreundliche Propaganda verbreitete.
Ukraine-Krieg: Die Ursprünge des Konflikts mit Russland
EU-Wahlen: Warum ein Rechtsruck in Europa für Moskau von Vorteil ist
Ein Rechtsruck in Europa spielt Moskau in die Hände. Denn europäische Rechtspopulisten, darunter auch die deutsche Alternative für Deutschland (AfD), sprechen sich gegen weitere EU-Hilfen für die Ukraine aus. Das Hauptziel der extremen Rechten in Europa werde sein, „die politische und öffentliche Unterstützung für die Ukraine so weit wie möglich zu untergraben. Sie werden höchstwahrscheinlich Panikmache anwenden und sagen, dass Menschen oder Politiker, die der Ukraine helfen, Gesellschaften in einen Krieg mit Russland hineinziehen“, sagte der Politikwissenschaftler Anton Schechowzow zu IE.
Wie Recherchen des Spiegels und The Insider ergaben, hatte ein Berater des AfD-Abgeordneten Eugen Schmidt im Deutschen Bundestag Kontakt mit einem FSB-Oberst, um „finanzielle Unterstützung“ zu erhalten, um die militärische Unterstützung der Ukraine zu verzögern – unter anderem auf dem Rechtsweg. Der Spion hatte damit auch Zugang zu einer „Fülle vertraulicher Informationen über die deutsche Politik“, so der Bericht. Die Tendenz in Europa ging zuletzt nach rechts, etwa in den Niederlanden, Italien, Finnland, der Slowakei und Deutschland. Selbst in Portugal, das lange immun gegen Rechtspopulismus schien, erreichte die erst 2019 gegründete rechtsextremistische Partei Chega zuletzt 18 Prozent.
Auch US-Wahl im Fokus: Putin hatte schon in der Vergangenheit seine Finger im Spiel
Es ist nicht die erste Wahl im Westen, auf die Putin versucht Einfluss zu nehmen. Auch bei vergangenen EU-Wahlen gab es bereits russische Einmischungen, wie aus einer Analyse der EU-Kommission hervorging. Zudem hatte der frühere US-Präsident Donald Trump während seines Wahlkampfes zu den Wahlen im Jahr 2016 Hilfe aus Russland bekommen. Das viel beachtete Interview Putins mit dem US-Moderator Tucker Carlson gilt Politikbeobachtern zufolge ebenfalls als Maßnahme, den Republikanern in den USA Argumente für ein Ende der Ukraine-Hilfe zu liefern. Ohne die US-Hilfen, da sind sich Kiew und Washington einig, wird die Ukraine den Krieg verlieren.
Es sei vollkommen klar, „dass Russland diese Europawahlen dazu nutzen wird zu schauen, wie weit man mit Fake News, Manipulation und […] hybrider Destabilisierung gehen kann“, warnte Außenministerin Annalena Baerbock am vergangenen Freitag und rief zu mehr Zusammenhalt auf. In den hitzigen Zeiten des Europawahlkampfs dürfe man Rechtspopulisten nicht auf den Leim gehen und sich von ihren Debatten der Spaltung, der Ausweisung, des Rassismus und des Antieuropäischen nicht treiben lassen, so die Ministerin weiter. Immerhin: Eine knappe Mehrheit der Deutschen (53 Prozent) glaubt einer Umfrage der Heinrich-Böll-Stiftung zufolge weiterhin an europäische statt nationale Lösungen. (bme)