Handelskrieg und geopolitische Spannungen

Hauptsache reden: US-Finanzministerin Janet Yellen auf schwieriger Mission in China

  • Christiane Kühl
    VonChristiane Kühl
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US-Finanzministerin Janet Yellen ist zu einer viertägigen Reise in China eingetroffen. Trotz des gegenseitigen Misstrauens soll sie den Wirtschaftsdialog wiederbeleben – auch um die Beziehungen zu retten.

Peking/München – Es ist einer dieser seltsamen Zufälle. US-Finanzministerin Janet Yellen ist am Donnerstag in Peking gelandet, auf den Tag genau fünf Jahre, nachdem die Administration von Ex-Präsident Donald Trump erstmals Strafzölle auf Waren aus China verhängte und damit den US-chinesischen Handelskrieg lostrat. Der aktuelle Präsident Joe Biden hat diese Zölle aufrechterhalten, trotz Yellens Kritik daran. Mehr noch: Bidens Regierung weitete Sanktionen und Exportverbote gegen die Volksrepublik sogar noch aus. Umgekehrt kündigte Peking am Montag an, die Ausfuhr der wichtigen Industriemetalle Gallium und Germanium ab August genehmigungspflichtig zu machen. Es ist ein Signal: Die beiden Metalle sind wichtige Rohstoffe für Hochleistungschips oder Fotovoltaik-Zellen – essenziell auch für Techfirmen der USA.

Yellens viertägiger Besuch wird also eine schwierige Mission. Immerhin wird sie voraussichtlich Ministerpräsident Li Qiang treffen. Dass die Reisediplomatie zwischen Peking und Washington wieder Fahrt aufnimmt, wäre die minimale Voraussetzung, um überhaupt aus den verhärteten Fronten zwischen beiden wieder herauszufinden. Und immerhin empfängt Peking Yellen überhaupt, während die Regierung erst diese Woche kurzfristig die geplante Visite des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell cancelte. Und auch Bundesfinanzminister Christian Lindner musste im April seine China-Reise nur wenige Tage vor Abflug abblasen – offiziell deshalb, weil sein Amtskollege sich dringend mit Staats- und Parteichef Xi Jinping treffen musste.

China und die USA: Yellen gilt in Peking als Realpolitikerin

Doch solche Dinge haben meistens Gründe. Lindners FDP gilt aus Sicht Pekings ebenso wie die Grünen innerhalb der Bundesregierung als besonders China-kritisch. Auch Borrell hat immer wieder mit klaren Aussagen gegen die Volksrepublik auf sich aufmerksam gemacht. Yellen dagegen gilt Peking innerhalb des US-amerikanischen Politkosmos als Pragmatikerin und Globalistin. So hat sich die ehemalige Zentralbank-Chefin wiederholt gegen eine Entkopplung von China ausgesprochen, etwa in einer Rede Anfang des Jahres: „Eine vollständige Trennung unserer Volkswirtschaften wäre für beide Länder katastrophal. Es wäre destabilisierend für den Rest der Welt“, sagte sie.

Es wird erwartet, dass Yellen diese Botschaft auch ihren Gesprächspartnern in Peking vermitteln wird. Kurz nach ihrer Ankunft in Peking meldete Yellen sich bereits über Twitter: „Wir streben einen gesunden wirtschaftlichen Wettbewerb an, der den amerikanischen Arbeitnehmern und Unternehmen zugutekommt, und wir wollen bei globalen Herausforderungen zusammenarbeiten.“ Ihre Reise biete eine Gelegenheit zur Kommunikation und zur Vermeidung von Missverständnissen.  

Schwierige Mission einer Realpolitikerin: US-Finanzministerin Janet Yellen bei der Ankunft in Peking

Es ist also kein Wunder, dass Yellen in China beliebter ist als etwa US-Außenminister Antony Blinken, der ebenfalls kürzlich in Peking war. Chinas Staatspresse lobte vor der Reise Yellens konstruktive Haltung, sie wurde am Flughafen überraschend herzlich empfangen. „Ich würde sagen, es ist ein bisschen wie guter Bulle, böser Bulle („Good Cop, Bad Cop“), wobei Blinken der böse Bulle ist“, sagte der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds Kenneth Rogoff der BBC. „China zieht es generell vor, mit US-Wirtschaftsvertretern zu verhandeln“, schreibt zudem Mingxin Pei vom Claremont McKenna College in den USA. „Denn es geht davon aus, dass diese pragmatisch sind und bereit, Abkommen zu schließen, um vom chinesischen Wirtschaftswachstum zu profitieren.“

Yellen in China: Geringe Erwartungen

Dennoch bedeuten freundliche Gespräche noch lange keinen Durchbruch in den Beziehungen. Yellens Ministerium signalisierte vor Abflug vorsichtshalber schonmal geringe Erwartungen hinsichtlich konkreter Ergebnisse. Sie werde mit Peking eine Zusammenarbeit in den Bereichen Klimawandel, Pandemievorsorge und der Entschuldung von Entwicklungsländern des Globalen Südens ausloten, hieß es. Dass sie auch die neuen Exportvorschriften für Germanium und Gallium ansprechen wird, gilt als sicher.

Dass Peking dabei ohne Gegenleistung nachgeben wird, ist wenig wahrscheinlich. So betonte der frühere Handelsminister Wei Jianguo in der Staatszeitung China Daily: „Dies ist erst der Anfang der chinesischen Gegenmaßnahmen. Chinas Werkzeugkasten hält noch viele weitere Arten von Maßnahmen bereit. Wenn es künftig noch strengere Hightech-Beschränkungen gegen China gibt, werden auch Chinas Gegenmaßnahmen eskalieren.“

Peking will offenbar zeigen, dass nicht nur die USA der Volksrepublik wehtun können. Sondern dass man im Handelskrieg durchaus auch eigene Waffen besitzt. Gut möglich, dass Peking nun durch gezielte Nadelstiche Gespräche auf Augenhöhe erzwingen will – in denen die USA aus Eigeninteresse Kompromisse machen müssten. Peking will ein Ende der von Trump und Biden verhängten Strafzölle und Sanktionen gegen eine stetig wachsende Zahl chinesischer Unternehmen.

China mit Gegenmaßnahmen: Nadelstiche gegen die USA

Schon seit Wochen gibt Peking Warnschüsse Richtung USA ab. Im April etwa nahm die chinesische Cyber-Aufsicht den US-Halbleiterhersteller Micron ins Visier. Seit Mitte Mai dürfen Micron-Speicherchips in China nicht mehr in kritischer Infrastruktur verbaut werden, offiziell wegen Sicherheitsbedenken. Im Zusammenhang mit einem kürzlich erlassenen Anti-Spionagegesetz ermittelten die Behörden vor einigen Wochen zudem gegen mehrere US-Unternehmensberatungen in verschiedenen Städten. Chinas Anti-Spionagegesetz sorgt für erhebliche Unruhe unter ausländischen Firmen.

Bislang gibt es allerdings keine Anzeichen dafür, dass sich die US-Seite von all diesen Aktionen beeindrucken lässt. Im Gegenteil: Washington arbeitet derzeit an weiteren Restriktionen. So entwirft das Weiße Haus Regeln, die es US-Unternehmen verbieten sollen, in chinesische IT-Firmen aus den Branchen Künstliche Intelligenz (KI), Quantencomputer und Prozessoren zu investieren. Solche Unternehmen sind beliebt bei Venture Capital. Auch werden weitere Exportbeschränkungen für hoch entwickelte Computerchips diskutiert.

Und Yellen selbst betonte im April, dass die Wahrung der nationalen Sicherheitsinteressen der USA und ihrer Verbündeten als oberstes Gebot der amerikanischen Wirtschaftspolitik gegenüber China gelte. Die Zeichen stehen also eher auf Aufrüstung statt Entspannung, auch in der Wirtschaft.

Rubriklistenbild: © MARK SCHIEFELBEIN/AFP