Flugbereitschaft mit Pannenproblem
Fenster springen, Reifen platzen: Deutschlands Regierungsflieger geraten zur Lachnummer
VonChristian Störschließen
Der Abbruch der Pazifikreise von Annalena Baerbock reiht sich ein in eine Pannenserie bei der Flugbereitschaft. Sind die Flugzeuge häufiger kaputt als andere?
Berlin - Am Ende zog Annalena Baerbock die Reißleine. Eigentlich wollte die Außenministerin Australien, Neuseeland und Fidschi besuchen, kam aber nur bis nach Abu Dhabi. Dort war Endstation. Nach wiederholten Pannen an ihrem Regierungsflieger musste die Grünen-Politikerin ihre geplante Reise in die Pazifik-Region vorzeitig abbrechen.
Die Funktionsstörungen der Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums sind schon legendär. Gesprungene Fensterscheiben, geplatzte Reifen und von Ratten zerfressene Kabel: Regierungsflugzeuge kämpfen mit vielen Problemen. Getroffen hat es schon fast die gesamte Führungsriege in Deutschland, darunter Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier und Christian Lindner. Auch die frühere Kanzlerin Angela Merkel und andere Regierungsmitglieder konnten in den vergangenen Jahren nicht wie geplant reisen. Meist blieb es bei ärgerlichen Verzögerungen.
Ein Überblick über die immer wieder auftretenden Probleme der Flugbereitschaft:
Totalausfall des Funksystems: Merkel muss umkehren
Für internationales Aufsehen sorgte die Reise von Angela Merkel (CDU) im November 2018 zum G20-Gipfel nach Buenos Aires. Eine Stunde nach dem Start in Berlin fiel beim Airbus A340 das komplette Funksystem aus. Ein solcher Totalausfall gilt als gefährlicher Notfall und kommt extrem selten vor. Die Maschine, die sich zu diesem Zeitpunkt im Luftraum über den Niederlanden befand, kehrte um und musste in Köln notlanden. Die damalige Bundeskanzlerin stieg auf eine Linienmaschine um und traf erst mit großer Verspätung in Argentinien ein.
Nager-Schäden machen Scholz zu schaffen
Im Oktober 2018 saß der damalige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in Indonesien fest, nachdem Ratten an einigen Kabeln des Flugzeugs genagt hatten. Scholz, der auf dem Rückweg von einer Sitzung des Internationalen Währungsfonds war, musste einen Linienflug nach Deutschland nehmen, während der Großteil seiner Delegation auf Bali blieb, bis das Flugzeug repariert werden konnte.
Reifen der Regierungsflugzeuge platzen
Beim ersten Dienstflug des Regierungsfliegers „Konrad Adenauer“ nach einer viermonatigen Generalüberholung kam es im April 2019 sofort zu einer Panne. Nach neunstündigem Flug von Berlin nach New York mit dem damaligen Außenminister Heiko Maas (SPD) an Bord verlor ein Reifen bei der Landung Luft, sodass der Airbus A340 nicht selbstständig in die Parkposition kam. Maas verspätete sich im UN-Sicherheitsrat.
Nur wenige Tage später wollte Olaf Scholz ausgerechnet mit dieser „Konrad Adenauer“ zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in die USA fliegen. Doch daraus wurde nichts. Bei einem Testflug war zuvor bei der Landung des Airbus A340 auf dem Flughafen Köln/Bonn ein Reifen geplatzt. Scholz nahm daraufhin die kleinere A321 nehmen und musste einen Tankstopp in Island einlegen.
Auch Annalena Baerbock kann ein Lied von Reifenproblemen singen. Bei einer Golfreise im Mai 2023 musste die Außenministerin wegen einer Reifenpanne ihren Aufenthalt im Emirat Katar um einen Tag verlängern. Für den platten Vorderreifen musste die Bundeswehr Ersatzteile aus Deutschland einfliegen.
Hydraulikschaden am Fahrwerk lässt Maas in Mali standen
Im Februar 2019 saß Maas wegen eines Hydraulikschadens am Fahrwerk einer A319 vorübergehend im westafrikanischen Mali fest. Aus Zeitgründen verzichtete er darauf, mit einem Linienflug einer Air-France-Maschine über Paris zurück nach Berlin zu reisen. Stattdessen flog die deutsche Luftwaffe über Nacht von Deutschland nach Mali und brachte die deutsche Delegation am folgenden Tag zurück nach Deutschland. Im August 2019 erwischte es Maas ein zweites Mal: Eine kaputte Schelle im Hydrauliksystem des vorgesehenen A340 zwang ihn, für seinen Flug nach Moskau auf einen Truppentransporter A310 der Bundeswehr auszuweichen.
Risse in der Frontscheibe: Regierungsflieger in Niger gestrandet
Wegen Rissen in der Frontscheibe ihres Regierungsfliegers strandete die Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller im Juni 2023 im westafrikanischen Niger. Die SPD-Politikerin war mit einer Global 6000 unterwegs, dem kleinsten Flugzeug der Bundeswehr-Flugbereitschaft mit nur 17 Sitzen. Fachleute vermuteten einen Hitzeschaden. In Niamey lagen die Temperaturen damals bei 40 Grad im Schatten. Möller und eine mitreisende kleine Delegation begaben sich per Linienflug auf dem Heimweg nach Deutschland.
Weitere Pannen an den Regierungsfliegern
- Oktober 2022: Wegen eines Defekts am Regierungsflieger steigt Finanzminister Christian Lindner in Washington nach der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds für seinen Rückflug auf einen Linienflug um.
- Juni 2019: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reiste wegen einer gerissenen Cockpitscheibe mit einem Privatjet zur Feier des 70. Jahrestags des Grundgesetzes in Karlsruhe.
- April 2019: Die Besatzung des kleinen Regierungsjets Global 5000 entgeht mit einer Bruchlandung auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld nur knapp einem Unglück. Beide Tragflächen schrammen über den Boden. Ursache ist der fehlerhafte Wechsel eines Bauteils in der Steuerung und mangelnde Sorgfalt bei der Funktionsüberprüfung. Einen Tag später hätte das Flugzeug Steinmeier nach Stuttgart bringen sollen.
- Januar 2019: Steinmeier strandet wegen eines Druckluftproblems am Airbus A340 „Theodor Heuss“ in Äthiopien. Um drei Stunden verschiebt sich der Start in Addis Abeba.
Sind Pannen bei der Flugbereitschaft übermäßig häufig?
Das Bundesverteidigungsministerium sieht das nicht so. „Wir sind ganz normal auf dem technischen Niveau einer renommierten Airline“, sagte eine Sprecherin. Durch die kleine Flotte könnten beschädigte Flieger aber nicht so schnell ersetzt werden wie bei einer großen Airline. Außerdem sei die Aufmerksamkeit auf die Politiker-Flüge einfach größer, sodass Pannen häufiger zu Schlagzeilen führten. Die Flotte sei in ausgezeichnetem Zustand.
Sind noch genügend Flugzeuge verfügbar?
Die Luftwaffe teilte nach dem Baerbock-Debakel mit, die beiden älteren A340 in ihrem Bestand nun „so schnell wie möglich, das heißt in den kommenden Wochen“ vorzeitig außer Dienst zu stellen. Probleme erwartet sie deshalb nicht. Mit den A350 stünden „der Flugbereitschaft robuste und moderne Flugzeuge für die Langstrecken zur Verfügung“, erklärte die Luftwaffe.
Mit nur noch zwei Langstreckenmaschinen könnte es allerdings deutlich mehr Gerangel unter den Regierungsmitgliedern um die Flugzeuge geben. Ein dritter A350 stößt laut Luftwaffe erst Mitte 2024 hinzu. Er wird derzeit noch für den VIP-Einsatz umgerüstet. (cs/dpa/AFP)